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From One Charlie – Zum Tod von Charlie Watts – Nachruf

Leah Kunkel am 26. November 2024 verstorben

Es gibt Nachrichten, die man lieber nicht hört. Wie die noch geschockte RockTimes-Redaktion soeben erfahren hat, ist am gestrigen 24.08.2021 der Schlagzeuger und das (fast) Gründungsmitglied der Rolling Stones, Charles Robert 'Charlie' Watts, im Alter von 80 Jahren verstorben. Grund zur Sorge gab es bereits kurze Zeit davor, nämlich als die Meldung die Runde machte, dass Watts aufgrund eines gesundheitlichen Eingriffs die nächste Tour der Stones nicht spielen würde. Dennoch hieß es, dass es keinen Grund zur Besorgnis gäbe und sich der Drummer bereits wieder erholen würde …

Der am 2. Juni 1941 geborene Engländer schloss sich als letzter dem Quintett (bzw. Sextett, wenn man Ian Stewart dazurechnet) an, das ab dem Jahr 1963 als Bürgerschreck eine Karriere hinlegen sollte, die sich gewaschen hat und das ab ca. 1969 bereits als 'The Greatest Rock’n’Roll Band in the world' galt. Dabei war er zunächst gar nicht so begeistert von der Idee. Brian Jones und Mick Jagger hatten ihn bereits ein paar Mal darum gebeten bei den Stones einzusteigen, was der passionierte Jazzer aber jeweils abgelehnt hatte, auch weil er neben seinem bürgerlichen noch einen gut bezahlten Zweitjob bei Alexis Korner’s Blues Incorporated hatte. Schließlich gab er dann doch nach, im Juni 1963 erschien (mit "Come On") die erste Single und am 16. April 1964 das erste Album der Rolling Stones, anschließend gab es kein Zurück mehr.

Charlie Watts gehörte neben Bill Wyman (und dem in der Bandgeschichte schon ziemlich früh von den Alphatieren Mick Jagger und Keith Richards ausgebooteten Brian Jones) immer zum stillen Teil der Band, heiratete früh (Oktober 1964) seine Shirley (mit der er bis zum Ende zusammen blieb), erledigte seinen Job in der Band, spielte in seiner Freizeit Jazz, Boogie Woogie sowie Rock’n’Roll und legte alles andere als gesteigerten Wert darauf, außer während der Konzerte im Rampenlicht zu stehen. Charlie war stets der Solide, egal ob sich Jagger und Richards mal wieder gegenseitig granatenmäßig am Hals hatten, alle anderen sich Alkohol und Drogen in rauen Mengen einpfiffen und ein Haus nach dem anderen kauften.

Es gab lediglich eine Phase in den achtziger Jahren, in der auch der gute Mr. Watts so richtig durchhing und aus welchem Grund auch immer – vollkommen untypisch – auf übermäßigen Alkohol-Konsum und harte Drogen zugriff. In diesen Zeitraum fällt auch folgende Anekdote: Die Stones waren gerade in Paris, um ein neues Album aufzunehmen. Irgendwann in den frühen Morgenstunden war Jagger gerade im Hotelzimmer von Keith, als er bei dem schon schlafenden Charlie penetrant so lange anklingelte, bis dieser ans Telefon ging. Ein (wahrscheinlich nicht ganz nüchterner) Jagger sagt: »Hey, little drummer boy … I want my little drummer boy to come see me … komm zu mir, mein kleiner Drummer-Junge …«. Charlie, wie immer ganz der Gentleman, stand auf, rasierte sich und zog seinen besten Anzug (inklusive Krawatte) an und ging zu den beiden Bandleadern aufs Zimmer. Dort verpasste er Jagger mit seinen Fäusten und ohne ein Wort zu sagen eine derartige Abreibung, dass sogar Keith Richards sprachlos und mit großen Augen zurückblieb. Mit dem Satz »Nenn mich nie wieder 'deinen little drummer boy', du bist MEIN 'little singer boy’« verließ Charlie den Raum, ging zurück zu seinem, zog sich aus und ging wieder schlafen. Da hatte sich über die Jahrzehnte wohl ein bisschen was angestaut …

Keith Richards hat über die Jahrzehnte mehrfach gesagt, dass die Rolling Stones ohne Charlie Watts zum einen niemals so lange zusammen geblieben wären und auch, dass die Band ohne einen Charlie Watts überhaupt nicht vorstellbar sei bzw. existieren kann. Die vor kurzem angekündigte Tour wird (wegen all der bereits abgeschlossenen Verträge) wohl noch stattfinden, anschließend liegt dann erstmal ein großes Fragezeichen über der Band. Meiner Meinung nach ist sie anschließend Geschichte, was ihr ganz sicher niemand übel nehmen könnte.

Nun müssen wir uns für immer von einem hervorragenden Jazzer, einem großartigen Menschen und dem Schlagzeuger der größten Rock’n’Roll-Band der Welt verabschieden. Wie hieß es so schön in dem Stones-Song "If You Can’t Rock Me": »The band’s on stage and it’s one of those nights / the drummer thinks that he is … dynamite, oh yeah …«

Rest in peace, Charlie, wir werden dich nie vergessen!


Die verwendeten Fotos wurden uns freundlicherweise von Eva Louis zur Verfügung gestellt, die auch Inhaberin der Rechte ist.

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Mail: markus(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. Manni

    Zuerstmal: Ich hoffe, das folgende kommt nicht zynisch rüber, denn so ist es nicht gemeint!

    Geschockt? Nein, warum sollte man das sein? Charlie Watts war 80 Jahre alt, in diesem Greisenalter ist der Tod nichts unerwartetes. Es stimmt traurig, das ist klar und wird das wird auch so sein, wenn weitere solcher Meldungen eintreffen.

    Unsere „Helden“ haben eben oft die Mitte 70 überschritten… man kann wohl kaum sagen, dass man nicht damit rechnet. Das gilt sogar für mich selbst, in vier Jahren steht da dann auch eine 7 vor der 0. Viele starben schon vorher (z.B. Gregg Allman und Greg Lake).

    Ich werde nie den Morgen des 8.12.1980 vergessen, als ich (mit Ulli) im VW-Bus auf Kundendienstfahrten war. Im Radio lief ein Beatles-Song nach dem nächsten und zur vollen Stunde kam dann die furchtbare Nachricht. John Lennon war gerade 40 Jahre alt, mitten Leben, im wahrsten Sinne des Wortes. Das schockte. Der Tod eines 80-jährigen kann ich als Fan nicht mit Schock in Verbindung bringen. Das ist der Familie und den Freunden des Verstorbenen vorbehalten, denn für die stellt sich das ganz anders dar.

    Ach ja, mir haben Stones am 30.9.1973 in Frankfurt deutlich besser gefallen, als 9 Jahre später in einem Stadion-Mega Event in Köln. Alleine Mick Taylor mit den Stones zu hören, war ein für mich unvergessliches Ereignis.

  2. Mario

    Bisher kein Kommentar? Sind die Stones für die Leserschaft so unbedeutend geworden? Oder sind alle, die sich sonst doch gern äußern, so geschockt? Ich war nie ein beinharter Fan der Stones, bin aber mit ihrer Musik ab Mitte der 60er Jahre groß geworden, habe einige ihrer Platten und CDs und sie und ihre Musik gehören schlicht und einfach zu meinem Leben. Manche Stücke sind für die Ewigkeit und ich werde sie weiterhin immer wieder gern hören. Und Charlie war immer dabei, bei allen Plattenaufnahmen und Konzerten, fast 60 Jahre lang. Er spielte genau, was nötig ist, schrieb Joan Jett, nicht mehr und nicht weniger…das sehe ich genauso, da war Charlie sich mit seinem Kollegen Ringo absolut einig. Er war wohl bei den Stones tatsächlich der Fels in der Brandung, dabei immer zuverlässig, und ich habe bei vielen Konzertfilmen immer gestaunt, dass ihm ein kleines Schlagzeug mit wenigen Trommeln ausreichte, um das zu spielen, was erforderlich war, nie die riesige Batterie, hinter der der Musiker kaum zu sehen ist. Und was wäre „Satisfaction“ ohne das treibende knallharte Schlagzeugspiel oder „Paint it, black“ ohne die Trommeln nach der vorsichtigen leisen Gitarren-Einleitung? Beispiele für Charlie’s Kunst gibt es insbesondere im Decca-Katalog der Stones noch etliche.

    Ich bin sehr froh und dankbar, ihn im Kolosseum in Lübeck als einer von vielleicht 100 bis 150 Zuhörern aus nächster Nähe gesehen und nach dem Konzert auf dem Parkplatz für ein paar Sekunden neben ihm gestanden zu haben. Der Eintrittspreis war an sich viel zu hoch, als er dort 2012 mit Axel Zwingenberger und zwei weiteren Musikern spielte, aber es war ein unvergeßliches Erlebnis und die einzige LP-Hülle, auf der vorn nur Charlie als einziges Mitglied der Stones zu sehen ist – Get your ya-ya‘s out – ziert seitdem sein Autogramm. Mit den Stones habe ich ihn zweimal gesehen, beim ersten Mal 1973 überzeugten sie mich überhaupt nicht, 30 Jahre später im Stadion waren sie dann ganz in Ordnung, aber mehr nicht. Mit Konzertfilmen wurden bessere Auftritte festgehalten. Die Stones ohne Charlie…schwer vorstellbar, aber ebenso ging es mir durch den Kopf, als Rick Parfitt von Status Quo starb. Leichtsinnigerweise hatte Francis Rossi dann in einem Interview gesagt, jeder sei ersetzbar, was letztlich ja irgendwie auch stimmt. Genau wie damals Quo haben die Stones Verträge für Auftritte, die sie erfüllen müssen, sonst wird es teuer. Und ob sie danach verkünden werden, das war es, bleibt abzuwarten. Charlie ist und bleibt jedenfalls ein ganz Großer.

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