Godley & Creme / L – LP-Review

Von den Hotlegs und "I’m A Neanderthal Man" über "I’m Not In Love" von 10cc bis hin zu Godley & Creme.
Nachdem Kevin Godley und Lol Creme die Combo 10cc verließen, dauerte es nicht lange und man veröffentlichte unter eigenem Namen Platten.
Den Anfang machte das 3-fach Album "Consequences" (1977), gefolgt von "L" (1978).
Kevin Godley und Lol Creme darf man durchaus als Multiinstrumentalisten bezeichnen.
Etwas besonderes war ein Gerät zur Klangerweiterung für Gitarre und Bass namens Gizmo.

Seit dem Beginn der Achtzigerjahre machte sich das Duo auch noch einen Namen als Produzenten von Videoclips für ihre eigenen Songs wie zum Beispiel "Cry" (nicht die "Miami Vice"-Version) sowie anderer Künstler/Bands. Darunter befanden sich unter anderem Frankie Goes To Hollywood oder The Police. Ende der Neunzigerjahre trennten sich die Wege von Godley & Creme. Lol Creme wurde Mitglied der Formation The Art Of Noise.

Mit diesem Gizmo-Teil lassen sich faszinierende Sounds kreieren.
Das treibend-aufwühlende "This Sporting Life" legt Zeugnis davon ab. Zwischendrin gibt Paul Gambaccini ein vokales Intermezzo, das einen Kontrast zum hervorragenden Gesang des Duos darstellt.
Im Allgemeinen schöpfen Godley & Creme ihre Ideen aus einem speziellen Fass der Fantasie.
Die sieben Songs lassen sich definitiv nicht über einen Musik-Kamm scheren. "L" ist nicht Jacke wie Hose.
Wie der Opener definieren sich die Tracks in Sound-Collagen, die oft den Eindruck erwecken, als seien innerhalb einer Komposition verschiedene Stimmungen, oder besser Szenarien aneinander gereiht.
Dabei darf der Hörer nicht aufgeben, sich mit dieser besonderen Art Art Pop oder Art Rock anzufreunden.

"Sandwiches Of You" ist das nächste musikalische Stückwerk.
Ein exzentrisches Xylofon, extrovertierte Gitarre-Attacken, Percussion-Vorstöße und abermals ein brillanter Gesang füllen die Song-Spielzeit. Genie und Wahnsinn tanzen auf des Messers Schneide. Phasenweise erscheint Frank Zappa vor dem geistigen Auge.

Godley & Creme lassen Gnade walten.
"Art School Canteen" wird von der akustischen Gitarre, dem Piano, Kontrabass und Streicher-Klängen dominiert. Dieses Stück ist eine luftige Chiffon-Ballade mit einem klassischen Fade-Out. Dieser Track ist die "L"-Kehrseite.
Nicht genug, dass man von Klangwelten übermannt wird, verfremdet das Duo jetzt auch noch ihre Stimmen. "Group Life" ist zugleich Weichspüler und Herausforderung. Was mit einem verspielten Reggae-Rhythmus beginnt, endet spätestens bei Jonathan Handelsmanns geschichtetem Saxofon-Exkurs im Land der Extreme. Highlight!

Apropos Saxofon: Auf "L" ist auch Andy Mackay (Roxy Music) mit von der Partie.
Einerseits ist er beim Instrumental "Foreign Accents" vertreten, andererseits mischt er in "Business Is Business" mit.
Beim erstgenannten Track stellt man – neben Prog Rock-Elementen – auch jazzige Versatzstücke fest. Bei einem sich kaum verändernden – auch nach Handclaps klingenden – Rhythmus spielt sich in "Foreign Accents" darüber theatralisches Treiben ab. Andy Mackay dominiert diese Nummer, in einer bei Roxy Music nie eingesetzten Art. Super!
Der Kreis der längeren Songs schließt sich bei "Business Is Business". Der rote Faden des Stückwerks innerhalb einer Nummer setzt sich fort und kommt beim letzten Lied der Platte, nicht ganz so aufgewühlt, natürlich zu einem Finale.

Wer weiß, wie bei einer "L"-Umfrage das Abstimmungsergebnis ausfallen würde.
Vermutlich zweischneidig, denn "L" kann man entweder verführerisch gut oder als großen Mist bezeichnen.
Der Rezensent nimmt eindeutig die positive Seite ein. Auch nachfolgende Alben wie "Freeze Frame" (1979), "Ismism" (1981), "Birds Of Prey" (1983) oder "Goodbye Blue Sky" faszinieren.
Bleibt gesund und nehmt euch zur Ablenkung Zeit für gute Musik.

Line-up Godley & Creme:

Kevin Godley (vocals, drums, xylophone, clavinet, bass, roto-toms, high-hat, snare drum, bongos, congas, triangle, percussion)
Lol Creme (vocals, piano, Rhodes, clavinet, guitars, 12-string acoustic guitar, acoustic bass, gizmo, bass, Farfisa organ, drums, percussion)
Paul Gambaccini (vocals)
Jonathan Handelsman (alto saxophone, soprano saxophone)
Andy Mackay (tenor saxophone, alto saxophone, baritone saxophone)

Tracklist "L":

Gesamtspielzeit: 34:24, Erscheinungsjahr: 1978