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"Full Circle – Last Exit Rock’n’Roll" – Premierenbericht, 12.09.2018, Lichtburg in Essen

Full Circle – Last Exit Rock’n’Roll

'What’s Your Truth?' oder der autistische Wille, Rockmusiker zu werden

Kaum ein Lichtspielhaus eignet sich besser für die Premiere eines Rock’n’Roll-Films als die altehrwürdige Lichtburg in Essen. Knapp hundert Jahre alt, bequeme Sessel, über 1.000 Plätze, Monsterleinwand und geiler alter Charme. Draußen roter Teppich, abgesperrter Bereich, zig Schaulustige und mächtig viele lange Haare. Drinnen großes Getöse im Vorraum, viele bekannte Gesichter und die ersten geköpften Fläschchen. Ab und zu mal ein verstohlener Blick in Richtung Absperrung vor dem Sponsoren-Backdrop, um zu gucken, wer von den Mitwirkenden sich denn tatsächlich zur Welturaufführung von "Full Circle – Last Exit Rock’n’Roll" im September in die Ruhrmetropole begeben würde.

Dann endlich marschieren sie ein, Macher und Schaffer und Mitmacher. Angeführt von Andy Brings, dem uneingeschränkten Protagonisten, Ideengeber und Hans Dampf in allen Gassen – schließlich ist es ja sein Film. Und es ist sein Kreis, der sich mit diesem Film zu einem Full Circle schließt. Es kommen auch seine Gefährtin Popo Chanel (was ein geiler Name!), Mama Brings und weitere wichtige Beteiligte, wie z. B. die Schauspielerin Liz Baffoe und Doro Pesch, Deutschlands unangefochtene Metal-Queen. Fotos, Küsschen, kleine Ansprache und ab geht es in den Innenraum des wahrlich beeindruckenden Lichtspielhauses, denn wir wollen doch alle wissen, was das mit dem Kreis und der Wahrheit so auf sich hat.

Doro, Andy Brings Popp Chanel, Liz Baffoe

Doro, Andy Brings Popp Chanel, Liz Baffoe

Nach einer weiteren Begrüßung des versammelten Premierenpublikums mit einigen bewegenden Erläuterungen geht dann endlich das Licht aus und wir werden mit kurzen Sequenzen konfrontiert, die, scheinbar ohne Ordnung aneinander gereiht, eben unsere Fragen beantworten – und um es vorweg zu nehmen, das in höchst cleverer, kurzweilig unterhaltsamer und brutaler Offenheit tun!

Wie kommt der kleine Junge auf den Trichter, Rock-Musiker zu werden? Was haben Kiss damit zu tun oder Skid Row? Wie schafft man es von der harten Schulbank in Deutschlands angesagteste Thrash Metal-Band (Sodom)? Was macht das mit einem, wenn man von heute auf morgen gefeuert wird? Und wie kann man sich aus diesem Tief wieder rausziehen, frei nach dem Motto 'Aufstehen, Krone richten, weitermachen.'? Was zählt im Leben? Wie wichtig ist dein Traum und was ist dieser Traum überhaupt? Und, was nehme ich als Zuschauer davon mit?

Andy Brings, ehemaliger Gitarrist bei Sodom, jetziger Frontmann von Double Crush Syndrome, der Band, in der er immer sein wollte,  zeichnet mit seinem Team diesen großen Kreis nach und versucht, dem Zuschauer mit Bildern und Worten sein buntes Leben zu erklären. Und zu Worte kommen eben diese Wegbegleiter, Freunde, frühere Feinde und Idole. Zwischendurch gibt es tolle Bilder, manch einen Live-Mitschnitt und immer wieder unglaublich gut erdachte Kulissen für Interviews, Zwiegespräche, oder besinnliches Kontemplieren des Hauptdarstellers. Großartig auch die Einspielungen der Termine beim Psychologen, der übrigens auch die Ehre hat quasi das Schlusswort im Film zu setzen.

Es wird gerockt!

Mit Standing Ovations geht die Zeit viel zu schnell um und es wird klar, dass der Film weitaus mehr als eines der vielen Rock’n’Roll-Dokumente ist. Mehr noch, es ist ein Lehrfilm, der im Grunde in jede Schule gehört und wir wollen hoffen, dass es konkrete Pläne gibt, hier außerhalb des Kinos um Verbreitung bemüht zu sein. Wie es weitergeht, lässt Brings im großen Finale vor dem Vorhang offen. Sicher ist jedoch, dass es weitergeht. Und irgendwie muss sich manch Besucher – inklusive dieses Berichterstatters – doch auch gefragt haben, wie der passende Schlusspunkt unter so eine Veranstaltung wohl gesetzt werden könnte. Film aus, Vorhang runter, Licht an und noch einmal Danke sagen? No sir, nicht mit Brings! Der Vorhang geht nämlich wieder auf und seine Band steht da, die Klampfe wird ihm entgegen gestreckt und es wird gerockt und das Publikum strömt nach vorne und rockt mit. Und logisch, auch Doro lässt es sich nicht nehmen, ein paar der Songs zu begeistertem Applaus kernig zu unterstützen. DAS ist der passende Schlusspunkt!

Es wird angeraten, sich diesen Film, der immer noch an ausgewählten Terminen über Deutschland verteilt läuft, unbedingt anzusehen. Besser noch, zusätzlich gut Ausschau zu halten, ob es das feine Stück bald mal im Handel zu erwerben sein wird. Das müsst Ihr nämlich Euren Kindern zeigen!


Über den Autor

Jochen von Arnim

Beiträge im Archiv
Genres: Blues, Rock, Heavy Metal

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