Als die deutsche Band Fee im Jahr 1981 ihr Debüt-Album Notaufnahme auf den Markt brachte, wurde sie unweigerlich – wenn auch von ihr unbeabsichtigt und von den Medien ungerechtfertigt – in die Rubrik Neue Deutsche Welle eingeordnet. Aber NDW hin oder her, das war eine richtig starke Scheibe, wie unser Udo Gröbbels ja bereits ausführlich zu berichten wusste. Die Platte war sogar so gut, dass ich mich noch heute daran erinnern kann, dass ich sie mir in den ganz frühen Achtzigern mal in meinem Lieblings-Plattenladen angehört hatte und total begeistert war. Leider war es damals allerdings noch so, dass mir schlicht und ergreifend das nötige Kleingeld fehlte, um mir dieses Schmuckstück in mein Zimmer und auf den Plattenteller platzieren zu können. Nach diesem – mit über 150.000 verkauften Exemplaren – Riesenerfolg erschienen zwar noch drei weitere Platten (von denen die ersten beiden ebenfalls noch sehr gut liefen), aber in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wurde es deutlich stiller um die Band, obwohl sie sich offiziell nie aufgelöst hat.
Über das Label Sireena Records ist nun mit "Live – 23. April 1992 Atlantis, Braunschweig" noch ein überzeugender Nachweis über die Durchschlagskraft der Band Fee auf der Bühne erschienen. Überzeugend, weil das Sextett hier sehr powervoll und spielfreudig auftritt. Jede Menge starkes Songmaterial war sowieso vorhanden, sodass die Combo aus einem großen Fundus schöpfen konnte. Welchen Stellenwert "Notaufnahme" auch für die Musiker hatte, zeigt sich wohl daran, dass die Hälfte der 16 hier gespielten Tracks von diesem Album stammt. Mit einer fetten Bratgitarre machte der Sechser direkt schon beim Opener "Overdrive" klar, wohin die Reise an diesem Abend gehen sollte. Von wegen NDW, hier findet man keine dünnen Keyboard-Sounds, keine Nicht-Sänger vor dem Mikrofon und auch keine Teenie-Hysterie.
Nee, Freunde, hier wird gerockt bis die Schwarte kracht und als Kirsche auf der Torte hat die Band sogar noch richtig gute, rotzfreche und unangepasste Texte am Start. Die atmen zwar oft sehr stark den Zeitgeist der Siebziger und frühen Achtziger, sind aber teilweise nach wie vor aktuell sowie relevant. Wenn auch nicht ganz originell (gabs das nicht schon mal bei Jefferson Airplane, Vinegar Joe und einigen anderen?), aber dennoch sehr abwechslungsreich und erfrischend kommt der Einsatz von gleich zwei Lead-Vokalisten in Person von Tom Ruhstorfer und Marlies Borcherding, die – wenn im Einsatz – allermeistens solo, also selten zusammen agieren. Und beide sind richtig gut, wie auch der Rest der Band. Die Klassiker von Fee sind sicherlich Nummern wie "Mach dich lieber anders tot", "Amerika" oder "Eines Tages auf dem elektrischen Stuhl", aber auch "Schweine im Weltraum", "Gelbe Gefahr" sowie "Doswidanja" überzeugen auf ganzer Linie.
Richtig stark kommt auch die lange zunächst vom Keyboard, dann vom Piano übernommene Einleitung zu "Mein Guru", bevor das Stück nach über sechs Minuten richtig beginnt. Feines Zeug, liebe Fee! "Nancy & Ronald (Laramie)" ist natürlich auf die Reagans gemünzt und wird mit ziemlich scharfer Zunge vorgetragen. Fast schon logisch bildet anschließend das zynische "Amerika" den Beginn des großen Finales. Als Rausschmeißer fungiert wie erwartet "Mach dich lieber anders tot", das erstmal von einer gitarristischen Solo-Einlage gestartet wird und im Anschluss auch astrein als richtig starker Punk-Song durchgeht. Genialer Abschluss eines starken Gigs.
Laut Promoter-Info fand das aktuell letzte Konzert der Band im Jahr 2004 statt. Tja, da bleibt eigentlich nur noch eines festzustellen: Falls ihr noch aktiv seid, liebe Fee, dann wirds aber wieder mal allerhöchste Zeit!
Line-up Fee:
Tom Ruhstorfer (Gesang)
Marlies Borcherding (Gesang)
Andreas Becker (Gitarre)
Lothar Brandes (Keyboards)
Gerdhard Reulecke (Bass)
Reinhard Lewitski (Schlagzeug)
Tracklist "Live – 23. April 1992 Atlantis, Braunschweig":
- Overdrive
- Schweine im Weltall
- Doswidanja
- Wahnsinn
- Ich muss hier raus
- Kauf mir lieber ne blonde Gummipuppe
- Kein Verkehr
- Gelbe Gefahr
- Mein Guru
- Du machst mich krank
- Eines Tages auf dem elektrischen Stuhl
- CIA
- 118
- Nancy & Ronald (Laramie)
- Amerika
- Mach dich lieber anders tot
Gesamtspielzeit: 74:58, Erscheinungsjahr: 2017 (1992)
Neueste Kommentare