
Frank Zander bei RockTimes? Diese Frage stellte ich mir, nachdem ich das Angebot erhalten hatte, seine aktuelle Platte "Urgestein" hier zu besprechen. Nicht, dass ich etwas gegen diesen Künstler hätte. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ich schätze ihn sehr – seine Bodenständigkeit, die Vielseitigkeit als Sänger und Moderator und sein soziales Engagement als Mensch. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder das Weihnachtsessen für Obdachlose auf, das der 77-Jährige seit 25 Jahren in einem Berliner Hotel maßgeblich mit veranstaltet. Auf überzeugende Weise vermittelt er den Betroffenen seine Unterstützung.
Hinzu kommt, dass ich ihn zu unterschiedlichen Zeiten bei zwei Auftritten in meiner Heimat erleben durfte und dort seine unkomplizierte Art beim Publikum stets gut ankam. Ein authentischer Künstler zum Anfassen.
Im Archiv von RockTimes lese ich, dass Frankie, wie ihn seine Fans und Weggefährten gerne nennen, kein unbeschriebenes Blatt ist. Unter der Rubrik 'Spaßrock' gibt es dort zwei CD-Besprechungen.
Doch der Begriff Spaßrock wäre für das neue Album zu kurz gegriffen. Abgesehen davon, dass die Texte mit einigen autobiographischen Zügen sehr emotional sind, so lässt sich das komplette Werk doch eher in die Rubrik Deutschrock einordnen. Apropos Rubrik: Da ist es wieder, unser Schubladendenken, mit dem wir Künstlern gerne eine bestimmte Richtung verpassen wollen. Genau das funktioniert bei Frank Zander nicht. Blödelbarde, Gruselrocker, Reibeisen, Schlagerzar, Engel der Armen oder Kult-Sänger wurde ihm schon ins Stammbuch geschrieben. Treffend beschreibt den Ur-Berliner das Wort Urgestein.
Der gleichnamige Titelsong der CD trifft es auf den Punkt. Ein Popsong, der im Refrain zum Mitsingen einlädt. Gut vorstellbar, wie das in den Konzerten bei seinen Fans funktioniert.
Gute Laune vermittelt die Coverversion des 80er Jahre Welthits "Come On Eileen" der englischen Band Dexys Midnight Runners. Dieser Titel heißt bei Zander "Tanze Eileen".
»Ich hab noch lange nicht genug … Ich gehe noch immer über Grenzen und das jeden Tag mit Freude und Mut« singt er in "Ich hab noch lange nicht genug", das von Liebe und Menschlichkeit erzählt.
Im Reggae-Stil kommt "Alle Fünfe gerade sein" daher und steht ebenfalls für gute Stimmung.
Der Mutmacher "Kopf oben" erinnert im Stil ein wenig an die rockenden Seemänner von Santiano.
"Muss es erst so richtig wehtun" ist ein echter Zander. Es ist ein politisches Statement des Sängers, bei dem er sich musikalisch einige Typen aus unserem Alltag zur Brust nimmt. Glaubwürdig, ehrlich und auf den Punkt formuliert.
In "Wir sind noch nicht müde" zeigt der Berliner, dass Liebeslieder bei ihm ebenfalls in guten Händen sind. Ein verträumtes Stück, aber keineswegs kitschig.
"So egal" nimmt Country-Rhythmen auf und knüpft inhaltlich an "Kopf oben" an. Hier zeigt sich der Künstler, der seit 50 Jahren auf der Bühne steht, mit Lebensweisheiten und einer gesunden Portion Optimismus. Die Nummer steht für die Art, die Frank Zander so sympathisch macht.
"Ich bin der Größte (für Geld tue ich alles)" ist ein persönliches Statement mit einem Augenzwinkern. Es ist das Lied, das dem Comedy-Sänger wohl am meisten auf den Leib geschrieben ist. Zugleich gedenkt der 77-Jährige damit seinem alten Weggefährten Gunter Gabriel. Die Musik stammt von Frank Zander, den Text schrieb Gunter Gabriel.
Tanzbare Rhythmen bei den bösen "Vegan Vampiren" und das Gruselmärchen "Warte ich komme" sind weitere zeitlose Kompositionen. Der düstere Text und der Sprachgesang bei "Warte ich komme" erinnern mich zuweilen an die Zeilen bei Rammstein (Refrain: »Jetzt kommt die Sehnsucht, die Dich heute Nacht nach unten zieht! Bittersüß. Unstillbar. Die nur für mich in voller Flamme blüht. Komm, vergiss Dich, werd' unendlich«).
Schließlich entlässt uns das Urgestein mit der Botschaft "Blut und Alkohol". Es ist eine Neuauflage des Covers "Milk And Alcohol" aus der Frank Zander-Show (ARD) von 1979.
Frank Zander, der ursprünglich gelernter Grafiker und Maler ist, hatte vor 26 Jahren dem Hauptstadtclub Hertha BSC als Fußballfan die offizielle Hymne geschenkt. Bekannt geworden ist er mit Liedern wie "Oh, Susi", "Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein", "Nur nach Hause" und "Hier kommt Kurt", die ihn damals noch als Ulk-Sänger beschrieben.
Wer etwas Lockeres fürs Gefühl und für die Gute Laune in deutscher Sprache sucht, der ist bei Frank Zanders neuem Album "Urgestein" genau richtig aufgehoben. Für Fans ist die CD ohnehin ein Muss. Ein gut gestaltetes Booklet mit authentischen Fotos und allen Texten rundet die Produktion ab.
Line-up Frank Zander:
Frank Zander (Gesang)
Frank Kretschmer (Keyboard – #1, 2, 4-6, 8-12)
Simon Allert (Keyboard – #3)
Tommy Remm (Bass – #2)
René Schostak (Banjo – #2, Gitarre – #6, 8, 10-12)
Jörg Weißelberg (Gitarre – #3)
Pivo Deinert (Gitarre – #7, 9)
Chris Brush (Schlagzeug – #3)
Andreas Gundlach (Akkordeon – #7)
Christian Herzberger (Fiddle – #7)
Mathias Richter-Reichhelm (Streichinstrumente – #2)
Elena Fatunz (Backgroundgesang – #1,2, 4, 6, 8, 9,11, 12)
Anja Krabbe (Backgroundgesang – #5)
Mitch Keller (Backgroundgesang – #3)
Tracklist "Urgestein":
- Urgestein (3:44)
- Tanze Eileen (Come on Eileen) (3:45 )
- Ich hab noch lange nicht genug (4:01)
- Alle Fünfe gerade sein (2:57)
- Kopf oben (4:00)
- Muss es erst so richtig wehtun (3:45)
- Wir sind immer noch nicht müde (3:45)
- So egal (3:45)
- Ich bin der Größte (für Geld tue ich alles) (3:16)
- Annett (3:14)
- Vegan Vampire (4:41)
- Warte ich komme (4:39)
- Blut und Alkohol (Milk And Alcohol) (4:13)
Gesamtspielzeit: 49:45, Erscheinungsjahr: 2019
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