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George Leitenberger / Roadmovies – CD-Review

George Leitenberger / Roadmovies

Wer sich auf die Musik von George Leitenberger einlässt, der begibt sich auf eine Reise, die ihn abwechselnd in die Ferne und zurück ins eigene Bewusstsein führt. Das gilt "Von Anfang an". So lautet zugleich der erste Titel auf seinem neuen Album "Roadmovies". Ein gelungener Albumtitel für einen tiefgründigen Liedermacher und ausgewiesenen Kosmopolit. Der Opener stammt wie das Lied "Kerl wie ’n Baum" aus der Feder von Henry-Martin Klemt. Das wiederum ist eine Premiere für den Wahl-Schweizer Leitenberger, der auf seinen bisherigen Alben ausschließlich eigene Stücke vertont hat.

Wunderbar, möchte man schon nach dem Auftakt rufen, denn für die Art, solch ruhige und feinfühlige Musik zu machen, kann man sich keine Steigerung vorstellen. Genau das trifft auf "Von Anfang an" zu. »Las diesen Text, den Henry-Martin Klemt 2016 zu Leonard Cohens Tod schrieb, zufällig in einer schlaflosen Nacht auf dem Web und war sofort hellwach«, erinnert sich Georg Leitenberger. »Ein Text wie ein film noir – poetischer kann man Songs kaum schreiben. Mir war sofort klar: Das wird das perfekte Anfangsstück für meine nächste Platte! Klemts Bildsprache kommt einer poetischen Befreiung gleich. Sätze wie 'Der Refrain des Lebens sind drei Hände voller Sand ' oder 'Wie ein Kerl durch Nächte wie durch Trommelwirbel rennt' sind aus meiner Sicht mindestens auf Augenhöhe mit Cohen – das musste ich vertonen!«

Chapeau, möchte man hier spontan einwerfen und die Frage anschließen: Warum die eigene Bescheidenheit? Genau diese Formulierung ist zutreffend für die verbleibenden acht Stücke. Diesen Eindruck vermittelt George Leitenberger und knüpft nahtlos an sein Album Blackbox (2021) an. Der zweite Text, der von Henry-Martin Klemt stammt und auf "Roadmovies" vertont wurde, ist die 1998 entstandene Hommage "Kerl wie ’n Baum" für seinen Freund Gerhard Gundermann. Der deutsche Liedermacher und Rockmusiker, der im Lausitzer Braunkohlerevier als Baggerfahrer tätig war, starb 1998 im Alter von nur 43 Jahren. Aufgrund seiner Rolle als Sprachrohr der Menschen hat er bis heute den Status einer Legende.
Zu "Kerl wie ’n Baum" schreibt Leitenberger: »Klemts Texte tragen ihre eigene Melodoie in sich und sind dabei offen für andere.« Von Klemt zurück zu den weiteren Interpretationen des Albums: Die Songs handeln von Unterwegssein, Bewegung, Stillstand, Perspektivwechsel, Monotonie und Abenteuer. Die folkloristisch dezent angehauchten Musikstücke verleihen den Werken eine Leichtigkeit, die gut zur ruhigen Grundstimmung der Produktion passen. Apropos Produktion: Diese ausgewogene Arbeit lag in den Händen von Andreas Albrecht.

Seine musikalischen Ausflüge führen den Singer/Songwriter nach Lissabon, in die Sahara, nach Tunis, die Sierra Madre oder nach Assuan. Was wiederum zu der Frage führen könnte: Wo bitteschön ist dieser Mann tatsächlich zu Hause? Dass ihn die Musik tief in seine Seele führt, das spürt man. Erstaunlich hierbei ist, dass der Künstler den Hörer auf diese intime Reise mitnimmt. Dabei wird deutlich: Es scheint keine Geheimnisse zu geben, vor denen sich George Leitenberger scheut. Sein Album "Roadmovies" ist alles andere als Kost für das flüchtige Hören. Seine Fans wissen das ohnehin zu schätzen. Diese Musik ist Balsam für die Seele. So wirkt sie und sie tut gut. Sie stellt einen Ruhepol in hektischen und schwierigen Zeiten dar. Es ist der Gegensatz zu dem, was wir an anderen Stellen in einer Musik härter Gangart hören oder sogar bevorzugen. Beides zusammen schließt sich keineswegs aus. Es gibt keinen Widerspruch. Es kann eine Symbiose sein.

Danke, Georg Leitenberger, für dieses feinfühlige Hörerlebnis. Wir hören vertonte Poesie, wie man sie suchen muss!


Line-up George Leitenberger:

George Leitenberger (Vocals, Akustikgitarre, E-Gitarre, Banjo, Guitalele, Harp)
With
Nadine Allal (Backing Vocals)
Chris Boddington (Akkordeon)
Steffen Dix (Trompete)
Klaus Eichberger (Klavier, Akkordeon, Orgel)
Tobias Fleischer (E-Bass, Fretless, Kontrabass)
Roddy McKinnon (Gibson ES-125 (Hollowbody-E-Gitarre)
Emanuel Wieck (Viola)

Tracklist "Roadmovies":

  1. Von Anfang an
  2. Boulevard Du Grand Maghreb Arabe
  3. Kurz oder lang
  4. Buschtaxi
  5. Kerl wie’n Baum
  6. Tiny Shitty People
  7. El Chepe
  8. In der Nacht
  9. Debbie & A Million Ghosts
  10. Glück & Mut

Gesamtspielzeit: 50:44, Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

3 Kommentare

  1. Mario Keim

    Guten Tag, George Leitenberger.
    Ich erlaube mir, etwas auszuholen. Zuerst vielen Dank für die ehrenvollen Worte, die einem Ritterschlag gleichkommen und mich sehr freuen.
    Was ist passiert, dass ein überzeugter Metal-Fan zum zweiten Mal ein Album von George Leitenberger bespricht und dafür persönliche Dankesworte vom Musiker erhält?
    Vielleicht sollte man wissen, dass ich ein sensibler Mensch bin, mein früh verstorbener Vater Musiklehrer war und Toleranz immer auf der Agenda stand. Den Blick übern Tellerrand eingeschlossen. Dass ich großer Verehrer von Gerhard Gundermann war, bringt mich noch ein Stück näher an die Lösung!
    Ich mag auch Literatur beziehungsweise Lesen. Ich wohne in einem Ort mit einer "Kunst- und Literaturburg" (Ranis, Thüringen).
    Doch alles zählt nichts gegen die gut gemachte musikalische Literatur des Liedermachers Georg Leitenberger, der Augen und Ohren für seine Hörer offen hält und meine Seele berührt.
    Gerne würde ich den Musiker persönlich kennenlernen. „Gerne“ sage ich auch zu einer weiteren Besprechung.
    Mit freundlichen Grüßen
    Alles Gute
    Mario Keim

    1. George Leitenberger

      Lieber Mario, vielen Dank für Ihre Zeilen. Ich hatte die Redaktion gebeten, Ihnen eine Mail weiterzuleiten…vielleicht ging sie in den Untiefen des Internets verschollen.

      Für heute grüsse ich herzlich aus Genève

      George Leitenberger

      P.S. Wir sind am 14.April in Brandenburg im Fontane-Klub und am 15.04. in Berlin im Zimmer 16 zu Gast.

  2. George Leitenberger

    Herzlichen Dank Ihnen, Mario Keim, für diese feinfühlige Besprechung. Ich freue mich über offene Ohren und grüsse einen freien Geist, wie man ihn selten findet.

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