Ohne lang drum herum reden zu wollen gebe ich direkt an dieser Stelle schon mal offen zu, dass ich bislang und vor allem in der Blütezeit von Great White immer irgendwie an dieser Band vorbei geschrammt bin. Klar konnte man deren (übrigens sehr guten) Version von Ian Hunters "Once Bitten, Twice Shy" eine Zeit lang gar nicht aus dem Weg gehen und manche meiner Kumpels hatten auch ein paar Platten, aber ansonsten haben sich die Wege der Mannen um Frontsau Jack Russell und dem Verfasser dieser Zeilen nie wirklich gekreuzt. Aber bekanntlich gibt es ja für alles eine Zeit, die einfach nur kommen muss. Und bei mir kam sie nicht nur vor kurzem, sie stürmte sogar gleich mit der Doppel-Live-Scheibe "Stage" durch die Haustür und geradeaus in meine Anlage. Insgesamt 14 Tracks mit einer Spielzeit von insgesamt etwa 89 Minuten hört sich vielversprechend an, also lassen wir die Party mal beginnen.
Enthalten auf diesem Doppeldecker sind jeweils sieben Tracks aus zwei Konzerten der Jahre 1993 und 1994 in umgekehrter Reihenfolge. Fast noch etwas gezügelt, dafür aber mit richtig viel Blues in den Adern beginnt der "Train To Nowhere" diesen Ritt, der sich auf seiner ersten Etappe immerhin über viereinhalb Minuten streckt. Und es bleibt (zunächst) überraschend ruhig, denn bei "Sail Away" dominiert erst mal die Akustische das musikalische Bild. Dennoch hat man nicht nur die ganze Zeit das Gefühl, dass da irgendwie eine Bombe in der Torte ist, sondern auch, dass die kurz vorm Explodieren steht. Das sind klasse Gesangslinien und hier wird unaufhörlich Spannung aufgebaut, die sich dann zumindest halbwegs in dem Gitarrensolo Mark Kendalls entlädt. Die Band war definitiv voll im Saft und spielte sich irgendwie unaufgeregt, dafür aber mit viel Stil und richtig starken Melodien in die Herzen ihrer hörbar begeisterten Fans.
Dass die Amerikaner ein ganz feines Händchen für Cover-Versionen hatten, wurde bereits weiter oben erwähnt. Und um dies zu unterstreichen, erklingt als letzter Track der ersten Scheibe dann eine super Version von "Afterglow" (original von den Small Faces), die den Verfasser dieser Zeilen nicht nur erneut respektvoll in Richtung Great White nicken lässt, sondern ihn obendrein nochmal daran erinnert, wie gut die kleinen Engländer um Steve Marriott und Ronnie Lane damals doch waren. Ganz starker Abschluss des ersten Teils, so kann es weitergehen.
Ein Jahr davor (1993) spielte die Band in Anaheim, ebenfalls California, und zeigte sich auch dort in hervorragender Form. Wobei es hier mit "Face The Day" umgehend ein gutes Stück rockiger zugeht als auf dem ersten Silberling. Auch "Old Rose Motel" rockt schön nach vorne, bevor das Quintett dann mit "Babe, I’m Gonna Leave You" (auch bekannt von Led Zeppelin) wieder richtig tief in den Blues eintaucht. Logischerweise durfte auch das bereits erwähnte "Once Bitten, Twice Shy" nicht fehlen, das kurz vor Schluss nochmal so richtig Alarm macht und das Rocker-Herz zum Beben bringt. Ein weiterer großer Hit für die Band war "Rock Me", der natürlich ebenso – und das knapp siebeneinhalb Minuten lang – zelebriert wird. Relativ gemütlich (dafür aber wieder mit jeder Menge klasse Melodien versehen) wird dieses Live-Abenteuer dann schließlich mit "Love Is A Lie" beendet.
Original im Jahr 1995 erschienen, wurde "Stage" nicht nur soundtechnisch noch einmal toll aufbereitet, sondern es gibt diese Sause nun tatsächlich zum allerersten Mal auch auf (selbstverständlich weißem) Doppel-Vinyl zu erstehen. Gegenüber der Original-Ausgabe glänzt diese neue Version dann auch noch mit den beiden Bonus Tracks "Gone With The Wind" sowie "Love Is A Lie".
Der überraschte Rezensent, der die Band immer in einer ganz anderen Schublade stecken hatte, zieht schließlich seinen (nicht vorhandenen) Hut und wird ganz sicher noch so einige Abende in Gesellschaft von Great White und "Stage" verbringen.
Line-up Great White:
Jack Russell (vocals)
Mark Kendall (lead guitars)
Michael Lardie (rhythm guitars, keyboards)
Teddy Cook (bass)
Audie Desbrow (drums)
Tracklist "Stage":
- Train To Nowhere
- Sail Away
- House Of Broken Love
- Maybe Someday
- Congo Square
- Gone With The Wind
- Afterglow
- Face The Day
- Old Rose Motel
- Babe, I’m Gonna Leave You
- Rock Me
- Can’t Shake It
- Once Bitten, Twice Shy
- Love Is A Lie
Gesamtspielzeit: 42:47 (CD 1), 46:19 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2020 (1995)
1 Kommentar
Manni
20. Mai 2020 um 22:37 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Great White – na das ist mal was! Du hast recht, eine Band der Clone-Meister (Jack Russell konnte auf den LZ-Covers wie Robert Plant klingen, das Gemeinsame der Intonation war/ist bemerkenswert). Auch andere Wiesen konnten die fast beipielslos gut abgrasen! Auch das tolle "Train to Nowhere" ist ein Cover, nämlich von Savoy Brown, das dann auf dem ’69er Album "Get Ready" von Rare Earth zu großen Ehren kam, obwohl dessen 20-Min. Titelsong leider die andere Plattenseite "unter sich begrub". Denn die ist mMn hochkarätiger.
Diese "Great White – Stage" als DoCD ist sehr interessant, ich kannte nur einen Teil davon. Lohnenswert, da stimme ich dir vorhaltlos zu, Markus!