Die aus dem italienischen Mailand stammende Band Frana redet nicht gerne über sich. Jedenfalls scheint es so, sind im weltweiten Netz doch kaum Informationen zu bekommen. Die Musiker verzichten im Line-up sogar darauf, ihre Nachnamen anzugeben und … nichtsdestotrotz rocken sie verdammt gut. Wobei wir es hier nicht mit klassischem Rock im Stil der beispielsweise siebziger Jahre zu tun haben. Vielmehr fühlt sich das Quartett im weiten Meer des Noise Rock und Post Punk sehr wohl. Bedeutet, dass die beiden Gitarren fast durchgehend am 'Schrubben' sind, dennoch aber immer wieder ein paar richtig coole Riffs einbauen. Somit wird eine spannende und oft auch angespannte Atmosphäre aufgebaut, die aber auch mal von (alb-?) traumhaften Passagen abgelöst wird. So spielt das Quartett sehr effektiv mit Stimmungen und Gefühlen, was den interessierten Hörer durchaus mitreißt.
Sänger Luca schafft es dabei sehr souverän, sich gegen die oft noisige Gitarren-Wand durchzusetzen bzw. ein gleichwertiger Teil des Gesamtsounds zu sein. Auch der Bass und die Drums machen mächtig Alarm, werden durch die gute Abmischung der Scheibe aber nie zu weit in den Vordergrund manöveriert. Bereits beim Opener "Let Me Write This Down In My Dontcarelendar" (schönes Wortspiel) ist ganz schön Feuer unter dem Dach. Im Verlauf der Scheibe scheint der Frontmann auch gerne mal entgegen der Akkorde zu singen, was jedoch natürlich nicht an etwaigem Unvermögen liegt, sondern ganz bewusst so kreiert wurde. In der Gefühlswelt der Italiener geht es offensichtlich drunter und drüber, zumindest ist so mein Gesamteindruck, was die komplette Scheibe betrifft. Viel Platz für Freude am Leben oder optimistische Zukunftsaussichten sind in den Texten (zumindest, wenn ich sie richtig verstanden habe) nicht zu finden.
Aber die Mailänder machen das richtig gut und halten den Hörer bei der Stange, selbst wenn dieser mit Noise oder Post Punk bisher nicht sehr viel am Hut hatte. Bei "Get Scurvy" wird das Tempo etwas heraus genommen, was der Nummer aber nichts von ihrer Eindringlichkeit nimmt. Hier kommen auch die Drums deutlich dominanter zum Zug und hinterlassen Eindruck. Es gibt keinen Song, der wirklich aus allen anderen heraussticht, vielmehr ist diese Platte (die mir übrigens auf wunderschönem durchsichtigem Vinyl vorliegt) als ein Großes Ganzes zu sehen, das als ein eindrucksvolles Statement zu sehen ist. Die bereits erwähnte Stilrichtung Post Punk ist hier nicht als depressives Gitarren-Geklimpere oder traumatischer Keyboard-Sound zu verstehen, vielmehr geht es sehr rockig und vom Feeling her oft gehetzt oder wie in einem Albtraum zu, in dem man sich auf der Flucht befindet. Rennen, rennen, weiter nach vorne … ohne nach links oder rechts, nach oben oder unten zu schauen, erst gar keine Zeit für solche Nebensächlichkeiten zu haben.
Das die erste Seite abschließende "Greasy Ponds" nimmt dann erstmal wieder ein bisschen die Luft raus, um dann auf der Gitarre in einen geradezu tranceähnlichen Zustand zu verfallen. Schließlich kehrt aber wieder so etwas wie Ruhe ein, bis die beunruhigend nervöse Hi-Hat von Michele den Start in einen weiteren heftigeren Part einleitet. Puh, das ist von der Intensität her durchaus anspruchsvoll – oder um dieses Wort wieder zu verwenden – mitreißend. Für die Qualität des Vierers spricht, dass dann auch die zweite Plattenseite nicht einen Deut nachlässt und das vorgelegte Niveau locker hält.
Nicht nur Liebhabern dieses Stils sei empfohlen "Disastersss" unbedingt anzuchecken, denn auch 'Quereinsteiger' könnten mit dieser Platte einen Höllenspaß haben. Sie mag zwar nicht unbedingt für ein romantisches Diner mit der/dem Liebsten geeignet sein, aber für einen intensiven Rock-Abend mit (oder ohne) Kumpels ist sie allemal allerbestens geeignet.
Line-up Frana:
Luca (guitars, vocals)
Matteo (guitars, vocals)
Francesco (bass)
Michele (drums)
Tracklist "Disastersss":
- Let Me Write This Down In My Dontcarelendar
- Daisy St. Patience
- Get Scurvy
- Efty Fringles
- Greasy Ponds
- Herpes Zoroaster
- Hesitation Junkie
- Moody Glues
- Edgar Larsenhands
- Sgt. Popper
- Loans Will Tear Us Apart
Gesamtspielzeit: 20:45 (Side 1), 20:31 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2020
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