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Greg Koch / Konzertbericht, 13.04.2019, Die Kiste, Berlin

»Greg Koch is one of those rare guitarists that can blend various styles with a light hearted approach and a tremendous amount of technique. Hearing him play is inspiring to a guitar player to try to achieve greatness on the instrument.« (Steve Vai)

Greg Koch kann sicherlich als jemand beschrieben werden, der zu der kleinen, feinen Gruppe von Gitarristen gehört, die einem größeren Publikum weithin unbekannt sind, die aber zu den Größten des Genres zählen, zu den 'Gitarristen der Gitarristen'. Dany Gatton, der 'Master of the Telecaster' war so einer – wir haben ihn allerdings schon 1994 verloren. Ich bin mir sicher, dieser Titel – 'Meister der Telecaster' – ging sicher legitimerweise auf Greg Koch über. Nicht zuletzt deswegen, weil er mit Gatton nicht nur die Liebe zur Telecaster teilt, sondern weil er als Virtuose genau dieselben Techniken und Stile mit Gatton teilt und fraglich von ihm beeinflusst ist. Greg bringt, wie Gatton, eine Fusion von Spielweisen zusammen, die man aus den Genres Blues, Rock, Rock’n Roll, Funk, Country, und Jazz kennt. Und genauso ist seine Musik: Ein erfrischendes, irre lebendiges Amalgam aus diesen Stilrichtungen. Und genau so spielt er auch: Mal mit heftigen Rock-Akkorden, mit funkigen Riffs, mit sehr bluesigen Tönen und Akkorden (auch mal mit dem Slide-Röhrchen) oder mit perfektem Fingerpicking im Country-Stil. All diese Stile hat er übrigens auch in Lehrwerken für Gitarristen geschrieben, z.B. im mir vorliegenden "Rhythm Riffs", wo er eine Zusammenstellung typischer Riffs jeweils in den Gattungen Rock, Blues, Jazz, Country und Funk herausbrachte.

Langer Vorrede kurzer Sinn: am 13.04.2019 gastierte dieser wahre Ausnahmegitarrist (von denen es viel weniger gibt, als manch einer denkt) in der Berlin-Hellersdorfer Kiste. Ein kleiner, feiner Live-Ort, der sich immer wieder um Talente unbekannterer oder auch schon bekannterer Art bemüht, und für die sich die Anreise in den tiefen Berliner Osten wirklich lohnt. Das Konzert gab es zu einem geradezu lächerlich kleinen Eintrittspreis, den man anderswo oft schon für Amateurgruppen berappen muss. Man könnte erwarten, dass Greg Koch ob seinem wahnsinnigen Talent auch sonstwo, in einer größeren Berliner Location auftreten würde. Aber in dieser Hinsicht ist die Berliner Szene manchmal wirklich seltsam. Wie auch immer, für die Gäste, die diesen Konzertraum gut befüllten, war der Auftritt des Trios mit dessen wahrhaftigen Spielfreude doch so etwas wie ein kleines Sensationserlebnis. Auch für mich, der Greg zum ersten Male live erlebte, obwohl ich seine Alben seit mehr als zehn Jahren schon kenne.

Pünktlich um 21 Uhr erscheint das mit ungewöhnlicher Besetzung antretende Trio (Gitarre, Drums, Orgel) auf der Bühne und legt nach kurzer, freundlicher Begrüßung des Publikums durch den Meister und Vorstellung seiner Mitmusiker – der Drummer Dylan Koch ist sein Sohn – gleich entspannt mit der flotten, jazzigen Shuffle-Nummer "Let’s Get Sinister" los (Tipp dazu: auf Youtube suchen). Gleich darauf folgt eine sehr funky Nummer namens "Hot Curry" (wenn ich richtig gehört habe). Wenn auch die meisten Stücke des Trios rein instrumentaler Natur sind, so kann Greg sich aber auch als Sänger mit kräftiger Stimme in den Vordergrund bringen. So etwa in dem Cover des Johnny Guitar Watson-Titels "Gangster Of Love". Nach dieser Bluesnummer legt Greg gleich einen drauf, wenn er zum Bottleneck greift und uns mit seinem fantastischen Slide-Spiel begeistert. Auch bei dieser Art des Spielens auf der E-Gitarre zeigt Greg, dass er diese Technik perfekt beherrscht. Hier verschwindet das sonst verwendete Plektrum komplett aus den Fingern, Daumen und Zeigefinger dienen als Saiten-Abdämpfer auf nicht gespielten Saiten, der Mittelfinger, manchmal auch der Zeigefinger, dienen als Anschlagsfinger auf den einzelnen Saiten. Perfekt, durchaus in der Liga eines Derek Trucks oder Warren Haynes!

Die anschließende Nummer "You Can’t Just Get It On Here" bringt Greg wieder als Sänger rüber; zugleich als vokale Unterstützung eines Gitarrensolos, indem er parallel Töne mitsummt und dadurch einen erstaunlichen Wah-Wah Effekt erzeugt – wie schon gesagt, ohne Pedal! Danach folgt das Cover des berühmten Jeff Beck-Stücks "Cause We’ve Ended As Lovers" – für mich als Liebhaber dieses Beck-Titels (das von anderen diversen, wohl bekannten Gitarristen – Steve Lukather – auch beckisch gespielt wird) sicher einer der Höhepunkte dieses Abends. Hier, wie auch in Parts anderer Stücke, greift Greg im Intro heftig zum Lautstärke-Regler der Tele und erzeugt die bekannten, violinartig anschwellend-abschwellenden Sounds. Wie andere gute Gitarristen auch, bringt er diese Nummer zwar klar à la Beck, ohne aber den großen Meister der ungewöhnlichen Töne einfach nachzuspielen. Das letzte Stück des ersten Sets vor der Pause, "Brushes", ist eine furiose, sehr flotte jazzige Shuffle-Nummer, bei der Toby Lee Marshall auf der Hammond vorführen kann, was er aus der kleinen Hammond alles rausholen kann. Auch für Dylan, den Drummer, bleibt bei dieser Jam-Nummer Platz für eine kleines Drum-Solo.

Nach der zwanzigminütigen Pause (mit Handsignierung von CDs) steigt die Band mit einer sehr rockigen Instrumentalnummer wieder ein zum zweiten Set des Abends, auf die wiederum ein funkiges Instrumental folgt, bei dem Toby auf der Hammond wieder vollen Jam-Einsatz bringen kann. Greg seinerseits spielt begleitend zu solchen Hammond-Solos viele, oft schnell wechselnde jazzige, erweiterte, inverse und oft auch ziemlich schräge Akkorde, die sich bestens zur stilvollen, abwechslungsreichen Begleitung eignen. Auch mit dieser akkordischen Spielweise zeigt sich Greg wieder als der Meister und Kenner von Stilen, die weit über die Rock- oder Blues-Gitarre hinausgehen. Das hindert ihn aber umgekehrt auch nicht, Power-Akkorde à la AC/DC mit einzubringen.

Bei einer sehr einfühlsamen, instrumentalen Bluesnummer zieht Greg weitere Register seines Könnens, indem er Country-artige Riffs und Läufe auf dem Griffbrett einmischt, perfekt im 'hybrid-picking'-Stil. Dazu steuert er 'weinende' Töne ein, wie man sie typischerweise von Roy Buchanan kennt, welche auf einer speziellen Art des Bendings der Saiten basieren (Saite vor dem Anschlag erst hochziehen, und beim Anschlag herunterlassen). Danach gibt irgend jemand aus dem Publikum durch einen Einwurf eine Idee, die Greg aufnimmt, indem er spontan die berühmte Nummer von Chet Atkins, "Mr. Sandman", im typischen Memphis-Fingerpicking-Stil anspielt – Großartig!

Einer, in der Pause beim Signieren von CDs vorgebrachten Anforderung eines Geburtstagskindes folgend, kommt er für mich zu einem weiteren (ungeplanten!) Höhepunkt des Abends: Er spielt tatsächlich, was ich mir innerlich gewünscht habe, eine Cover-Version des berühmten Hendrix-Blues, "Red House". Ich kann nur sagen: Viele Gitarristen haben diese Nummer gecovert, aber Greg hat für mich das Stück gitarristisch zu einem kaum übertreffbaren Höhepunkt gebracht (enthalten bereits auf dem 2003er Album "13×12"). Am heutigen Abend bringt er diesen Blues ziemlich genau so rüber, wie ich ihn von der Aufnahme kenne – woran man erkennen kann, dass er nicht einfach nur improvisierend daherspielt, sondern auf einer, nämlich seiner eigenen Ideensammlung, aufbaut.

Der berühmte Johnny Cash-Song, "Folsom Prison Blues", taucht dann als letztes Stück dieses Sets in Gregs eigener Cover-Art auf: Stilistisch klar als Country-Gitarre dargeboten, aber zugleich heftig rockend rübergebracht. Nach begeisterten Zugaberufen tritt Greg, zunächst nur mit Drum-Begleitung, wieder an und zeigt nochmals sein großes, vielfältiges Können im Jam einer flotten Rocknummer, für mich so etwas wie 'Country à la AC/DC'. Dazu wirft Greg einige Zitate aus Zeppelins "Dazed and Confused" und aus Joe Walshs "Funky 49" ein. Wenn dann Toby an der Hammond wieder einsteigt, bringt die Band nochmals alles, was sie zu bieten hat. Der Beifall des begeisterten Publikums dankt!

Gregs Gear :
Greg spielte alle Stücke des Abends (mit einer Ausnahme, als er zur roten Tele griff) auf seiner Signature 'Gristlemaster' Telecaster des Herstellers Reverend. Das Instrument stöpselte er direkt in den 50W Koffer-Amp 'The Greg' des Herstellers "Koch", also gänzlich ohne Effektboard! Das Switchboard des Amps, auf das er einige Boost-Einstellungen gelegt hat, und der Pickup-Schalter der Tele genügen ihm vollends, um prächtige Tonfarben in sein Spiel einzubringen.


Line-up Greg Koch Marshall Trio:

Greg Koch (guitars, vocals)
Dylan Koch (drums)
Toby Lee Marshall (hammond)

Über den Autor

Carlo Luib-Finetti

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