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Elliott Murphy – Prodigal Son – CD-Review

Elliott Murphy - Prodigal Son - CD-Review

Im Jahr 1973 erschien mit "Aquashow" das erste Album des Amerikaners Elliott Murphy, dem noch über dreißig weitere folgen sollten. Der Musiker war davor für ein paar Jahre in Europa unterwegs gewesen, wo er sich seine Brötchen als Straßenmusiker verdiente und sogar eine kleine Rolle in Frederico Fellinis Film "Roma" (1972) ergattern konnte. Wieder zurück in den Staaten machte er dann aber Ernst mit seiner Musik und alleine bis 1980 erschienen insgesamt fünf Alben. Murphy blieb konstant kreativ und hier bei RockTimes durften wir euch bereits die Alben Coming Home Again und Notes From The Underground sowie einen Live-Bericht von 2012 vorstellen. Bei "Prodigal Son" handelt es sich um das aktuelle, vor ein paar Monaten erschienene Studioalbum des Singer/Songwriters und Americana-Musikers. Und das lässt sich mit "Chelsea Boots" sowie "Alone In My Chair" schon mal sehr gut an. Murphy hat gute Riffs, eine herzhafte Roots-Instrumentierung und starke Songs am Start. Dabei erinnert seine Stimme aufgrund einer gewissen Brüchigkeit etwas an den späten Warren Zevon, durch ihre Bestimmtheit und Souveranität aber auch an den guten alten Willy DeVille.

War beim ersten Song noch eine coole Blues Harp im Spiel, so startet der zweite mit der Mandoline zum Gesang, bevor die komplette Band einsteigt und ein munterer Shuffle seine Bahnen zieht. Neben der sehr guten Produktion festigt sich schon sehr schnell der Eindruck, es hier mit bärenstarkem Songwriting zu tun zu haben. Mit "Hey Little Sister" wird es dann zu akutischen Gitarren, zwei Streichern und der coolen Lap Steel von Philippe Almosinino zum ersten Mal etwas ruhiger und gemächlicher. Allerdings nur musikalisch, denn der Text hat es in sich. Zu feiner Piano-Begleitung bleibt es auch bei "Let Me In" bei ruhigeren Tönen, während diese Nummer ein wenig an Mr. Zimmerman himself erinnert. Ganz fein gemacht und speziell Elliott Murphys dunkle und etwas angeraute Stimme kommt hier richtig gut. Passend dazu der sehr warmherzig klingende Background Choir, der immerhin aus vier Stimmen besteht und sich im Verlaufe der ca. sechseinhalb Minuten immer dramatischer und lauter entwickelt. Tolle Ballade.

Fast schon in die sprechende Erzählform verfällt der Protagonist bei "Wit’s End", wobei sich auch dieses Stück zu steigern weiß. Immer wieder glänzt die Pedal Steel und untermalt die Melancholie genial, wenn auch nie im Vordergrund. Das Besondere an der Musik Murphys ist, dass sie einen ganz speziellen, durchgängigen Swing hat, dem man sich kaum entziehen kann. Es kann durchaus mal rasanter, oder eben auch ruhiger zugehen – der Grundtenor bleibt bestehen. Für "Karen Where Are You Going" sind wieder das feine Piano von Leo Cotton sowie die tieftraurige Harmonika des Bandleaders unterwegs und der Letztgenannte entpuppt sich im Verlauf dieser Scheibe immer mehr als großartiger Geschichten-Erzähler, dem man – auch wegen seiner sonoren Stimme – einfach gerne zuhört. Und dann ist da der Titelsong mit voller Bandbesetzung, der erneut locker-leicht beginnt und sich dann gehörig steigert. Die gesamte Platte wirkt sehr ausgewogen und durchdacht, ohne dabei steril oder zu kopflastig zu sein.

Mit einer Spielzeit von über elfeinhalb Minuten ist jedoch das abschließende "Absalom, Davy & Jackie O" das Herzstück und der Höhepunkt von "Prodigal Son". Der Titel hat einen schönen Drive, während hier die Viola statt der Harmonika oder der Lap Steel für einen gewissen melancholischen Unterton sorgt. Aber selbst wenn die Traurigkeit in einigen Tracks angesprochen wurde, haben wir es hier nicht mit einem wirklich düsteren oder gar tristen Album zu tun. Diese Stilelemente verhelfen lediglich zu einer dichteren Atmosphäre und dienen zur Unterstützung der durch die Bank guten Lyrics. Elliott Murphy hat Spaß an seiner Musik, was er auch treffend rüber zu bringen und den geneigten Hörer mit auf die Reise zu nehmen versteht.

Insgesamt gesehen also ein sehr gutes Album eines Altmeisters, der offensichtlich noch lange nicht genug vom Komponieren, Singen und Musikmachen hat.


Line-up Elliott Murphy:

Elliott Murphy (acoustic & electric guitars, harmonica, harp, lead vocals)
Olivier Durand (acoustic-, slide & 12-string guitars, mandolin, Dobro)
Gaspard Murphy (bass, acoustic & electric guitars, B3 organ, celeste, percussion, background vocals)
Leo Cotton (piano, organ, mellotron)
Alan Fatras (drums – #1,3,7-9)

With:
Laurent Pardo (bass – #3,5,7-9)
Tom Daveau (drums – #2)
Philippe Almosnio (lap steel – #3,7-9)
Melissa Cox (violin & viola – #1,3,7,9)
David Gaugue (cello – #1,3,7)
Lisa Spada (background vocals – #1,4,5,9)
Crystal Peit (background vocals – #1,4,5,9)
Jean-Marc Reyo (background vocals – #1,4,5,9)
Fabrice Clair (background vocals – #1,4,5,9)

Tracklist "Prodigal Son":

  1. Chelsea Boots
  2. Alone In My Chair
  3. Hey Little Sister
  4. Let Me In
  5. The Prodigal Son
  6. Karen Where Are You Going
  7. Wit’s End
  8. You’ll Come Back To Me
  9. Absalom, Davy & Jackie O

Gesamtspielzeit: 49:00, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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