Bei seinen Lieblings-Bands hatte der Rezensent immer auch ein Faible für die Musiker, die nicht ganz so sehr im Rampenlicht standen, als die vermeintlichen 'Rampensäue'. Im Falle von Black Sabbath war das der zwar wild rockende, aber sich zumeist doch im Hintergrund haltende Bassist Geezer Butler, der außerdem – zumindest in der Ozzy-Ära der Combo bis in die späten siebziger Jahre – etwa 98 Prozent aller Texte zu den Songs verfasste. Die Frage »Also ein Satanist??« wird an dieser Stelle aber wohl nicht mehr hörbar werden, denn mittlerweile sollte es sich bis in die allerletzten Hinterbänke der Rock’n’Roll-Sonderschule herumgesprochen haben, dass Black Sabbath sowie auch Ozzy Osborne (solo) mit dem Gehörnten ungefähr so viel zu tun hatten und haben, wie ein Staubsauger mit einem Butterbrot. Alles Show und außerdem für die frühen Siebziger ein spezielles Image, das nur wenige andere Bands in jenen Jahren pflegten.
Aber kommen wir zum vorliegenden Buch, der Autobiografie von Terence Michael Joseph 'Geezer' Butler, der 1949 in Nordengland in eine Arbeiterfamilie mit vielen Geschwistern und wenig Geld hineingeboren wurde. Als Kind war er sehr sensibel für Wahrnehmungen von Dingen zwischen dem Dies- und Jenseits, die eigentlich gar nicht existieren (sollten). Aber wie bei den meisten Menschen stumpft dieser Sinn von Jahr zu Jahr mehr ab, bis er bei den meisten dann gar nicht mehr existiert. Er hasste die Schule und ergatterte sich nur mühsam seinen ersten Job. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch bereits besessen von Rock’Roll sowie Blues und spielte in ersten Bands. Langsam aufwärts ging es erst in den späten Sechzigern, als er mit den weiteren Musikern Tony Iommi, Bill Ward und Ozzy Osbourne (»Der Typ rannte immer durch die Gegend und zog an einer Hundeleine eine leere Dose hinter sich her. Es war klar, dass er nicht mehr alle Latten am Zaun hatte!«) zusammen kam. Zunächst als Sextett mit einem zusätzlichen Slide-Gitarristen sowie einem Saxofonisten, schrumpfte sich die Combo jedoch schon früh zu dem allseits bekannten Quartett gesund.
Nach ersten Gehversuchen unter den Namen Polka Tulk Blues sowie Earth wurde das Quartett schließlich auf Black Sabbath umgetauft und ein erstes Album aufgenommen. Der Rest ist Geschichte. Seine eigene Story erzählt Butler in diesem Buch sehr kurzweilig, wenn auch unaufgeregt und mit heute klarem Blick auf seine Vergangenheit. Vor allem wäscht der gute Geezer keine schmutzige Wäsche, was mit Sicherheit ein Leichtes gewesen wäre. Selbstverständlich geht er immer wieder mal auf die von allen konsumierten 'Helferlein' ein, hält dies jedoch zumeist im Kollektiv und spart sich selbst nicht dabei aus. Ronnie James Dio bekommt an ein paar Stellen schon mal eine Breitseite verpasst, dennoch kamen die beiden bis zu Dios Tod immer bzw. meistens (wenn die jeweilige Tour nicht ZU lange dauerte) gut aus. Interessant auch, was Butler über seine Jahre ohne Sabbath und auch seine drei Soloalben schreibt.
Geschrieben und lektoriert ist das Buch insgesamt sauber, allerdings wird es an ein paar Stellen so richtig peinlich, etwa wenn aus The Kinks gleich ein paar Mal The Kings oder der gute Ronnie James Dio auch mal zu einem Ronny wird. Ansonsten jedoch okay.
Wie bereits erwähnt, sind die knapp dreihundert Seiten sehr flüssig und interessant zu lesen, Geezer spart nicht mit Ankdoten. Das sind zwar durch die Bank keine 'Schenkelklopfer' oder Erzeuger von Lachtränen, dennoch kommt der geneigte Leser nicht drum herum, hier und da mal herzhaft zu schmunzeln. Insgesamt also eine sehr schöne Angelegenheit und auch Empfehlung, selbst wenn der Rezensent sich an so einigen Stellen gewünscht hätte, dass die jeweiligen Stories (wie beispielsweise die Aufnahmen zu den jeweiligen Alben) etwas mehr in die Tiefe gegangen wären. Dennoch alle Daumen nach oben!
Herausgeber: Hannibal Verlag, 1. Edition
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 288 Seiten
ISBN-10: 3854457685
ISBN-13: 978-3854457688
Originaltitel: Into The Void
Abmessungen: 17 x 26.5 x 1.9 cm
Preis: 30,00 Euro
3 Kommentare
Manni
22. Dezember 2023 um 13:13 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
…allerdings wird es an ein paar Stellen so richtig peinlich, etwa wenn aus The Kinks gleich ein paar Mal The Kings oder der gute Ronnie James Dio auch mal zu einem Ronny wird.
Das scheint ein Versagen des deutschen Korrektorats zu sein. In einer Review dieses Buchs bei amazon.co.uk schreibt ein Kunde aus Deutschland: … Für die vielen Schreibfehler in der deutschen Version kann er allerdings nichts.
Ich kann mir beim besten Willen auch nicht vorstellen, dass Geezer nicht die richtige Schreibweise von The Kinks oder des Vornamens seines ehemaligen Bandkumpels Dio kennen würde.
Markus Kerren
22. Dezember 2023 um 21:17 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Manni,
ja klar, keine Frage, dass 'The Kings' und 'Ronny James Dio' nicht dem guten Geezer, sondern ganz anderen Beteiligten anzukreiden sind. Ich habe immer so dieses Bild vor mir, dass da jemand mit Kopfhörer sitzt und die auf Band gesprochenen Passagen dann abtippt. Im blödesten Fall, ohne einen Funken Ahnung von Rock-Musik zu haben. In einem solchen Fall können dann aus The Kinks ganz schnell mal The Kings werden. Was mich immer ärgert, ist, dass dann wohl auch im Lektorat jemand (oder mehrere) sitzt, der/die ebenfalls offensichtlich noch nie von (beispielsweise) den Kinks gehört zu haben scheint. Ein Buch über elementare Rockmusik-Geschichte, das für die deutsche Übersetzung von Ahnungslosen bearbeitet wird. Schlimm…
Aber okay, wir wollen friedlich sein. Ich wünsche dir auf diesem Weg wunderschöne Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr, Manni!
Beste Grüße,
Markus
Manni
23. Dezember 2023 um 17:05 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Das kommt in deutschsprachigen Büchern leider ziemlich oft vor. Ich hab hier einen recht neuen, dicken Schmöker (Volker Eichener "They Rocked The City" (über 700 Seiten), das die Musik in Gesellschaftssoziologie einordnen will, und vieles ist auch interessant, aber wenn sich dann einfach zu viele inhaltliche Fehler zeigen, wertet es sich selbst ab. Dazu nur zwei Beispiele (es gibt viele mehr):
Eichener schreibt Led Zeppelins "American Woman" beginnt wie… (S. 50) oder auch 1970 löste Jaggers Wiedergabe von "Under My Thumb" während eines Konzerts einen Ritalmord der Hells Angels aus (S. 93)
"American Woman" stammt bekanntermaßen von Guess Who. Im zweiten Beispiel sind gleich zwei Fehler in einem Satz… Der Mord geschah während "Symphathy For The Devil" und es war nicht 1970, sondern im Dezember 1969 auf der Altamont Speedway.
Es ist fast tragisch, wenn in einem Verlag sowohl Lektorat als auch Korrektorat nicht den erforderlichen Durchblick haben. Sowas darf einfach nicht passieren.
Interessanter Schmöker aus 1985 mit voll funktionsfähigen Verlagsabteilungen:
Fritz Rau – Buchhalter der Träume (Kathrin Brigl & Siegfried Schmidt-Joos) ISBN: 3-88679-136-X
Ich lese Rockbiographien lieber in englischer Sprache (und viele Bücher sind auch nicht in anderen Sprachen verfügbar). Meine Empfehlungen:
The Beatles – The Love You Make (vom 5. Beatle Pete Brown) ISBN: 0-451-12797-8
Hammer Of The Gods – The Led Zeppelin Saga (Stephen Davis) ISBN: 1-57297-306-4
One Way Out – The Inside Story Of The Allman Brothers Band (Alan Paul) ISBN: 978-1-250-04050-3
Neil Youngs Autobiographie "Waging Heavy Peace" ISBN: 978-0-241-97195-6
und ganz besonders:
Al Koopers Autobiographie "Backstage Passes & Backstabbing Bastards, Memoirs Of A Rock 'N Roll Survivor" ISBN: 0-8230-8257-1
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Markus, ich wünsche dir und allen Rocktimern schöne Feiertage und ein tolles 2024.