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Epitaph / History Box 1 – The Brain Years 1979-1981 – 4CD Box-Review

Epitaph - "History Box 1 - The Brain Years 1979-1981" - 4CD-Review

Über die Geschichte der ursprünglich in Dortmund gegründeten Band Epitaph wurde in RockTimes ja bereits ausführlich berichtet. Deshalb nur noch ein kurzer Rückblick: Nach der bärenstarken dritten Scheibe Outside The Law und dem darauffolgenden finanziellen Desaster sowie der (Schein-) Auflösung der Band, kamen die Musiker nach angemessener Zeit dann doch wieder zusammen und machten weiter. Was allerdings nur noch eine Zeit lang gut ging, sowohl Bernie Kolbe als auch Klaus Walz die Band aus den berühmt-berüchtigten 'unüberbrückbaren musikalischen Differenzen' verließen und Cliff Jackson am Ende alleine da stand. Der fackelte jedoch nicht lange, stellte ein neues Line-up mit Heinz Glass (guitars), Harvey Jansen (bass), Michael Karch (keyboards) sowie Fritz Randow (drums) zusammen und ergatterte schließlich einen neuen Plattenvertrag bei dem heute als Kult-Label angesehenen Brain Records.

1979 erschien dann "Return To Reality", das direkt ab dem ersten Song deutlich machte, dass sich einiges geändert hatte. Klar, keine Band will auf der Stelle stehen und ein – im Falle Epitaph – "Outside The Law 2" raushauen. So waren auf diesem neuen Werk vor allem die Keyboards der große Unterschied. Ansonsten rockte die zum Quintett expandierte Combo allerdings nach wie vor – wenn auch immer noch deutlich im Sound der Siebziger gefangen – drauf los. Klar hatte sich der Sound verändert, aber mit Rockern der Marke "Set Your Spirit Free", "Strangers", dem sehr guten Titeltrack oder "Spread Your Wings" hatte die Platte einiges zu bieten. Was den Gesamteindruck trübte und immer noch trübt, ist der furchtbar poppige Refrain von "We Can Get Together" und auch die Keyboard-Ballade "Summer Sky" kann nicht wirklich überzeugen. Insgesamt geht das Album als Gewinner mit leichten Abzügen in der B-Note durchs Ziel und speziell die gute Gitarrenarbeit von Jackson und Heinz Glass lässt immer wieder aufhorchen.

Was sich bei "Return…" bereits angedeutet hatte, ließ beim 1980 erschienenen Nachfolger "See You In Alaska" jedoch leider ganz neue und eindeutigere Blüten sprießen. Nachdem der Opener "Do You Believe In Love" noch auf der Haben-Seite zu verbuchen ist, bog die Band ab dem folgenden "Hold On" aber in eine völlig verquere Mischung aus Rock und Pop ab. Dabei sind nicht mal die Gitarren das Problem, vielmehr wurden die Drums zu einem lauen Lüftchen und der Bass fast komplett ins Nirvana gemischt. Somit fehlt fast allen Tracks der (sorry für den Ausdruck) 'Arsch in der Hose', sprich das klingt trotz guter Gitarren-Riffs und – Soli alles so luftig-locker wie ersetzbar und bedeutungslos. Man kann nur spekulieren, ob damals das Label (aber ausgerechnet Brain?) Druck gemacht, eingängigere Songs und höhere Verkaufszahlen gefordert hatte, oder ob es doch die Entscheidung der Band bzw. Cliff Jackson war, dass sich die Platte so anhört. Da kann dann auch der fett rockende und richtig gute Abschluss "Telephone Line" nichts mehr retten.

So groß die Enttäuschung nach "See You In Alaska" war, so hammermäßig knallte dann 1981 die Scheibe "Live" (übrigens in gleicher Bandbesetzung, aber ohne Keyboards wieder als Quartett) in die Wohnzimmer der Fans. Die Band ist hier so agil, so spielfreudig und geradeaus auf die Zwölf rockend unterwegs, dass der Rezensent fast das Gefühl hat, sie wollte sich den kompletten Frust der letzten Platte von der Seele spielen. Bezeichnenderweise ist hier mit Ausnahme von "On The Road" auch kein Stück der letzten beiden Studioalben vertreten, mit Ausnahme von "Goin' To Chicago" (und "Tequila Fritz" als Ersatz für den "Tequila Shuffle") allerdings auch kein älteres Stück. Folglich kann man davon ausgehen, dass hier Songs für ein neues, zumindest geplantes neues Album am Start waren. Und wenn die Produktion dafür auch noch gut ausgefallen wäre, hätte man sich darauf freuen dürfen. Aber selbst wenn es zu diesem Album nie kam, ist "Live" ein echter Kracher und nur einer der Gründe, warum Epitaph bis zum heutigen Tag live auf der Bühne eine echte Macht sind!

Der Vertrag mit Brain war ausgelaufen, ein neuer Deal mit Rockport Records jedoch bereits eingetütet. Und dann schlug die Nachricht wie ein Blitz im Fanlager ein, dass Bernie Kolbe sowie auch Klaus Walz aus den seligen Tagen der ersten drei Alben wieder zurück waren. Klar war, dass sich das wiedervereinigte Trio (plus jetzt mit 'Panza' Lehmann an den Drums) auf dem neuen Album Danger Man zwar nicht mehr wie damals anhören würde, allerdings wird auch schnell deutlich, dass die alte Power zurück war. Nicht, dass Jackson ein schlechter Sänger war und ist, aber die Musik der Band gewinnt dann doch deutlich durch die wechselnden Vocals zwischen dem guten Cliff und Bernie Kolbe. Bis auf den ehrlich gesagt nicht wirklich passenden Stadion Rock-Song "Long Live The Children" überzeugt das Album dann auch deutlich mehr, als die beiden vorangegangenen Studioplatten. Nummern wie "Small Town Girl", "Snake Charmer", "Ain’t No Liar" oder auch "The Daughter" gehen ganz klar als Gewinner durchs Ziel.

Jeder dieser enthaltenen CDs wurden – mit Ausnahme von "Live" – noch ein paar interessante und willkommene Bonus Tracks beigefügt, wobei es sich um Live-Aufnahmen von 1978 sowie 2012 handelt, ergänzt mit einer Acousic-Version von "Summer Sky" sowie der Nummer "Good Times". Ein sehr gelungenes Bonbon zur Abrundung dieser Box.

Nach "Danger Man" war dann allerdings erstmal endgültig Schicht im Epitaph-Schacht und die Band kam erst etwa 18 Jahre später in der Besetzung Cliff Jackson, Bernie Kolbe, Heinz Glass (Klaus Walz war mittlerweile fest bei Jane eingestiegen) und Achim Wielert zusammen, was in den nächsten Jahren zu weiteren Studio- und Live-Alben sowie vielen, vielen Konzerten führte. Epitaph sind bis heute aktiv und lediglich der Posten an den Drums (momentan hat Carsten Steinkämper diesen Posten inne) sowie manchmal schon, manchmal aber auch nicht unterstützende Keyboarder bilden die rotierenden Posten im Line-up. "History Box 1 – The Brain Years" ist jedenfalls ein gelungener Rückblick auf einen sicherlich sehr wichtigen, wenn auch nicht immer glücklichen Abschnitt der Band-Geschichte. Mit Ausnahme von "See You In Alaska" gehen die drei weiteren Scheiben "Return To Reality", "Live" sowie "Danger Man" (mit kleinen Abstrichen) als Sieger durchs Ziel.

Auf jeden Fall sehr viel deutsch/englische Rock-Geschichte, auf die sich ein frischer Blick durchaus lohnt.


Line-up Epitaph:

Cliff Jackson (guitars, lead vocals)
Heinz Glass (lead guitars, vocals – CD 1-3)
Klaus Walz (lead guitars – CD 4)
Michael Karch (keyboards, vocals – CD 1,2)
Harvey Jansen (bass – CD 1-3)
Bernd Kolbe (bass & background vocals – CD 4, lead vocals – CD 4 – #2-4,6-8)
Fritz Randow (drums – CD 1-3)
Norbert 'Panza' Lehmann (drums & background vocals – CD 4)

With:
Manfred Neuner (keyboards – CD 4 – #3,6)

Tracklist "History Box 1 …":

CD 1 – "Return To Reality":

  1. Set Your Spirit Free
  2. Strangers
  3. We Can Get Together
  4. Summer Sky
  5. On The Road
  6. Return To Reality
  7. Spread Your Wings
  8. Strangers (Live 1978)
  9. On The Road (Live 1978)
  10. Return To Reality (Live 1978)
  11. Summer Sky (acoustic)

CD 4 – "Danger Man":

  1. Small Town Girl
  2. Ain’t No Liar
  3. Let Me Know
  4. The Daughter
  5. Long Live The Children
  6. Heartless
  7. High Wire
  8. Snake Charmer
  9. Ain’t No Liar (Live 2012)
  10. Long Live The Children (Live 2012)
  11. Good Times

CD 2 – "See You In Alaska":

  1. Do You Believe In Love
  2. Hold On
  3. Bad Feeling
  4. Keep On Moving
  5. When I Lose Your Love
  6. Tonight
  7. Fantasy
  8. See You In Alaska
  9. Telephone Line
  10. Hold On (Live 1978)
  11. When I Lose Your Love (Live 1978)

CD 3 – "Live":

  1. Still Alive
  2. Hard Life
  3. Kamikaze
  4. Tequila Fritz
  5. Goin' To Chicago
  6. Die High
  7. On The Road
  8. What About Me
  9. Do You Feel Right

Gesamtspielzeit: 63:16 (CD 1), 51:25 (CD 2), 38:11 (CD 3), 47:58 (CD 4), Erscheinungsjahr: 2023 (1979-1982)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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