Noisolution schreibt zur Band sowie dem Album "Vor": »[…] Gavial? Das sind Ex Tourette Boys. Und mit Vor erscheint das insgesamt vierte Album der Band erstmalig nicht im Eigenvertrieb, sondern auf einem Label – Exile On Mainstream. Neuer Name, neues Label, neues Album. Da steckt ne Menge Energie drin und gute Musik. Namedropping hat die Musik zwar nicht nötig, aber wer im thematisch sortierten Plattenregal noch Platz schaffen will, kann gerne die Fächer, in denen Screaming Trees, Flying Eyes, Black Crowes, All Them Witches oder Woodcocks stehen, etwas dichter packen, damit Gavial darin Platz finden. […] Vor ist ein weiteres Mal gekennzeichnet von der Suche nach einem zeitgenössischen Ausdruck des Blues, ohne seine Authentizität infrage zu stellen. Mit dem Blick über den Tellerrand hin zu Ambient, Soul, Gospel und Country verweben Gavial verschiedene Fäden zu einem Klangteppich, der die scharfen Klippen redundanter Kategorien wie Retro oder Stoner einfach rechts liegen lässt. […]«
Zählt man die drei Tourette Boys-Veröffentlichungen zusammen, dann ist "Vor" das vierte Album dieser Musiker.
Allerdings die erste Scheibe unter dem Namen Gavial. Der Albumtitel "Vor" ist ein gelungenes Wortspiel für den vierten Rundling.
Die melancholisch-entspannte Atmosphäre von "Circles, Part 1" ist nur eine Zielrichtung von "Vor". Sparsam in Szene gesetzt, kreiert das Quartett eine nachdenkliche Stimmung, die phasenweise sogar schwebenden Charakter hat. Perfekt! "Circles, Part 2" setzt genau da an, wo der erste Teil endete. Allerdings wird es jetzt – ohne die Melancholie außen vor zu lassen – etwas energischer, zupackender. Zunächst entsteht der Eindruck, als sei das Stück ein Instrumental. Gegen Ende bringen es die mit einem Mehr an Emotionen gesungenen Lyrics auf den Punkt. Zwei Highlights!
Mit gut über zehn Minuten Spielzeit sticht "Passing" aus der Tracklist hervor. In diverse Farbnuancen getunkt, offenbart dieses Stück eine Klangkultur, die, ohne eine Melodie vorzugeben, einem großen Gemälde mit unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten gleichkommt. Der Phantasie der Leute vor den Lautsprechern sind quasi keine Grenzen gesetzt, auch wenn diese Nummer in einem nachdenklichen Ambiente steckt. Vielleicht ist es eine Slide-Gitarre, die hier zum Klingen gebracht wird. Großes Kino!
Wenn es bei Gavial um den Blues geht, sind wir um Längen von den gewohnten Mustern dieses Genres entfernt. Die Combo interpretiert den Zwölftakter quasi als eine sehr moderne Art der Musik.
Der Gavial-Blues ist ziemlich speziell, wird herausragend zur Geltung gebracht. Psychedelische Phasen sind bei "Vor" nicht von der Hand zu weisen.
Stimmungen mäandern zwischen beänstigender Enge und einer atmosphärischen Weite, die man so oft auf einer Veröffentlichung nicht erlebt.
Mit seinen diversen – zum Teil hochkarätigen Stimmungen – ist "Vor" allerdings auch eine Herausforderung. Der erste Hördurchgang führt definitiv nicht zu einem finalen Ergebnis. Dafür sind die fast sechsundvierzig Minuten Gesamtspielzeit viel zu komplex. Zum Teil wollen die acht Lieder sozusagen erobert werden. Man muss sich in die Gavial-Musik hinein versetzen, vertiefen, aufgeschlossen gegenüber stehen. So wird die Aussagekraft der einzelnen Stücke zu einem Gesamtkunstwerk.
Gavials "Vor" ist vertontes Klagen, Nachdenklichkeit, Psychedelic, Sehnsucht und Melacholie.
Gavials "Vor" wächst mit jedem Durchgang und entfaltet schließlich Blüten, die denen auf dem Cover durchaus nahe kommen.
Das Artwork stammt von Hamid Yaraghchi.
Bleibt gesund und nehmt euch zur Ablenkung Zeit für gute Musik.
Line-up Gavial:
Paul Willy Stoyan (guitar)
Paul Kollascheck (bass)
Conrad Brod (drums)
Benjamin Butter (vocals, guitar)
Tracklist "Vor":
- Circles, Part 1
- Modern Times
- Collector
- Bridges
- Circles, Part 2
- Wheels
- Passing
- Famethrower
Gesamtspielzeit: 45:57, Erscheinungsjahr: 2023
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