«

»

Fools Garden / Rise And Fall – CD-Review

Fools Garden / Rise And Fall

Ach Gott, der 'Zitronenbaum'  – das war mein erster Gedanke, als "Rise And Fall" auf meinem Schreibtisch zur Rezension landete. Denn auch wenn die 1991 gegründete Band mit "Wild Days" für einen Werbespot erstmals 1994 kleine Erfolge verbuchen konnte, brachte doch erst "Lemon Tree" 1995 den ganz großen Durchbruch. Als Freudenthaler und Hinkel den Song komponierten, ahnten sie vermutlich nicht, dass dieser innerhalb kürzester Zeit 'durch die Decke' gehen würde und die Band damit sogar europaweit hohe Chartplatzierungen erreichen konnte. Radiosender und MTVIVA stürzten sich wie die Geier auf das Liedchen und Fools Garden wurden mit Auszeichnungen (sowohl Goldene als auch Platin-Schallplatten) überhäuft.

War der Song Segen und Fluch zugleich für den 'Narrengarten'? Zum Einen wurden sie sozusagen 'über Nacht' berühmt, mussten sich immer wieder an den Verkaufszahlen der Single messen lassen und auch die Fans und Radio-Konsumenten erwarteten einen zweiten 'Lemon-Song', doch der blieb aus.
Auf der anderen Seite waren sie für anspruchsvollere Musik-Liebhaber die Band mit dem Träller-Liedchen und vermeintlich nicht in der Lage, Songs mit Substanz zu komponieren.
Ob dies alles Gründe dafür waren, dass sich 2003 Freudenthaler und Hinkel von den übrigen Bandmitgliedern trennten, sei mal dahingestellt.
Mit neuen Musikern ging man jedenfalls anschließend auf Tour, unter anderem in England, Litauen, Russland, China, Singapur und konnte sich eine treue Fangemeinde erspielen.

Nun gibt es ein neues Lebenszeichen von Fools Garden. »Sehr gereift und vielseitig präsentiert sich die 1991 gegründete Pforzheimer Band auf ihrem insgesamt zehnten Studiowerk.« – so der Promoter.  Was heißt 'gereift'? Wird die Band jetzt intellektuell?
Dass es durchaus möglich ist, ambitionierte Songs mit eingängigen Melodien zu komponieren, die ohne Weiteres auch im Radio gespielt werden könnten (sofern ein Sender sich dazu aufraffen würde), wurde mir unlängst erst bewiesen.
Mit Spannung wanderte die Platte also in den Player. Der erste Höreindruck: Es gibt viel Melodie, es gibt Abwechslung, die Kompositionen sind insgesamt durchdacht, bieten hin und wieder kleine Effekt-Überraschungen, wirken jedoch ab und zu fast schon ein bisschen zu bieder für meinen Geschmack.

Ein psychedelisches Intro lässt zumindest die Hoffnung aufkeimen, hier ist nicht mehr die damalige Pop-Band am Werk, man gibt sich tatsächlich erwachsener.  So ist "I Burn" zum Anfang recht minimalistisch gehalten, mit Piano und Satzgesang und baut sich erst nach gut einer Minute auf. Man könnte dennoch meinen, der Song wäre eher für eine Boyband komponiert.
Auch das folgende "New World" erklingt nur mit Gitarre und Gesang. Hin und wieder werden ein paar Keyboardsprengsel mit eingeflochten, um dann in einen hübschen, melodischen Refrain mit Streicherklängen überzugehen.
Locker flockig kommt "Save The World Tomorrow" mit Akustik-Gitarre und Chorgesang und ich vernehme wiederum Streicher- und auch Bläser-Arrangements im Refrain. Und doch erinnert mich das Liedchen tatsächlich etwas an den 'Lemon-Song' – sehr radiotauglich.
Eine richtig feine Uptempo-Nummer ist "Boys". Ein cooles Intro mit dem Synthesizer, dann legt man ordentlich los. Wenig Effekte, der Fokus liegt auf 'Rock'. "Boomtown Baby" wird zwar mit angezogener Handbremse serviert, kann man trotzdem als Rocksong durchgehen lassen. So kann es was werden, Jungs – mehr davon!
Bei "Shame" hab ich sogar das Gefühl, die Beatles haben an der Platte mitgewirkt.

"Still Running" und "Embrace", hier vermeine ich, statt Drummer Jan Hees einen Drumcomputer rauszuhören. Das Drumming ist für meine Ohren einfach zu hart und zu steril. Hier wurde mir zu viel mit Samples gearbeitet, das hätte man sich wirklich sparen können.
Denn Fools Garden können auch anders: "All We Are" wiederum hat fast schon Roots-mäßige Züge. Und mit dem Titeltrack bieten sie dem Hörer eine wunderschöne Ballade.

Im Grunde zieht sich der sogenannte rote Faden durch das gesamte Album. Wir haben minimalistische Passagen bei den Strophen, wir haben Chorgesang im Refrain, die Stücke sind in der Mehrzahl recht entspannt, bauen sich während des Refrains zunehmend auf, man hört Streicher- und Bläser-Passagen, aber auch sehr viel Elektronik. Zurück in die 90er? Oder doch eher »klassisch-zeitlose Qualitäten in Komposition, Interpretation und Arrangement […]«, wie der Promoter meint? Das muss der Konsument für sich entscheiden.
Ich hab aber eher den Eindruck, Fools Garden sind in der Findungsphase. Man weiß noch nicht so recht, welche musikalische Richtung man zukünftig gehen soll und das birgt ganz schnell die Gefahr, sich zu verzetteln. Weniger ist manchmal mehr.
Ich für meinen Teil wünsche der Band noch mehr Mut für noch mehr Songs im Stil von "All We Are" oder auch "Boys" – Musik für Erwachsene, eben.

Anmerken möchte ich noch, dass Peter Freudenthaler eine interessante Stimme mit hohem Wiedererkennungswert hat, somit den Stücken seinen eigenen Stempel aufdrückt.

Mal abgesehen von einigen Kritikpunkten ist es alles in allem doch ein recht ordentliches, hörenswertes Album geworden und wird vermutlich von den Fools Garden-Fans mit großer Spannung erwartet.


Line-up Fools Garden:

Peter Freudenthaler (vocals)
Volker Hinkel (guitars, Moogs, piano, backing vocals)
Gabriel Holz (guitars, backing vocals)
Dirk Blümlein (bass)
Thorsten Kiefer (keyboards)
Jan Hees (drums)

Tracklist "Rise And Fall":

  1. Prelude
  2. I Burn
  3. New World
  4. Save The World Tomorrow
  5. High Again
  6. Boys
  7. Marie Marie
  8. Boomtown Baby
  9. Course Of Ages
  10. Shame
  11. Still Running
  12. All We Are
  13. Embrace
  14. Rise And Fall

Gesamtspielzeit: 56:00, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
Über mich
Meine Seite im Archiv
News
Mail: ilka(at)rocktimes.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>