Die Welt ist im Wandel. Chris Peters, einer meiner bevorzugten Gitarren-Männer der letzten Jahre lebt jetzt in Brasilien. Hab ich nicht gewusst und daher sind mir Hintergründe auch nicht bekannt – man bekommt aber eine Idee, wenn man die Texte liest.
Als Samsara Blues Experience die Bühne betraten, war ich ihr Fan. Vor allem Chris' geniale, leicht asiatisch orientierten Solo-Extravaganzen haben mich damals auf den Trip geschickt. Später reduzierte sich Samsaras Vierer auf ein klassischen Power-Trio, wo Chris jedoch auch schon sein einfühlsames Gespür für dezent begleitende Synthie-Töne auslebte – live gespielt auf einem genial kleinen Spielgerät.
Nebenbei betrieb er unter anderem das Solo-Projekt Surya Kris Peters, beide Konstrukte sind hier bei RockTimes gerne besprochen worden.
Nun aber legt uns der Chris ein Werk vor, wo er sich nach eigenem Empfinden neu definiert. Selbstredend sind die Ausprägungen seiner bisherigen Tätigkeiten enthalten. Die Kompositionen bewegen sich wieder in der Rockmusik – alles unter einem eleganten Mantel recht elegant progressiver Strukturen. Chris ist ein Meister der psychedelischen Gitarre, darum mag ich ihn ja auch so sehr. Aber er hat schon bei der Reduzierung auf einen flotten Dreier bei Samsara bewiesen, dass er mit den Tasten hinreißend umgehen kann und wenn man das krautig elektronische Projekt Surya Kris Peters ein wenig genauer betrachtet, dann wird man die Folgerichtigkeit der Entwicklung mit Fuzz Sagrado in 2022 verstehen können. Nimmt man die schwebenden, wunderschönen Soundscapes von Surya Kris Peters und ihre sphärische Losgelöstheit, verbindet sie mit den stets ein wenig östlich orientierten, psychedelischen Solo-Gitarren von Samsara Blues Experiment, ergänzt vielleicht noch um einen bunten Cocktail aus Leichtigkeit, Lebensfreude und Liebe in der neuen Heimat Brasilien, vermengt sie zu einem krautigen Prog Rock – na dann hat man Fuzz Sagrado erfunden. Und der Bandname bedeutet aus dem Portugisischen übersetzt 'Heiliger Flaum', was das Thema mit der Leichtigkeit noch unterstreicht. Oder auf die fuzzige Gitarre abzielt?
So oder so gesehen steht die Musik, die mir nun vorliegt, sehr wohl in einem gewachsenen Kontext in der Vita von Chris Peters.
Der in der Tat fuzzig riffige Auftakt hinein in den eröffnenden Titelsong "A New Dimension" hat etwas von einem Road Movie. Rein ins Cabrio, Anlage aufdrehen und raus in die Natur, mit dem Wind um die Nase. Geiler Groove, der hier entfacht wird. Und dann dieses genial doomige Break, wie eine Tauchfahrt im Oberlauf des Amazonas, dieser Song hat einen ganz hohen Wohlfühl-Faktor und das Meeresrauschen im Hintergrund scheint ein erstes Willkommen zu sein aus der neuen Heimat Brasilien. Neue Sounds in einem fremden Land, Chris Peters nimmt die Neuausrichtung wahrlich ernst.
Die Texte in "In Her Garden" und auch "The Mushroom Park" beweisen wohl ohne Zweifel, dass die Zuwendung zu Brasilien nicht allein dem schönen Land geschuldet ist – eine ziemlich große Liebe scheint dahinter zu stecken. Aber das klare und Mut machende Bekenntnis, Dinge hinter sich zurück zu lassen und dem inneren Licht zu folgen, wie es in "Lunik IX" voller Empathie verkündet wird, ist in gewisser Weise das Herzstück des Albums. Zeilen wie »say can’t you see how these old ways have led you astray, while it seems that you even have forgotten just how to live and you’re getting lost in this supposedly dark and cruel reality« gewinnen gerade gruselige Bestätigung. Doch wenig später heißt es »Breathe out, breathe in – when you’ve lost all your fear is when your true life shall begin.« Klingt ein wenig nach den östlichen Philosophien und stellt damit wieder auch ein wenig den Bezug zum Geist von Samsara dar. Die Musik des Songs beginnt mit einem sehr dynamischen Strom aus akustischer Gitarre und Synthesizer-Teppichen, die markante und hier maximal prägnante Stimme von Chris und die sich immer mehr einmischenden elektrischen Saiten-Akkorde legen ein prächtiges Crescendo hin und kumulieren in einem irren Freak-out voller Intensität und Psychedelik. Was für eine Gitarre! Und Chris treibt es irgendwie auf die Spitze, wenn er, was viele Musiker des psychedelischen Heavy Psych Blues gelegentlich sehr gern tun, eine Klammer setzt zu einem späteren Zeitpunkt des Albums. Dort lässt er das angerissene Gitarrensolo in "Furthur" noch weiter abspacen. Gespenstisch gut.
Das erwähnte, instrumentale "Furthur" ist zwischenzeitlich mit Synthie-Sequenzer-Sounds wie einst bei Tangerine Dream unterlegt, nur aber, um die großartige, doomige Gitarre des Meisters in bester Psych-Manier zu tragen. Ein wahnsinniges Stück bewusstseinserweiternder Klänge, fast zwölf Minuten lang, der Trip schlechthin auf dem Album.
Chris Peters spielte das Album komplett selbst ein, mixte und produzierte quasi allein. Erst vor ein paar Tagen bekannte er sich zu einem wichtigen Einfluss auf seine Musik, dem britischen Gitarristen, den viele aus seiner Zeit bei Procul Harum kennen und schätzen. Gerade die frühen Solo-Aufnahmen sind aber ebenfalls wärmstens zu empfehlen und ich kann die musikalische Beziehung zwischen Chris und Robin durchaus nachvollziehen. Auch Mr. Trower verfügte über ein sehr gefühlvolles Saitenspiel zwischen Henrdrix’scher Psychedelik und einer eigenartig melancholischen, gedehnten Melodik. Davon findet man aus meiner rein persönlichen Sicht auch bei unseren legendären Krautrockern Jane, sowohl bei Klaus Hess als auch Klaus Walz. Und auch in den Tastentönen ist ein Vergleich mit unseren Urgesteinen nicht ganz falsch, zumindest dort, wo die Keyboards einen klaren Part übernehmen wie etwa in "Baby Bee" oder auch zum Ende des Albums, wo mir in "Need For Simplicity" plötzlich die Musik von Eloy aus 1980 auf "Colours" in den Sinn kommt. Ja, gerade diese entspannt und irgendwie sehr versöhnlichen Klänge zum Ende hin haben starken Bezug zum Kraut früherer Tage.
Chris Peters kreiert mit Fuzz Sogrado einen mitreißenden Mix aus Prog, Psychedelic und Krautrock, versehen mit ein bisschen Elektronik. In seinen Texten nimmt er uns mit auf die Reise, die ihn dorthin gebracht hat, wo "A New Dimension" geboren wurde. Entstanden ist das Werk aus einer sowohl persönlich nachvollziehbaren Entwicklung als auch einem musikalisch organischen Flow, der insgesamt einen warmen und sehr fließenden Duktus trägt. Chris hat bereits angekündigt, seine Gedanken für ein zweites, vollständiges Fuzz Sagrado-Album zu ordnen. Es scheint, dass er jenseits des Ozeans und der immer mehr wankenden alten Welt so etwas wie seine neue Bestimmung gefunden hat. Es sei Dir herzlich gegönnt, Chris.
Line-up Fuzz Sagrado:
Chris Peters (vocals, all instruments)
Tracklist "A New Dimension":
- A New Dimension
- Lunik IX
- Baby Bee
- In Her Garden
- The Mushroom Park
- Furthur
- Tropical Rain
- Need For Simplicity
- Crashing Cascade
Gesamtspielzeit: 48:59, Erscheinungsjahr: 2022
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