Stramme 55 Jahre ist der Name Epitaph nun schon ein Begriff in der (nicht nur) deutschen Musik-Szene. Natürlich gab es auch mal Band-Pausen, aber was Ende der sechziger Jahre in einem Dortmunder Keller bzw. Übungsraum begann, sich danach zunächst in ganz Deutschland und bis in die USA ausbreitete, ist der nach wie vor starke Rock-Sound einer Band, die immer noch aktiv und produktiv ihre Songs zum Besten gibt. Mit Cliff Jackson und Bernd Kolbe sind nach wie vor zwei Original-Mitglieder am Start, dazu kommen der seit Ende der siebziger Jahre im Line-up stehende zweite Gitarrist Heinz Glass und schließlich ist da als Jüngster noch der Schlagzeuger Carsten Steinkämper, der mittlerweile aber auch schon ein paar Jahre als Band-Mitglied auf dem Buckel hat. Fünf Jahre nach dem letzten Werk (Long Ago Tomorrow) nun also eine neue Scheibe mit dem augenzwinkernd warnenden Titel "Don’t Let The Gray Hair Fool You".
Sämtliche Tracks stammen aus der Feder von Cliff Jackson, während Heinz Glass beim Songwriting auf zwei Co-Credits kommt. Musikalisch gesehen bietet die Band eine sehr gelungene Mischung aus Alt und Neu und pendelt dabei gekonnt zwischen Rock und Hard Rock. Was durchgehend, wie eigentlich als Markenzeichen der Band, immer wieder beeindruckt, ist das sehr starke Zusammenspiel der beiden Gitarren, die es irgendwie auf die Kette bekommen, zeitweise als Gegenpole zu agieren und sich gleichzeitig auch wieder zu ergänzen. Unterstützen ließ sich das Quartett von Roger Wahlmann an den Tasten, Richard Wester am Saxofon und der Flöte sowie den zusätzlichen Background-Stimmen von Claudia Herzog und Harvey Ranwig. Nach den zwei eröffnenden Rockern "One Heart" sowie "Cold Light Of Day", wird "Don’t Be Afraid" von einer bärenstarken Lead-Gitarre eröffnet, die diesen etwas ruhigeren und nachdenklicheren Titel wie ein roter Faden bis zum Ende begleitet.
Ein sehr gelungener Rocker ist unter anderem auch "Black Cat Bones" mit seinem treibenden Rhythmus, der vollen Drums-/Bass-Power sowie dem sehr eingängigen Refrain. Dazu sehr effektiv unterstützt vom Piano. Sämtliche dreizehn Tracks machen dem Albumtitel (»Lass dich von den grauen Haaren nicht in die Irre führen!«) alle Ehre, da man ihnen das mittlerweile doch etwas höhere Alter der (meisten) Protagonisten wirklich nicht anhört. Da ist jede Menge Wucht drin, der Gesang kommt gut und kraftvoll. Dazu darf man an dieser Stelle auch das Kompliment aussprechen, dass das Songwriting richtig klasse ist. Einer der kraftvollsten Tracks ist ganz sicher "Look To The Future", der sich mit positiver Aggression gegen das Älterwerden und jede Form von aufgeben stellt. Super!
Vielleicht am ehesten an die Früh-Phase der Band erinnert die Nummer "Riding Round In Circles", zwar nicht nur, aber auch deshalb einer der Favoriten des Rezensenten. Nach eigener Aussage sind die neuen Songtexte sehr persönlich ausgefallen und spiegeln so einige Höhen, aber auch Tiefen der letzten fünfeinhalb Jahrzehnte wider. Nach dem coolen Hardrocker "Highway Of Fear" sind wir dann auch bereits beim letzten Track, nämlich "All That You Want" angelangt, der noch einmal mit feinen Twin-Leads in die Nummer führt. Am Ende muss man unumwunden zugeben, dass diese Platte trotz ihrer relativ langen Spielzeit von über einer Stunde niemals langweilig (oder gefühlt 'zu lang') wird. Und alleine das ist – zumindest vom Verfasser dieser Zeilen kommend – schon mal ein sehr großes Kompliment.
Epitaph haben mit ihrem zwölften Studioalbum erneut ein Rock-Album von hoher Qualität abgeliefert. Nachdem Fire From The Soul (2016) den Rezensenten seinerzeit nicht vollkommen überzeugen konnte und er "Long Ago Tomorrow" – aus eigentlich gar nicht nachvollziehbaren Gründen – verpasst hat, ist diese neue Scheibe wieder ein Volltreffer geworden. Und dass diese Band auf der Bühne nach wie vor ein echtes Highlight ist, muss erst gar nicht weiter erwähnt werden. Klare Empfehlung: "Don’t Let The Gray Fool You" kaufen und unbedingt auch die Tour-Daten im Auge behalten!
Line-up Epitaph:
Cliff Jackson (guitars, lead vocals)
Bernd Kolbe (bass, vocals)
Heinz Glass (guitars, background vocals)
Carsten Steinkämper (drums, background vocals)
With:
Richard Wester (alto saxophone, flute)
Roger Wahlmann (keyboards, piano)
Harvey Ranwig (background vocals)
Claudia Herzog (background vocals)
Tracklist "Don’t Let The Gray Hair…":
- One Heart
- Cold Light Of Day
- Don’t Be Afraid
- Don’t Let The Gray Hair Fool You
- On Your Own
- Wild Blue Yonder
- The First Day
- Black Cat Bones
- We Can Find A Way
- Look To The Future
- Riding Round In Circles
- Highway Of Fear
- All That You Want
Gesamtspielzeit: 67:53, Erscheinungsjahr: 2024
1 Kommentar
Karl
7. August 2024 um 20:53 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Habe die Band live gesehen (und gehört!) im Hoppegarden in Hamm. So geht Rock! Mehr muß man nicht sagen…