Einigen fachkundigen Musikinteressierten dürfte bekannt sein, dass der Keyboarder Geoff Proudley eines der Gründungsmitglieder der Prog Rock-Band Coltsfoot war. Der englische Musiker komponiert darüber hinaus für das Radio und das Fernsehen.
Am Piano klassisch geschult, sollen seine Einflüsse auch von Musikern/Bands wie Colin Towns, Peter-John Vettese, Mike Ratledge, Tony Banks, Francis Monkman, Camel, Steve Hackett und Muse stammen. Mit "Tales From Strange Travels" legt er ein Instrumentalalbum vor, das er ansatzweise auch als Konzeptalbum betrachtet, es soll sich um die Beschreibung einer Reise handeln, offensichtlich seltsame Reisen, angesichts des Plattentitels. Wie der Protagonist zur Aussage selbst beschreibt: »A fantastic journey but I like to leave it to the listener to paint their own pictures of what’s happening. Different people will interpret it in different ways and that’s great.«
Gut, dementsprechend begebe ich mich nun auf meine persönliche und individuelle Reise und bin gespannt, wohin sie mich führen wird. Nach wuchtig wirkender Synthie-Einleitung wird es später ganz zart, indem ein leise schwebender Synthie-Sound das verhallte Piano umhüllt, diese Reisebeschreibung führt mich gar ein wenig hinweg von der realen Welt der Erde… Ich verspüre ein wenig den Hauch von Emerson, Lake & Palmer, eine Nuance Kraftwerk, und ein wenig von Cybotron, jener australischen Band, die 1979 mit "Implosion" ein interessantes Album veröffentlichte.
Beim zweiten Track erwarten mich verspielte Passagen, rhythmische Wechsel mit typischen Prog Rock-Elementen, die quietschenden Synthie-Sounds wirken teils angenehm antiquiert und so manches Mal wünschte ich mir allerdings den Einsatz einer echten E-Gitarre. Wobei offensichtlich wohl auch Samples hiervon eingesetzt wurden.
Die rein instrumentale Ausrichtung erfordert Abwechslung und Unterscheidungsmerkmale, um nicht den Anschein aufkommen zu lassen, dass jeder Song wie der andere klingt. Das gelingt Proudley dadurch, dass die Anfangssequenzen der einzelnen Titel – hinsichtlich der Melodien – recht unterschiedliche Ansätze haben, was sich mitunter auch als Thema wiederfindet oder durch die entsprechende Instrumentierung.
"One Way In – But No Way Out", irgendwie fällt mir hierzu "In The Air Tonight" (Phil Collins) ein, das ist wohl das Trommeln, darüber legen sich sphärische, wohl gesampelte Gesangsschwaden. Ein Donnerschlag setzt einen Basslauf frei. Man merkt also, es geschieht ständig etwas, Passagen, die sich gerade eingespielt haben, werden oft rasch wieder unterbrochen, so dass fast jedes Lied schon das Gefühl vermittelt, es handele sich um eine Mini-Suite mit mehreren Teilen.
Und so kann ich weiter assoziieren, mal denke ich auch an Tangerine Dream, dann wieder an Jean-Michel Jarre. Mittlerweile bin ich beim Titelsong angekommen und lande beim Alan Parsons Project. In dieser Richtung klingt der Song bisweilen, letztlich vermag es Proudley jedoch immer, seinen eigenen Sound zu entwickeln. Viele an- und abschwellende Stimmungen, dicke Keyboardschwaden, aber auch zupackende rockige Nummern wie "There’s Many A Slip 'Twixt Cup And Lip", das gar in Richtung Jazz Rock strahlt, ich denke hier an die Musik eines Chick Corea aus den Siebzigern.
Die künstlichen Drums klingen nicht immer künstlich und dienen nicht nur als reine Rhythmusgeber, ein wenig Leben hat der Protagonist ihnen doch meistens eingehaucht. Mithin ist ein recht interessantes Album gelungen, bei dem der Ruf nach Gesang nicht zwangsläufig stark wird, denn es funktioniert auch so durch einen guten Unterhaltungswert.
Meine Reise mit vielen individuellen Eindrücken ist somit auch zu einem zufriedenstellenden Abschluss gekommen.
Lineup Geoff Proudley:
Geoff Proudley (concept, composition, piano & keyboards, samples)
Tracklist "Tales From Strange Travels":
- Opening Moves (5:46)
- Return To Skara Brae (3:47)
- The Grand Entrance (5:23)
- Brittle Star (2:23)
- One Way In But No Way Out (10:59)
- Until The Darkness Leaves You (5:21)
- Open Hand (Danza Della Vita) (4:43)
- Do You Dream Like This? (5:18)
- Fuse (4:35)
- Tales From Strange Travels (3:32)
- There’s Many A Slip 'Twixt Cup And Lip (3:33)
- Overclocking (5:20)
Gesamtspielzeit: 60:41, Erscheinungsjahr: 2021
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