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Gong / Live At The Gong Family Unconventional Gathering – 2CD-Review

Gong - "Live The Gong Family Unconventional Gathering 2006" - 2CD-Review

Wenn man sich nur mal einen kurzen Abriss der Bandgeschichte der 1967 in Paris gegründeten Combo Gong durchliest, bekommt man umgehend das Gefühl, dass es dort hinsichtlich der agierenden Musiker zuging, wie im Taubenschlag. Ähnlich wie bei Hawkwind (speziell in den frühen Jahren) waren offensichtlich gerade die (einen größeren Kreis umfassenden) Personen Bandmitglieder, die halt gerade zur Probe oder zu einem Auftritt aufgetaucht waren. Aber auch in den weiteren Jahren gab es etliche Line-up-Wechsel bis hin zu dem Ausstieg der beiden Bandgründer Daevid Allen und Gilli Smyth im Jahr 1976. Pierre Moerlen übernahm fortan das Ruder, bis sich die Gruppe 1980 auflöste. In den frühen Neunzigern kam es – wieder mit Daevid Allen und teilweise auch Gilli Smyth – zur Reunion, die sporadisch neue Alben ans Tageslicht brachte. 2001 stellte Gong die Tourneen ein und dadurch kam es über die nächsten Jahre nur noch zu vereinzelten Konzerten.

Eines dieser (sporadischen Konzerte) fand 2004 unter dem Banner 'The Gong Family Unconventional Gathering' statt und dauerte unter Hinzunahme weiterer Gong-verwandter Bands einen ganzen Tag. Da sehr erfolgreich, wurde das Event ein Jahr später, dieses Mal schon über zwei Tage und 2006 (in Amsterdam) sogar über drei Tage wiederholt. Und von der letztgenannten Veranstaltung stammen die mir nun vorliegenden, auf einer Doppel-CD veröffentlichten, Aufnahmen. Die Musik von Gong ist gar nicht so einfach, aber wohl am besten als Progressive mit massiven Einsprengseln aus Psychedelic Rock sowie Jazz Rock, zu beschreiben. Zugrunde liegt zumeist ein grundsolider Rhythmus von Bass und Drums, über den die weiteren Mitglieder ihre – sehr oft frei von den üblichen Strophe-Refrain-Strophe-Konventionen – Gitarren- und Tastensounds schweben lassen.

Richtig klasse kommt immer wieder die Flöte von Theo Traviscitude, die den Songs eine weitere Dimension hinzufügt. Die Übergänge zwischen den Tracks sind zumeist fließend, Interaktion mit dem Publikum ist vorhanden, aber zumeist in Erzählform innerhalb der einzelnen Stücke. "Inner Temple" kommt sehr spacig und mündet in das fast zwölf Minuten in anderen Sphären schwebende "Zero The Hero And The Witch’s Spell". Musik, die unbedingt zum Zuhören statt zum ’nebenbei-laufen-lassen' gemacht wurde. Als Sänger treten in erster Linie Daevid Allen, aber auch Gilli Smyth in Erscheinung und zwischendrin driftet die Band auch mal in die World Music ab.

Bei "I Never Glid Before" spreizt der Gitarrist Steve Hillage seine Flügel zu voller Spannweite und glänzt an seiner Sechssaitigen, während "Prostitute Poem" ganz im Zeichen von Gilli Smyth steht, die hier ihren Blues zu einem Walzer-Rhythmus und einem klagenden Saxofon zum Besten gibt. Es ist beeindruckend, wie viele Facetten die Musik der Band in sich trägt. Dieses Live-Album ist auf jeden Fall eine hochinteressante Entdeckungsreise in (zumindest für den Rezensenten) oft eher fremde Gebiete. Den Abschluss bildet dann das knap 18 Minuten lange "You Never Blow Yr Trip Forever", das dem Abend ein würdiges Ende bescherte.

Aufgrund der hohen Fluktuation in der Band gibt es eine hohe Anzahl von Splitter-Bands, zu denen neben Daevid Allen’s Gong in der Zeit von 1976 bis 1980 Pierre Moerlen’s Gong sowie davor, danach und während auch noch die Combos Shamal Gong, Planet Gong, Gongmaison, New York Gong oder Mother Gong gehörten. Ein weites Feld und eine Menge Material, die es zu erkunden gäbe.

Für Gong-Fans sollte "Live At The Gong Family Unconventional Gathering" ein gefundenes Fressen sein, aber auch für Interessierte und Neueinsteiger mit der Lust darauf bisher unbekanntes Terrain zu entdecken, kann ich diese Doppel-CD nur empfehlen. Sicher geht hier bei weitem nicht alles konform und eingängig in die Ohrmuscheln, sondern muss sich vielmehr vom Hörer erstmal 'erarbeitet' werden. Der aufgeschlossene Musik-Fan wird nach einigen Durchläufen aber 'belohnt' werden. Denn vieles, was hier auf den ersten Eindruck zufällig und improvisiert wirkt, stellt sich nach der Eingewöhnungsphase als durchaus mit Substanz versehen und tiefgründig heraus. Und allen die noch zweifeln, rate ich, es einfach mal zu versuchen. Wer wagt, gewinnt!


Line-up Gong:

Chris Taylor (drums)
Michael Howlett (bass)
Gilli S Myth O Logue (vocals)
Theo Traviscitude (tenor saxophone, flute)
Steve S Killage (guitars)
Mi Que Tte Girau Dy (synthesizer)
Daedelus Ale&yen (vocals)
Bloomdidier Male Herbe (duduk)
Midier Dalherbe (soprano saxophone, flute)
Gong Moon Weed (synthesizer, keyboards, background vocals)
Tim Blake (keyboards)

Tracklist "Live At The Gong Familiy …":

CD 1:

  1. You Can’t Kill Me
  2. Radio Gnome Invisible
  3. Tomorrow Afternoon
  4. Dynamite/I Am Your Animal
  5. Flute Salad
  6. Oily Way
  7. Outer Temple
  8. Inner Temple
  9. Zero The Hero And The Witch’s Spell
  10. I Am Your Pussy
  11. Tropical Fish
  12. Selene

CD 2:

  1. I Never Glid Before
  2. Prostitute Poem
  3. Magdalene
  4. A Sprinkling Of Clouds
  5. She Is The Great Goddess
  6. Master Builder
  7. The Isle Of Everywhere
  8. You Never Blow Yr Trip Forever

Gesamtspielzeit: 67:44 (CD 1), 68:19 (CD 2), Erscheinugsjahr: 2021 (2006)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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