Wer George Thorogood auf der Bühne hat, braucht sich um seine Energieversorgung keine Gedanken machen, George und seine Destroyers sind ein klassisches Elektrizitätswerk, die erzeugen eine Energie, wie sie sonst nur aus der Steckdose kommt. 'Destroyed' wird hier vor allem schlechte Laune, die wird in einem Thorogood-Konzert in Grund und Boden gestampft. Dieser Musik kann man sich nur schwerlich entziehen, wer seine Rhythmus-Gene überprüfen möchte, wird hier ein kraftvolles Betätigungsfeld vorfinden.
Das mit der guten Laune gilt bei George und seinen Konzerten eigentlich immer. So war es bei der unvergleichlichen Wiedergeburt des Rockpalast Loreley-Events 1996, als ganz kurzfristig der Headliner Gary Moore absprang, weil der, damaligen Berichterstattern zufolge, nicht nach Paul Rogers auftreten wollte und George kurzerhand in die Rolle des Haupt-Acts einspringen musste. Es war ihm keine Last und seine Combo zelebrierte einen Set zum Niederknien.
Und so war es eben auch 1980, als die vier dynamischen Herren ganz kurzfristig und aus einer amerikanischen Tour herausgerissen mal eben aus den Staaten rüber jetteten und die Dortmunder Westfalenhalle in eine brodelnde Rock’n’Roll-Hall Of Fame verwandelten. »Here Tonight World’s Original Five Man Trio«, stand handgeschrieben auf einem Schild vor dem Schlagzeug der im übrigen nicht drei, nicht fünf, sondern vier Musiker. Klingt fast ein bisschen nach Helge Schneiders Wild-West-Sonderkonzert-Band Die Drei Lustigen Zwei. Schräger Humor, der perfekt in die lässig, wild und zynisch, augenzwinkernde Performance des Herrn Thorogood hinein passte, zwei Jahre, bevor er sein legendäres "Bad To The Bone" in gleichem Geist zum Besten gab.
»The Satan Of Slide«, wie ihn Fachpresse und Fangemeinschaft im Anbetracht seiner elektrisierenden, Bottleneck bewaffneten Saitenbearbeitungen oft und gerne nennen, zerlegte die Zurückhaltungen des freudig, aber zunächst fast noch ein wenig schüchtern gestimmten Publikums an jenem Abend 1980 genüsslich in seine Bestandteile. Purer Rock’n’Roll, Rhythm & Blues und harter Bluesrock, zündend entfacht zwischen einer schrill entflammenden Gitarre und leidenschaftlichem Solo-Saxofon, getragen von einer allzeit vorwärts orientierten Maschinerie groovender und treibender Rhythmen.
Der weitaus größte Teil der dargebotenen Songs stammte an diesem Abend übrigens mehrheitlich aus sehr berühmten Federn. Elmore James, sicher ein besonderes Vorbild des Slide-Meisters, Chuck Berry, Willie Dixon oder John Lee Hooker waren die Ruhm bestückten Taktgeber der Destroyers und George führte ihre Werke mit unglaublicher Hingabe und verrückter Leidenschaft zu völlig neuen Höhen. Und er hatte sichtlich eine Menge Spaß dabei. Den hab ich beim Zuhören auch, manchmal erinnert mich die Atmosphäre sogar ein wenig an den unvergleichlichen Film "Blues Brothers" und seine fröhlich, anarchische Stimmung. Da hätte George sicher auch eine gute Figur gemacht.
Vor allem aber spielt George mit den Menschen. Die sind anfangs sehr zurückhaltend und so animiert er die mutigeren unter den Anwesenden, doch endlich den freien Raum vor der Bühne zu nutzen und zu tanzen. Das funktioniert sehr schnell, weil halt der berühmte Funke sogleich überspringt und am Ende, bei der Zugabe, stürmen die Enthusiasten sogar die Bühne und verwandeln die letzte Nummer in ein heilloses Durcheinander – auch wenn das in dieser Form nun doch nicht geplant war. Für die Kameraleute und womöglich auch den Regisseur ein schweißtreibendes und Atemnot erzeugendes Chaos-Erlebnis, für die Beteiligten jedoch ein abgefahrenes Happening. Vor allem aber ein herrlich echtes und ehrliches Abbild von hemmungsloser Begeisterung um mitreißend antörnende Musik. Ein Beispiel, wie Rock’n’Roll die Leute positiv verrückt machen kann. Selbst vor dem Bildschirm möchte man mitmachen, mag man dabei sein.
George Thorogood liefert Power und Energie von der ersten Sekunde an im roten Bereich. Besonders gut kommt das seinem Ruf entsprechend bei den Slide-Nummern rüber, wie etwa dem Elmore James-Song "Madison Blues", aber eben auch in den besonders dampfigen R&R-Songs, wenn die Band sich scheinbar selbst überholen mag. Die Reaktionen im Publikum unterstützen diesen Eindruck nachhaltig und eindrucksvoll, was dem Ganzen einen besonderen, sehr aufrichtigen Touch verleiht. So abgehen hat man die Rockpalast-Gemeinde selten gesehen, 1980 ging es noch sehr gesittet zu auf den Bildschirmen der Öffentlich-Rechtlichen.
Bevor mich jemand danach fragen sollte: Auf das Bild und die Kameraführung werde ich überhaupt nicht eingehen, Aufnahmen aus 1980 sehen eben so aus wie Aufnahmen aus 1980. Punkt. Hier geht es vor allem um Archivwert und Zeugnis eines außergewöhnlichen Abends, selbst für die Verhältnisse des Rockpalasts. Der Ton auf der CD ist übrigens ausgezeichnet, aber das sind wir aus der Serie durchaus ja schon gewohnt.
Einige Klassiker dürfen wir freudig erwarten. Die immer wieder mitreißende Saufoper "One Bourbon, One Scotch, One Beer" bringt uns ebenso in Stimmung wie Rock’n’Roll-Kracher der Marke "I’m Wanted" oder "Night Time". Und die Chuck Berry-Nummern "No Particular Place To Go" und "Reelin' And Rockin'" am Ende muss man erleben, erfühlen, verschlingen. Die beste Pille gegen Verdruss und Depression.
George Thorogood ist ein Musiker mit sehr viel Herz und dem ziemlich einzigartigen Vermögen, ein rhythmisches Feuerwerk ohne jeden Schnickschnack schamlos erdig und ursprünglich zu einem mitreißenden Ereignis zu entfachen. Hier geht es nicht um virtuose, geniale Licks, sondern um pure Energie und Power, höchst wirksam inszeniert und zelebriert. Allein aus diesem Grunde schon halte ich die im Netz kolportierten Vergleiche mit Leuten wie Rory Gallagher oder Johnny Winter für völlig überflüssig – das eine hat mit dem anderen nicht allzu viel zu tun. Wichtig ist unter dem Strich nur, dass jeder der genannten zu etwas Besonderem fähig war und wenn’s gefällt, ist alles richtig.
Später, nämlich ab 1999, hat sich George dann zusätzlich mit einem Leadgitarristen ausgestattet, der wahrlich nicht von schlechten Eltern stammt. Jim Suhler befeuert seit dieser Zeit die Errungenschaften der Destroyers und bietet damit einen weiteren spannenden Akzent in der Musik des »Satan Of Slide«.
Wer demnächst auf seiner Party mal so richtig die (rockmusikalische) Sau rauslassen möchte, dem sei dringendst zu George Thorogood geraten, da bleibt garantiert kein Auge trocken. Und mit der Rockpalast-Aufnahme gibt es obendrein ein historisch wertvolles Zeugnis deutsch-medialer Präsenz von guter alter Musik, wie wir sie in unseren Hallen und auf den Bildschirmen derart stimmungsvoll ganz sicher auch nicht alle Tage zu Gesicht bekamen. Brrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr!
George Thorogood & The Destroyers Line-up:
George Thorogood (guitar, vocals)
Bill Blough (bass)
Jeff Simon (drums)
Hank 'Hurricane' Carter (saxophone)
Tracklist "Live At Rockpalast":
- House Of Blue Lights
- Kids From Philly
- I’m Wanted
- Cocaine Blues
- House Rent Blues / One Scotch, One Bourbon, One Beer
- It Wasn’t Me
- Madison Blues
- Goodbye Baby (Can’t Say Goodbye)
- New Hawaiian Boogie
- Can’t Stop Lovin'
- Who Do You Love
- Bottom Of The Sea
- Night Time
- No Particular Place To Go
- Reelin' And Rockin'
- House Of Blue Lights
- Kids From Philly
- I’m Wanted
- Cocaine Blues
- House Rent Blues / One Scotch, One Bourbon, One Beer
- It Wasn’t Me
- Madison Blues
- Goodbye Baby (Can’t Say Goodbye)
- New Hawaiian Boogie
- Can’t Stop Lovin'
- Who Do You Love
- Bottom Of The Sea
- Night Time
- No Particular Place To Go
- Reelin' And Rockin'
Gesamtspielzeit: 40:51 (CD 1), 43:10 (CD 2), 88:00 (DVD), Erscheinungsjahr: 2017
1 Kommentar
Guenter Lotz
28. Februar 2017 um 17:26 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Habe die Jungs vor 2 (?) Jahren in Mainz gesehen. Musik sehr gut, aber mir kam das alles zu einstudiert rüber. Ist halt auch älter geworden.