Die 1980er Jahre huldigt Frank Schäfer in seinem Buch "Krachgeschichten" und lässt sie darin zum "Besten Jahrzehnt" auferstehen, wie eines der Kapitel verrät. Nicht die Neue Deutsche Welle oder gar Schlagerstars rufen dieses besondere Jahrzehnt bei ihm auf den Plan. Wie der programmatische Buchtitel schon vermuten lässt, geht es bei ihm schlichtweg um Heavy Metal.
Hier ist Frank Schäfer zu Hause. Hier kennt er sich aus. Der Autor und Journalist ist allerdings nicht nur stiller Beobachter der Szene; in den 1980er Jahren war er als Musiker ein aktiver Begleiter. Seiner Metal-Band Adrenalin widmet er diesmal gleich mehrere Kapitel: Angefangen von der zaghaften Nachfrage nach einem Plattenvertrag beim Berliner Label Noise Records bis zum Konzert vor einem kleinen Kreis Zuhörer in Göttingen. Für den Transport hatte ihm und der Band ein Bekannter einen Bulli zur Verfügung gestellt, mit dem Hinweis, über 80 km/h sollte dieser nicht rollen. Den kleinen Hörerkreis wussten die Protagonisten aus Braunschweig zu ignorieren, als sie ihr Set als Zugabe noch einmal spielen durften. Das brachte ihnen ein derartiges Hochgefühl ein, als hätten sie im Londoner Hammersmith Odeon vor ausverkauftem Haus gespielt. »Und als dann später auf dem Rückweg bei Tempo 120 die Schiebetür des Bullis abfiel, wurde es endgültig ein unvergesslicher Abend«, erinnert sich der Musiker und Autor an das Erlebnis. Dort, wo es sich anbietet, bedient Frank Schäfer die Klischees, die das Genre mit lautstarker Musik oft ausmacht.
Seine eigene Band und die Konzertberichte angesagter Bands liefern den Stoff der 1980er Jahre. Doch die "Krachgeschichten" beinhalten zugleich zahlreiche Ereignisse aus der Gegenwart. Eines der angesagten Erlebnisse ist seit mehreren Jahren die Full Metal Cruise. Auf die Kreuzfahrt für Metalfans mit Mallorca-Fieber stoßen wir bereits im Buch "Metal Antholögy. Ansichten und Meinungen eines Schwermetallsüchtigen" aus der Feder des Autors. Das zweite Kapitel "Calm down! Fill up! Bang on!" taucht in 'Mein Schiff 2' ein und schildert dem Leser Teile der fünften Full Metal Cruise.
Gemessen an den Kapiteln des Buches, die oft nur zwei Seiten ausmachen, ist die Schiffsreise mit sieben Seiten schon ein Schwergewicht. Eines der folgenden Kapitel heißt "Wir spielen Wacken nach". Wie der Titel verlauten lässt, war es den Wackenland-Fahrern im Pandemie-Jahr 2020 nicht möglich, angesichts der Absage trotzdem die Zelte vor Ort aufzuschlagen, da dies streng untersagt war. Wie die Stimmung angesichts einer Online-Ausgabe des Festivals in einem heimischen Garten zwischen Beamer und Leinwand verlief, lässt uns Frank Schäfer anschaulich anhand vieler Details wissen. »Und so verging der Abend wie auf einem echten Festival, nämlich wie im Flug.«
Natürlich machen seine Bücher um dieses in den Medien stark strapazierte Thema keinen Bogen. In "Talking Metal. Headbanger und Wackengänger – Die Szene packt aus!" füllt der Stoff sogar alle Kapitel. Inzwischen weiß der Autor dieses Phänomen differenzierter anzupacken. Das später folgende Kapitel "Alle hassen Wacken" ist noch keine Abrechnung mit dem Festival, lenkt aber schon den Blick darauf, dass man das Großereignis mit offiziell 75.000 Besuchern von verschiedenen Seiten sehen kann. In "Krachgeschichten" bestimmen zumeist größere Veranstaltungen das Geschehen. Bei den Bandnamen widmet sich Frank Schäfer jedoch nicht nur den Großen der Szene, sondern hat immer auch ein Händchen für weniger angesagte Namen, angefangen mit seiner eigenen Band. »Für die Szene ist Frank Schäfer ein Gewinn« heißt es in dem Review über "Talking Metal. Headbanger und Wackengänger – Die Szene packt aus!". Das ist bei "Krachgeschichten" nicht anders.
In einer beispiellosen Weise schafft er es, Fakten und Ereignisse seiner geliebten Musikrichtung punktgenau zu analysieren und zu bewerten, während im gleichen Atemzug die Dinge unterhaltsam und mit einer Portion Humor dargestellt werden, ohne dass sie ins Lächerliche abgleiten. Als Fan zeigt er sich kritisch und differenziert. Das eröffnet dem Leser nicht nur neue Horizonte, damit verschafft sich Frank Schäfer ein hohes Maß Glaubwürdigkeit. Der ehemalige Musiker, der frühzeitig mit der »ewigen Faszination verzerrter Riffs« aufgewachsen ist, schildert viele Episoden aus einer sehr persönlichen, menschlichen Seite, da viele Protagonisten zu Wort kommen. Außerdem ist die Zahl der in den Kapiteln erwähnten Bands groß. Bekannte Namen müssen natürlich für Besonderheiten herhalten. »Ich habe keine Band so oft live gesehen wie Motörhead« schreibt er in "Nicht schön, aber selten" und schildert darin den Zustand von Lemmy Kilmister beim letzten Konzert in Wacken, ehe der Sänger und Bassist im Dezember 2015 verstarb: »Er wankte mit versteinertem Gesicht ans Mikro, hielt sich am Rickenbacker fest, verschleppte seine Gesangparts und der habituell maulfaule Phil Campbell musste die meisten Ansagen machen, weil der Alte sich kaum auf den Beinen halten konnte«. Daraufhin wollte der Autor nicht mehr zusehen und verließ das Festivalgelände in Richtung Zelt. Zeilen, die exemplarisch für den Schreibstil von Frank Schäfer stehen und zeigen, wie gut er seine Beobachtungen in Worte fassen kann.
Eine Schlüsselrolle in dem Buch unter den langgedienten Bands spielen außerdem Iron Maiden und AC/DC. Den australischen Rockern widmet der Buchautor zehn kurze Kapitel unter der Überschrift "AC/DC – Unknown Classics". Darunter gibt es zehn knappe Texte mit Insiderwissen rund um die Band. "Eins für Malcom Young" ist ferner ein Gedicht, das an den 2017 verstorbenen Gitarristen und Songwriter im Rahmen eines früheren Open-Air-Konzerts im Niedersachsenstadion in Hannover erinnert. Es ist eine sehr persönliche Widmung. Daneben zu sehen ist ein Foto des Musikers. Viele andere Kapitel werden gleichfalls mit passendem Bildmaterial illustriert.
Dennoch kennt die Vorliebe für AC/DC ihre Grenzen. In "Ausgerechnet die Ohren" bekommt Brian Johnson, Sänger »mit dieser seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten an den Nerven seiner Verächter nagenden Sägezahn« sein Fett weg, als es darum geht, einen Nachfolger für ihn aufgrund einer Ohrenerkrankung zu finden. Frank Schäfer hatte mit der ehemaligen Sängerin Clare Cunningham der schwedischen Frauenband Thundermother einen eigenen Vorschlag, als erste Namen gehandelt wurden und nannte als weitere, ebenso wenig ernst gemeinte Alternative "meinetwegen auch Brians Großnichte". Als der Nachfolger mit Axel Rose feststand und die Band mit ihm auf Tour gegangen war, wollten dies immer noch viele Menschen sehen. »Nur ich nicht, denn ich habe mal wieder die Rockwelt nicht verstanden«.
Eine aufrichtige Meinung eines Heavy-Metal-Liebhabers, Autors und Ex-Musikers, der in der Lage ist, immer wieder neue Geschichten aus diesem Genre aufzustöbern. Unterhaltsam und kurzweilig erzählt er sie in 56 Kapiteln in seinem neuen Buch "Krachgeschichten".
Angaben zum Buch:
Verlag: Zweitausendeins
1. Auflage (2021)
Gebundene Ausgabe, 224 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Format:13,5 x 20,5 cm
ISBN: 978-3-96318-104-7
16,00 Euro
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