Die amerikanische Band Gin Blossoms ging in den neunziger Jahren geradezu ab, wie eine Rakete. Nach einem noch eher unbeachteten Debüt ("Dusted", 1989), waren die Musiker aus der Neuen Welt mit ihrem zweiten Werk "New Miserable Experience" aus dem Jahr 1992 plötzlich ganz dick im Geschäft, verkaufte sich die Scheibe doch massenhaft und brachte der Combo die Auszeichnung 4 x Platin ein. Dieser Erfolg musste natürlich erst mal ausgiebig ausgekostet, gefeiert, betrauert (der Original-Lead-Gitarrist Doug Hopkins hatte sich, nachdem er aus der Band geworfen wurde, selbst ins Jenseits befördert) und selbstverständlich auch betourt werden, sodass es sage und schreibe dreieinhalb Jahre dauerte, bis der Nachfolger "Congratulations… I’m Sorry" im Februar 1996 auf die wartenden Fans losgelassen wurde. Nicht mehr ganz so der Überflieger, konnten die Gin-Blüten dafür aber immerhin noch eine Einfach-Platin-Auszeichnung einfahren, was in der Regel aber alleine schon dafür ausreichen sollte, nie wieder arbeiten gehen zu müssen. Die Blossoms lösten sich dennoch 1997 auf, um im Jahr 2002 wieder zusammen zu finden. Mit Bill Leen, Jesse Valenzuela sowie Robin Wilson waren immerhin noch drei (fast) Originalmitglieder (Wilson war erst 1988, also ein Jahr nach der Gründung eingestiegen) mit am Start und 2006 erschien schließlich "Major Lodge", gefolgt von "No Chocolate Cake" (2010), die aber beide bei weitem nicht mehr so erfolgreich waren, wie die Alben aus den Neunzigern.
Im Frühjahr 2018 wurde dann mit "Mixed Reality" das mittlerweile sechste Studioalbum der Band veröffentlicht. Und darauf hört sie sich überraschend frisch, gut gelaunt und agil an, wie bereits der Opener "Break" beeindruckend belegt. Eine lockere Akustik-Gitarre begleitet den sehr melodiösen Gesang Wilsons, bevor die gesamte Band in die Nummer einsteigt. Das ist klasse gemacht, wird obendrein von schönen Gitarrensoli verziert und das Stück kann sich von einem gewissen Hit-Potenzial nicht ganz frei sprechen. Aber warum auch? "Face The Dark" haut in exakt dieselbe Kerbe und ist ebenso gut gelungen. Klar hatte sich der Fünfer genug Auszeit zum Komponieren genommen, andererseits gibt es genügend Bands, die solche Tracks ihr Leben lang nicht zustande bringen. Ein gutes Stück rockiger und mit deutlich mehr Wumms geht dann "New Mexico Trouble" zur Sache, womit die Gin Blossoms lediglich den Beweis dafür abliefern, dass sie es nach wie vor auch richtig krachen lassen können.
Mit "Angels Fly" liefert das Quintett aus Tempe im US-Bundesstaat Arizona meinen Favoriten dieser Scheibe ab, der erneut über jede Menge Hit-Avancen verfügt. Das Rezept hinsichtlich der Komposition ähnelt zwar stark den ersten beiden Titeln, was aber immerhin auf einen roten Faden deutet, der durch diese Platte führt. Bei "Here Again" wird in Punkto Power und Speed wieder deutlich zugelegt und so wechselt die Band immer wieder fröhlich durch, ohne dass es je langweilig wird. Sogar besser: Sämtliche Nummern gefallen durch gute Melodien, clevere Arrangements und einen feinen erdigen Sound, der immer auf dem Teppich bleibt und nie zu überladen wirkt. Bis auf den Schlagzeuger Scott Hessel waren alle Musiker – entweder alleine oder im Verbund – am Songwriting beteiligt, was sich auch hinsichtlich des Abwechslungsreichtums deutlich bemerkbar macht.
Auch im letzten Drittel lässt "Mixed Reality" nicht nach, weshalb man den Gin Blossoms allerbesten Gewissens ein sehr starkes Comeback bescheinigen darf. Vom Sound her hat die Combo eher wieder einen Schritt zurück in die Neunziger und ihren Erfolgsalben gemacht, was jedoch keinesfalls stört, sondern vielmehr als Plus verbucht werden kann. Meine Anspieltipps: "Break", "Angels Fly", "Miranda Chicago" sowie "The Devil’s Daughter".
Line-up Gin Blossoms:
Robin Wilson (guitars, percussion, lead vocals)
Jesse Valenzuela (guitars, background vocals)
Bill Leen (bass)
Scotty Johnson (guitars)
Scott Hessel (drums)
With:
Peter Holsapple (keyboards)
Grey Wilson (percussion)
Tracklist "Mixed Reality":
- Break
- Face The Dark
- New Mexico Trouble
- Angels Fly
- Here Again
- Still Some Room In Heaven
- Miranda Chicago
- Girl On The Side
- Fortunate Street
- Wonder
- Shadow
- Forever Is This Night
- The JFK Shit Show
- The Devil’s Daughter
- Mega Pawn King
Gesamtspielzeit: 53:41, Erscheinungsjahr: 2018
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