Er kam nicht wie gewohnt im Glitzeranzug und hatte auch keinen Arbeitsoverall an. Fast unscheinbar, im langärmligen Hemd und mit einem Hut als Kopfbedeckung, betrat Flake alias Christian Lorenz am 30.06. die Bühne im ausverkauften Kulturbahnhof in Jena. Hier las er zum Abschluss der 21. Thüringer Literatur- und Autorentage aus seinem im Oktober im S. Fischer Verlag erschienenen zweiten Buch Heute hat die Welt Geburtstag.
Der Keyboarder der Band Rammstein trat zur besten TV-Sendezeit hellwach vor sein Publikum, das überwiegend aus Fans der weltweit erfolgreichen Formation bestand. Doch es gab keine Rammstein-Musik, was Flake zu entschuldigen wusste, denn er wolle ja schließlich aus seinem Buch lesen. Das tat der 51-jährige dann auch, wobei er lediglich Auszüge aus drei Kapiteln las. Den Rest der Zeit verbrachte er damit, Anekdoten aus der fast 25-jährigen Bandgeschichte in Erzählform vorzutragen. Das war derart witzig und unterhaltsam, dass die Zuhörer immer wieder lauthals lachen mussten Der Berliner gab es sich sehr authentisch und sammelte bei seinen Fans viele Sympathiepunkte.
»Er plaudert aus dem Nähkästchen. Das fand ich erstaunlich«, sagte Besucherin Ela aus Jena, die zuvor schon einmal eine Lesung mit Flake in Dresden erlebt hatte. Am Sonnabend fand sie den Musiker besonders gut aufgelegt.
In "Heute hat die Welt Geburtstag" schildert Flake den Touralltag seiner Band während eines Konzertes im Jahr 2013 in Budapest. Er beschreibt in dem Buch auch die Anfänge von Rammstein und Konzerteindrücke aus Amerika, die fast schon intim zu bezeichnen sind. Das Buch ist somit keine Rammstein-Biographie. Es schildert vielmehr Anekdoten, die die einzelnen Musiker für den Fan lebendig werden lassen.
»Die waren jünger und verrückter als wir«, nennt er den Kontakt mit der ersten Plattenfirma. Doch diese Begegnung sollte Folgen haben. Was kam, waren Vorspiele im Rahmen von Vertriebstreffen der Hamburger Plattenfirma mit gesetzten Menschen, die »freundlich desinteressiert waren«. Die Rammstein-Musiker organisierten im Rahmen dieser besonderen Konzertreihe in einer Tankstelle Benzin und zündeten ihn auf der Bühne an. Mit Folgen auch für das schockierte Publikum. »Der Funke war übergesprungen« kommentierte Flake am Sonnabend den Vorfall, den die Vertreter der Plattenfirma alles andere als lustig fanden. Die Provokation, mit der Rammstein fortan berühmt wurden, nahm zeitig ihren Anfang: »Feuer ist ein Element, das die Menschen verbindet. Ich selbst freue mich auch, wenn es warm ist«, nahm er seine Kollegen ganz in Rammstein-Art in Schutz.
Bei Konzerten erkundet Flake gern als Wanderer ihm bekannte oder unbekannte Städte zu Fuß. Um dabei unerkannt zu bleiben, schlüpft er stets in ein Rammstein-Hemd. »Damit werde ich als Fan und nicht als Bandmitglied wahrgenommen«. Klappt das nicht, zieht er ein zweites Register. Er lässt nämlich beim Spaziergang einen Hund virtuell zum Gassi-Gehen im Gebüsch verschwinden und ruft diesen dann jeweils in Landessprache zurück.
Die Bekenntnisse des Musikers Christian Lorenz beinhalten dessen Abneigung gegen den früheren Sportunterricht, seinen erfolgreichen Kampf gegen die Flugangst und die Tatsache, dass er in der Vergangenheit in einem Internet-Forum als der am wenigsten beliebte Rammstein-Musiker auserkoren wurde. Was bei ihm das Verhältnis zum Internet nicht verbessert hat. Er trägt es dennoch mit Fassung, wohlwissend, dass in der Beliebtheitsskala einer Band der Sänger klar vor den Gitarristen und dem Bassisten rangiert. Erst dann käme der Mann an den Tasteninstrumenten.
Die gut gelaunten Zuhörer in Jena erlebten eine der seltenen Lesungen des Berliners, der sich mit den Worten »Ich hoffe, es hat Spaß gemacht. Ich kenne es ja schon« verabschiedete und der kein Geheimnis daraus machte, schon in Kürze wieder einmal nach Thüringen kommen zu wollen.
Nach der knapp zweistündigen Lesung nahm sich Flake noch Zeit für eine ausgiebige Autogrammstunde und hatte dabei viele Einträge in die mitgebrachten Bücher zu schreiben.
Neueste Kommentare