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Flaming Bess / Wrinkle Of Time – CD-Review

Flaming Bess / Wrinkle Of Time - CD-Review

2005 tauchte die Sternenprinzessin Flaming Bess das erste Mal in RockTimes auf. Ich empfehle allen die diese Band noch nicht kennen, unbedingt die Artikel in unserm Archiv zu lesen, um halbwegs eine Ahnung zu bekommen, was die 'Göttin des Lichts' sowie ihr heldenhafter Gemahl Arkana im Land der Himmelsburgen und goldenen Städte so erleben. Gab es auf den vorangegangenen Alben neben Musik auch immer viele narrative Szenen die die Geschichte vortrugen, so gibt es auf "Wrinkle Of Time" zwei relativ kurze Scripta ("Praeterita I" und "II") und wer die Sache mit dem Nomen und dem Omen kennt, weiß, es liegt Vergangenheit in der Luft.

Und in der Tat kann man erst mal freudig auf die Vita der Band schauen, deren Œuvre sich nun seit 1969 um die gleichnamige Göttin dreht. Seit 1969, liebe Leute! Und dann kommt der weniger schöne Part der Geschichte, das ist die Sache mit dem Ende, das laut Walter Scotts "Woodstock; or, the Cavalier" allem innewohnt, außer der Wurst, die ja bekanntlich zwei Enden hat. Nein, die Band teilt mit, dass vorliegendes Werk das wahrscheinlich letzte sei. Die Band selbst sieht es als ihr bestes Album an und ich mag da nicht widersprechen, wobei ich seinerzeit Wächter des Lichts die Tipp-Grafik verliehen habe (wie auch "Wrinkle Of Time"). Ich werde es mir und euch jetzt aber ersparen, die beiden Platten gegeneinander auszuspielen.

"Wrinkle Of Time" ist entstanden trotz persönlicher Schicksalsschläge, einem in den Fluten versunkenen Bandstudio, Pandemie und anderen Unbilden, die uns die Weltlage fast täglich präsentiert.  Dass es das letzte Album sein soll, wäre dem Alter der Musiker geschuldet, hat mir Achim erzählt. Ich habe ihm dann von den Stones erzählt, von 1962 bis jetzt. Achim hat gelächelt (und vielleicht an die Rente ab 70 gedacht).
Ich jedenfalls kann keine negativen Alterserscheinungen feststellen, bzw. heraushören. Im Gegenteil, "Shadows Of Dawn" eröffnet die Platte mit Verve und vollem Dampf. Zu vertracktem Rhythmus schwebt der Gesang in herrlicher Akkordfolge, gespickt mit Gitarren Licks und -Soli. Sphärische Backings legen noch einen drauf. Was die Sternenprinzessin hier als Opener raushaut, würde so mancher Band als Highlight in der Diskografie gutstehen.

Ich will nicht auf jeden Song ganz tief eingehen, denn "Wrinkle Of Time" ist wieder eine dieser Scheiben, deren Stücke man wohl getrennt voneinander hören kann, aber warum sollte man so etwas tun, wenn am Stück hören viel angebrachter ist? Den Titeltrack ein Epos zu nennen, ist sicher nicht daneben. Er hat alles, was große Prog-Nummern ausmacht: Melodie, diese Stimmung, die so ziemlich alles vermittelt, was an die Seele geht, wie etwa Fernweh, Heimweh, Freude, Trauer, Traumhafte Szenerien – einfach Gänsehautmusik. Der instrumentale Part geizt nicht mit Percussion, die in Beine, Arme und Nacken geht, nicht mit irren Gitarrenpassagen und auch nicht mit ruhigen Break-Momenten. die die nächste Welle in die Ohren der Hörer leiten. Zum Beispiel in Form eines lässig rockenden Grooves, oder in Form von zurückgenommenen Prog-Passagen. Und stets thront die Stimme bei den Gesangsparts souverän über den Mustern, die die Instrumente zeichnen.

Dieser Titeltrack erzählt »zwischen den Zeilen die Bandgeschichte auf metaphorische Weise» steht im 24-seitigen Booklet, welches jedem Musiker Platz für persönliche Anmerkungen lässt, eine Diskografie mit Anmerkungen bereithält und auch eine aussagekräftige Line-up Timeline zeigt. "On The Edge" startet verträumt und lässt mich immer wieder staunen, wie diese Band es schafft, aus dem Zusammenspiel von Schlagwerk und Keys virtuelle Fantasielandschaften zu kreieren. Solche, die auch mal leicht jazzige Szenerien vorweisen, in die dann die Saiten einfallen. Bei "Distance" wird gezeigt, wie eine Nummer wachsen kann, indem zarte Klavieranschläge zu verträumten Gitarrensound führen und schließlich Drums und Bass den Weg zu proggigen Spielwiesen zeigen.

Und so geht das geballt weiter mit musikalischen Emotionen. So driftet der Hörer ab in eine harmonische und süßliche Welt ("Cold Comes The Night"), wird plötzlich von einem saustarken Gitarrensolo angenehm (fast) geweckt, darf schließlich wieder Träumen und sich in der Musk wiegen. Hammer, was die Prinzessin da zaubert. Das Tempo zieht an ("Time Flies"), aber dem Interagieren von Rhythmusabteilung, Tasten und Saiten ist trotzdem angenehm zu folgen. "Dreamfall" ist fast balladenhaft und neben den bandeigenen Stärken glänzt hier Aurora Ferrer am Mikrofon mit ihrer großartigen Stimme.

Der "Wind Of Hope" fährt zart und fast zerbrechlich durch den vokalorientierten Beginn des Stückes, bis Percussion und die gut präsenten Tasten für eine aufkommende Brise Spannung sorgen, die hochmelodisch in einen klasse Gitarrenteil bläst. Ebenfalls hochmelodisch und mit sanfter Stimme sowie klarem Klavierintro dann "Now I Regret". »You break my heart …« usw. ist ja klar. Diese Nummer hat einen leichten Touch Radiotauglichkeit der anspruchsvolleren Art. Ich denke an Elton John oder Billy Joel, denen dieses Lied auch prima ins Portfolio passen würde. Aber keine Bange, auch "Now I Regret" ist Flaming Bess.

"Universal Mind", der zweite Ü-10-Minüter lässt bereits beim Gitarrenintro keinen Zweifel aufkommen, dass ein Flaming Bess-Album im Player liegt. Angenehm vertracktes Drumming sowie Gesang kommen auf und thematisch bietet die Nummer viel Abwechslung. Es gibt saustarke Gitarrenpassagen, die Keys trumpfen auf und überhaupt ist die Choreografie so, wie sie Prog Rock alter Prägung immer gut zu Gesichte stand und die ich bei vielen neuen Bands ab und an vermisse.

Und ja, tiefer möchte ich die Seele der Songs hier nicht freilegen, denn Flaming Bess, die 'Göttin des Lichts', möchte das selbst tun. Vielleicht schafft es der Held Arkana ja, die Göttin zum Weiterregieren zu überzeugen. Falls nicht, sollen ein paar Zeilen aus "Scriptum Praeterita II" das Ende  in Worte fassen:

»Sing mir, oh Muse, das letzte Lied
Indess' die Monde sich mehren,
Und tanz einmal noch den Sternetanz,
zur Musik kristallener Spären.«

P.S. Nach Line-up und Tracklist gibt es den Titelsong auf die Ohren und in die Augen.

Eure Hoheit … gehabt euch wohl!


Line-up: Flaming Bess:

Hans Wende (Bass, Gitarre)
Hans Schweiss (Schlagzeug, Percussion)
Peter Figge (Tasteninstrumente)
Achim Wierschem (Gitarre, Programmierung)

Gäste:
Dr. Markus Wierschem (Epigraph, Narration)
Mike Hartman (Gesang # -1,3,12)
Kevin Symonds (Gesang – #5,10)
Aurora Ferrer (Gesang – #8)
Andrés Rexach. (Gitarre – #1,4)
Martin Kuna (Synthesizer Solo – #3)
Markus Roth (Piano – #3)
Peter Allion (Keyboards – #7)

Tracklist  "Wrinkle Of Time":

Shadows Of Dawn (6:58)

  1. Scriptum Praeterita I (2:28)
  2. Wrinkle Of Time (14:15)
  3. On The Edge (4:40)
  4. Distance (9:40)
  5. Cold Comes The Night (6:21)
  6. Time Flies (6:43)
  7. Dreamfall (5:57)
  8. Wind Of Hope (5:12)
  9. Now I Regret (4:20)
  10. Scriptum Praeterita II (1:46)
  11. Universal Mind (10:54)

Gesamtspielzeit: 79:19, Erscheinungsjahr: 2023

Und nun genießen:

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
Über mich
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Mail: ulli(at)rocktimes.de

1 Kommentar

  1. Achim Wierschem

    Wir freuen uns sehr das Wrinkle Of Time so gut ankommt. "We gave everything until our souls were dry".
    Danke für diese ausführliche Rezension zum Album. Rocktimes is simply the best, better than all the rest….."

    Eure Flaming Bess

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