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Fragile / Golden Fragments – CD-Review

Fragile / Golden Fragments

In den späten neunziger Jahren gründete sich Fragile als Yes-Tribute Band. Eigenen Angaben zufolge zollen sie Yes zwar weiterhin Tribut, aber auf ihre eigene Weise. Und, richtig, man klebt mit der Musik dieses Debüt-Albums in der Tat nicht sklavisch an der ihrer Vorbilder, sondern lässt lediglich mehr oder weniger eigene Anteile einfließen.

Wenn ich den Opener dahinfließen lasse, dann kommt mir auch nicht unbedingt und zwingend die Gruppe Yes in den Sinn, sondern ich vernehme Prog Rock jener Art, die sicher auch von Yes produziert wurde. Dieser dicke und wulstig schwellende Keyboard-Sound mag zwar anteilig in jene Richtung schwenken, doch spätestens dann, wenn Claire Hammill zum Gesang ansetzt, dann hat sich bereits eine relativ eigene Richtung angedeutet. Prog Rock und Sängerin? Nun, da lande ich spontan bei Magenta. Und bei Christina Booth. Und genau die nehme ich nun zum Vergleich, setze sie ganz gewagt als Referenz und bemerke, dass Claire Hammill nicht deren Klasse im Ausdruck erreicht. Vielmehr klingt sie in einigen Passagen eher unsicher und nicht sehr zielgerichtet, sondern mitunter gar ein wenig gehemmt im Ausdruck. Aber letztlich fügt sich das gut ein in das Gesamtbild und eine schlechte Sängerin ist sie auf keinen Fall, nur kann sie mich eben nicht so sehr überzeugen.

Ansonsten gibt es dann Grund zur Freude, wenn sich die Band eindeutig versucht, von Yes zu lösen, das sind im ersten Song auch die Passagen, wo es ganz ruhig und beschaulich wird und sich die Stimmung wieder langsam und neu aufbaut, und ab etwa 8:38 schwebt die Musik majestätisch dem Ende des Songs entgegen, und dann tauchen Fragmente von Pink Floyd auf. Gut gelungen ist auch der gemeinsame Weg von Piano und akustischer Gitarre mit einer sehr schönen und verträumten Stimmung.

Track zwei fällt auf durch ein interessantes Gitarrensolo, das ein wenig verwaschen klingt, aber durch diese spezielle weiche Art etwas Besonderes ausstrahlt. Ich bin angenehm überrascht, hier nicht unbedingt starres Kleben an den Fersen von Steve Howe zu hören. So ist es meines Erachtens durchaus bereits gelungen, einen Weg zu einem eigenen Profil zu beschreiten, wenngleich die ersten Schritte noch ein wenig schwer fallen. Ansatzweise ist es gelungen, gerade durch die vielschichtigen Kompositionen mit den verschachtelten Arrangements, ein individuelles Umfeld zu schaffen, und dadurch einen guten Unterhaltungswert zu bieten. Mir sind jedoch die Keyboards zu stark aufgetragen worden, das klingt mitunter gar recht antiquiert und ich denke, man sollte hier ein wenig zurückfahren, gerade, weil jene Passagen, die den Schwerpunkt auf Piano/E-Piano gelegt haben, viel leichtgängiger und weniger zugekleistert wirken.

Für interessant halte ich auch den vierten Song, "Heaven’s Core", er atmet eine recht sphärische Stimmung, die dezent psychedelisch angehaucht ist, hier integriert sich dann die Stimme von Claire Hammill sehr gut in das Gesamtbild des Stückes, das mich in Teilen an die abgehobene Stimmung von "I See You" von Roger McGuinn / David Crosby erinnert, und somit an diese Version der frühen Yes. Hier singt im Übrigen auch Clive Bayley, einst Sänger bei Mabel Greer’s Toyshop, einem Vorläufer von Yes. "Open Space", das Instrumentalstück, mag ein wenig an Steve Howe angelehnt sein, unterbricht den üblichen Sound der Platte allerdings ein wenig. So passt es nicht gerade in den Kontext , wirkt so ein wenig verloren und hätte besser in einen der Longtracks integriert sein sollen.

Mit dem zweiten langen Stück des Albums werden wir verabschiedet, es beginnt mit einem lyrischen Piano-Solo, ich fühle mich an Illusion / Renaissance erinnert, doch es nimmt dann rasch eine andere Richtung, verspielte Gitarrenfiguren, abwechslungsreiche rhythmische Strukturen, zum Schluss muss ich feststellen, dass "Old Worlds And Kingdoms/Too Late In The Day" irgendwie fast schon mein Lieblingstrack der Platte ist. Doch auch hier wünsche ich die nach gut zweieinhalb Minuten einsetzenden prominenten und quiekenden Keyboards weg, gottlob ist das nur eine kurze Passage. Versöhnlich setzt dann Oliver Day mit einem sehr interessanten, individuellen und sehr warm klingenden Gitarrensolo ein, die schwellenden Keyboards im Hintergrund im Verbund mit den Background Vocals sind auf diese Weise gut integriert. Auch hier ist es die dahinschwebende Stimmung nach etwa fünfeinhalb Minuten, bei der man etwas abschalten kann und die von der Band sehr gut eingeflochten wird.
Vielleicht bereits eine Art Markenzeichen? Schön wäre es, dieses ein wenig auszubauen.


Line-up Fragile:

Claire Hamill (vocals)
Oliver Day (guitars)
Russ Wilson (drums, percussion)
Max Hunt (vocals, keyboards, bass, guitar, percussion)
Clive Bayley (vocals – #4, 6)

Tracklist "Golden Fragments":

  1. When Are Wars Won?/Surely All I Need (12:17)
  2. Blessed By The Sun/Hey You And I And (6:40)
  3. Five Senses (4:34)
  4. Heaven’s Core (6:29)
  5. Open Space (2:31)
  6. Time To Dream/Now We Are Sunlight (6:29)
  7. Old Worlds And Kingdoms/Too Late In The Day (11:24)

Gesamtspielzeit: 50:40 Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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