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George Lynch / Seamless – CD-Review

George Lynch / Seamless

Fast 68 Jahre musste George Lynch alt werden, um nach über 40 Jahren als professioneller Musiker und Songwriter endlich sein erstes Instrumentalalbum zu veröffentlichen. Dabei hatte er das ursprünglich gar nicht vor, denn das jetzt unter dem Titel "Seamless" erschienene, fast eine Stunde lange Werk sollte eigentlich eine ’normale' Platte mit Gesang werden, nämlich die nächste Lynch Mob-Platte. Daraus wurde jedoch nichts, weil alle vier (!) mit dem Material bemusterten Sänger (Robert Mason, Oni Logan, Andrew Freeman und Joe Retta) in den Songs nicht genügend Platz für coole Gesangslinien fanden und dem Gitarristen rieten, sie einfach in ihrer bestehenden Form zu belassen – also instrumental. Lynch zweifelte jedoch zunächst, dass dies eine gute Idee sei, weil die Intention und folglich auch die Herangehensweise eine völlig andere war. Am Ende musste der selbstkritische Musiker von seinem Label überzeugt werden!

Und das ist das Besondere an "Seamless" (das so heißt, weil die zwölf Stücke praktisch nahtlos ineinander übergehen), vielleicht sogar ein Alleinstellungsmerkmal: Es handelt sich um ein Instrumentalalbum, das ein Vocal-Album werden sollte. Der Gitarrist selbst sagt, dass er unbewusst komponiert, indem er einfach seiner Inspiration folgt und dabei stets im Hinterkopf hat, dass der Komposition noch Gesang hinzugefügt wird, einfach weil er es nicht anders kennt, als mit Sängern zusammenzuarbeiten. So war es auch diesmal, und letztlich können wir uns glücklich schätzen, dass das in diesem Fall aus welchem Grund auch immer schiefging!
Allerdings ist das Ergebnis wider Erwarten deutlich näher an KXM als an Lynch Mob. Natürlich fehlen Doug Pinnicks charakteristische Vocals, und Jimmy D’Anda pflegt einen straighteren Drumstil als der gern hibbelig wirbelnde Ray Luzier (Korn). Dennoch sind die Riffs und vor allem der Groove unüberhörbar sehr ähnlich. It’s just the same vibe!
Was mir besonders imponiert: Lynch versteht es, seine Musik so mitreißend darzubieten, dass mir selbst schrammelige Parts nach ein paar Cardio-Einheiten runtergehen wie Öl!

Bei "Sharks With Laser Beams" (Killer!) und "Death By A Thousand Licks" – tatsächlich das einzige Stück, das von Anfang an als Instrumental gedacht war – steht die überragende, aber nicht übertriebene Soloarbeit im Vordergrund, doch ansonsten wird der Hörer von spannenden Songs verwöhnt, die immer neue Wendungen bereithalten und auch nach exzessivem Genuss noch überraschen können.
So wurden beispielsweise in das sechseinhalbminütige "Octavia" neben einer dezent eingesetzten Akustikgitarre auch jazzige Teile integriert. Großartig! Lynch gelingt es durchweg in überzeugender Manier, seine Gitarre die Rolle des Gesangs übernehmen zu lassen.

»Herausfordernd, aber nicht anstrengend« sollte "Seamless" werden. Diesen hohen Anspruch an sich und seine Arbeit hat George Lynch auf ganzer Linie erfüllt!
Anmerkung: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung erschien "Seamless" nicht nur als CD, sondern auch als Vinyl und MC.


Line-up George Lynch:

George Lynch (guitars)
Eric Loiselle (bass)
Jimmy D´Anda (drums)

Tracklist "Seamless":

  1. Quiver (4:42)
  2. Cola (3:31)
  3. TJ69 (4:14)
  4. Death By A Thousand Licks (2:48)
  5. Ithink (7:01)
  6. Sharks With Laser Beams (4:32)
  7. Octavia (6:30)
  8. Supersonic Hypnotic Groove Thing (5:04)
  9. Falling Apart (5:31)
  10. Blue Light Effect (4:23)
  11. House Of Eternal Return (5:46)
  12. The Weight (5:23)

Gesamtspielzeit 59:25, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Michael Schübeler

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