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Gov’t Mule – Konzertbericht, 03.11.2017, Huxley’s Neue Welt, Berlin

Gov't Mule / Berlin 2017

Gov’t Mule wurde 1994 von den beiden Mitgliedern der Allman Brothers Band, Warren Haynes (Gitarre) und Allen Woody (Bass), gegründet. Woody starb bekanntlich 2000, woraufhin namhafte Aspiranten wie Michael Gordon von Phish u. a. den Bass-Part übernahmen. Schließlich fiel die Wahl auf Andy Hess als Dauerbesetzung, der zuvor bei den Black Crowes die Basssaiten gezupft hatte, aber 2008 durch Jorgen Carlsson ersetzt wurde. Das Quartett wurde schließlich durch Danny Louis an den Keys komplettiert.

Gov't Mule / Huxley's Neue Welt, Berlin 2017

Gov’t Mule / Huxley’s Neue Welt, Berlin 2017

Bei Gov’t Mule kann jedes Konzert auf der Band-Website in prima Qualität (teilweise) gehört und/oder gekauft werden – so auch am gestrigen Abend in Huxleys Neuer Welt. Wie bei Grateful Dead und den Nachfolgebands ist es den Fans gestattet, Live-Mitschnitte für nicht-kommerzielle Zwecke zu machen und zu tauschen. Das scheint allerdings eher eine amerikanische Sache zu sein, denn davon war in Berlin kaum etwas zu sehen – lediglich zwei Taper hatten sich am Freitagabend ins Huxley aufgemacht, um das Konzert aufzuzeichnen.

Was erwartet den Fan bei einem Gov’t Mule-Konzert? Eigentlich klarer, geradliniger Südstaaten-Rock. Was bedeutet das? In diesem Punkt ist Gov’t Mule sehr eklektisch und Einflüsse sind aus beinahe allen amerikanischen Richtungen auszumachen. So auch in Huxleys Neuer Welt. Allerdings will Gov’t Mule am heutigen Abend nicht recht in Schwung kommen. Sind die Opener "Mr. Man" und "World Boss" noch engagiert und mit Verve gespielt und gipfeln in einem sensationellen "Mountain Jam", so verliert das erste Set danach deutlich an Fahrt, bis der Titel "Revolution Come, Revolution Go" (so auch der Titel des neuen Albums) vor der Pause wieder Profil in die Show bringt.

Gov't Mule / Huxley's Neue Welt, Berlin 2017

Gov’t Mule / Huxley’s Neue Welt, Berlin 2017

Allerdings wäre alleine schon der Allman Brothers-Song "Mountain Jam" jeden Weg nach Berlin wert gewesen: Hier drehen Warren und die Band richtig auf, die Gitarrensoli und -Riffs lassen ein wenig die Atmosphäre des Sommers der Liebe auferstehen. Auch das zweite Set kann leider nicht ganz halten, was sich der geneigte Zuschauer vielleicht versprochen hat. Wer Haynes von seinen Auftritten mit The Dead oder Phil Lesh & Friends kennt, der weiß, zu welch großer Emotionalität Haynes während seines Spiels in der Lage ist. Die Töne, die Bewegungen und die Mimik ergeben dann ein wunderbar inspiriertes Gesamtkunstwerk. Davon ist Gov’t Mule in Berlin weit entfernt. Was bleibt, ist solides Rockhandwerk.

Gov't Mule / Huxley's Neue Welt, Berlin 2017

Gov’t Mule / Huxley’s Neue Welt, Berlin 2017

Während die Rhythmusgruppe um den Bassisten Jorgen Carlsson, Schlagzeuger Matt Abts und Keyboarder Danny Louis die fokussierte Energie liefern, ist Leadgitarrist und Sänger Warren Haynes eindeutig der kreative Kopf der Gruppe. Haynes' Gitarrenkünste dürften unumstritten sein und auch bei seinem Berliner Auftritt geizte er nicht mit Kostproben. Die Riffs sind unberechenbar kreativ und ziehen die Fans in ihren Bann. Das Schlagzeug treibt Gov’t Mule immer wieder unbarmherzig vor sich her, der Bass stampft mitunter gewaltig durch die Südstaatenlandschaften und Haynes' Soli verzaubern die Zuschauer.

Das Repertoire von Gov’t Mule war auch dieses Mal breit gefächert. Im 2. Set stachen noch 'Easy Times", 'Mule" und das Encore "30 Days in the Hole" hervor. Gov’t Mule ist im besten Sinne eine amerikanische Jam-Band mit einem ungeheuerlich kreativen Potenzial und wahnsinniger Improvisationsfreude. Aber leider kam davon in Huxleys Neuer Welt nicht immer allzu viel von rüber. Vielmehr blieb ein routiniert herunter gespielter Abend eines außerordentlich talentierten Gitarrenspielers mit einer guten Band. Das kann Gov’t Mule besser. Vielleicht beim nächsten Mal.

Set I:

Gov't Mule / Huxley's Neue Welt, Berlin 2017

Gov’t Mule / Huxley’s Neue Welt, Berlin 2017

  1. Mr. Man
  2. World Boss
  3. Burning Point
  4. Game Face >
  5. Mountain Jam >
  6. Game Face
  7. Devil Likes It Slow
  8. Beautifully Broken >
  9. Breakdown >
  10. Beautifully Broken
  11. Revolution Come, Revolution Go

Set II:

Gov't Mule / Huxley's Neue Welt, Berlin 2017

Gov’t Mule / Huxley’s Neue Welt, Berlin 2017

  1. Stone Cold Rage
  2. Sarah, Surrender
  3. Easy Times
  4. Kind Of Bird
  5. Woman
  6. Walk In My Shadow
  7. Mule
  8. Soulshine

Encore:

  1. 30 Days In The Hole
  2. I Don’t Need No Doctor
  3. 30 Days In The Hole

Über den Autor

Dr. Stefan Schweizer

6 Kommentare

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  1. Steffen

    Ich denke, er trifft die Beschreibung ganz gut. Jeder empfindet manches anders. Und Meinungen sollten akzeptiert werden.

  2. Jörg

    Es kann sich hier nur um einen Irrtum oder einer Verwechslung mit einer anderen Combo handeln.

  3. mulehead

    Ich besuche nach Möglichkeit seit 2009 jedes Jahr mindestens ein Konzert von Gov’t Mule oder Warren Haynes. Das Konzert am Freitag im Huxley’s war mit Sicherheit eines der besten, die ich erlebt habe. 2 großartige Sets und ein Encore ließen mich voll auf die Kosten kommen. Mit Mr. Man, World Boss und Burning Point rockten die Maultiere gleich richtig los. Die Technik war gut auf den Saal abgestimmt, so dass es auch ganz vorne nicht zu laut war. Game Face, Mountain Jam und wieder Game Face gaben den Beteiligeten den nötigen Raum für Improvisationen, wobei es immer wieder Klasse ist wie sie nach einem längeren Improvisationsteil zum Ausgangspunkt zurückfinden. Das gilt auch für Beautifully Broken, welches im Mittelteil mit Breakdown eine Reminiszens an Tom Petty enthielt, einfach Klasse.
    Im 2. Set gefielen mir vor allem die Free- Songs in Anlehnung an das Helloween Konzert in Amsterdam. Woman und Walk In My Shadow dampten richtig los, wobei Kind of Bird und Mule wieder viel Raum für Improvisationen ließen. Das Set endete mit einem sehr gefühlvoll vorgetragenem Soulshine.
    Und dann gab es als Zugaben noch die Humble Pie Klassiker 30 Days In The Hole, I Don’t Need No Doctor und noch mal 30 Days In The Hole.
    Ein überwältigender Abschluß eines Konzerts der Extraklasse.
    Ich muss wohl in einem anderen Konzert gewesen seinn als der Rezensent.

  4. Silvio

    ich muss mich Eva unbedingt anschließen, musikalisch das beste Mule Konzert,( ich habe bisher Sechs besucht) bisher für mich persönlich, gnadenlose Vielfalt, Atemberaubendes, unfassbare Freiräume, um auch wirklich miteinander musizieren zu können, es sprühte vor Ideen, ich fühlte mich teilweise in Zeiten des Elektro Jazz von Miles Davis versetzt…wer da hin gehört hat und mit den Jungs da vorn verschmelzen konnte, der hat begriffen was da plötzlich passiert ist…sich fallen lassen kommt da gut…Musikakademiker waren mir schon immer sehr suspekt !!!

  5. Guenter Lotz

    Habe sie am 5.11.17 im Wiesbadener Schlachthof gesehen.
    Die obige Konzertbeschreibung passt meiner Meinung nach auch auf das gesehene Konzert hier.
    Ich fand auch die Lautstärke etwas übertrieben, sodass man die Texte nicht wirklich verstehen konnte. Routiniert das Programm gespielt, da habe ich schon bessere Konzerte gehört (leider nicht gesehen).

  6. Eva

    Oh je – da zeigt sich mal wieder, dass zwei Menschen im gleichen Raum zwei völlig unterschiedliche Konzerte hören können … ich kann ruhigen Gewissens sagen, dass das Konzert in Berlin eines der Besten unter den 10 Mule-Shows war, die ich dieses Jahr gesehen habe. Wer an diesem Abend Emotionalität vermisst hat, war wahrscheinlich mit anderem beschäftigt – jedenfalls nicht mit Zuhören.
    Eine Band, die sich jeden Abend mit gänzlich neuer Setlist für nahezu 3 Stunden musikalisch verausgabt und den Anspruch hat, bei jedem Konzert im Vergleich zum Vorabend noch einen drauf zu legen, bietet meiner Ansicht nach ein bisschen mehr als "solides Rockhandwerk".

    Vielleicht war es ja die Erwartung an den "klaren, geradlinigen Südstaatenrock", die das Konzerterlebnis getrübt hat? Das wäre jedenfalls eine arg plumpe Beschreibung der wilden und kreativen Mixtur aus Rock, Blues, Soul und Jazz, die den Sound von Gov’t Mule ausmacht … wer geradlinigen Südstaatenrock hören will, geht zu Skynyrd.

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