«

»

Grobschnitt / Fantasten – DLP-Review

Grobschnitt - "Fantasten" - Vinyl-Review

Tja, kaum hatten sich die Musik-Freaks aller Länder versehen, da waren sie bereits aus den rockigen Siebzigern in die doch stark von Keyboards und Synthesizern bestimmten Achtziger gepurzelt. Manche der 'großen' Bands hielten anfangs noch an ihrem gewohnten Sound fest, wollten (bzw. mussten) aber spätestens Mitte des neuen Jahrzehnts Zugeständnisse an die neuen Klangbilder und die vom Mainstream der Hörer bevorzugten Mucke machen. Die aus Hagen stammende Band Grobschnitt war da deutlich weniger erschrocken, denn hier wurde schon Ende der siebziger Jahre ein Richtungswechsel eingeschlagen. Begonnen hatte der bereits mit Merry-Go-Round (1979), weitergeführt von Illegal (1981) und noch konsequenter Razzia (1982). Das war schon eine deutliche Entwicklung, die schließlich 1984 zu Kinder + Narren führte. Letztgenannte Scheibe brachte der Band zwar viele neue sowie junge Fans und verfügte auch über einen Radio-Hit, ging vielen Schlachtenbummlern der ersten Jahre dann aber doch ein gutes Stück zu weit. Nah an der damals krassierenden Neuen Deutschen Welle orientiert, trat auch die Gitarre mehr in den Hintergrund und überließ zu weiten Teilen den Tasten das Feld.

Im folgenden Jahr wurde mit Sonnentanz ein Live-Album nachgeschoben, das eine sehr starke neue Version von Solar Music enthielt und auch die älteren Fans wieder versöhnte. Wer aber dachte, dass es genauso weitergehen würde, der hatte sich getäuscht. Denn die nachste Scheibe, das mir hier vorliegende "Fantasten" aus dem Jahr 1987, führte im Prinzip das Konzept von "Kinder + Narren" fort. Allerdings tatsächlich nur 'im Prinzip', denn anders war sie schon. Grobschnitt hatten ihrem langjährigen Label Metronome den Rücken gekehrt und waren nun bei der Teldec gelandet. Die zehn neuen Tracks hatten dann auch offensichtlich weniger mit der NDW zu tun, sondern wandten sich deutlicher dem Deutschrock zu. Die Songs waren straffer arrangiert und standen im Gegensatz zu früheren Konzeptalben für sich alleine. Erfreulich war zudem, dass Willi Wildschwein wieder einen erkennbar größeren Anteil der Lead Vocals übernahm, die er sich auf diesem letzten Studioalbum der Band lediglich noch mit dem Bassisten Milla Kapolke teilte, während Toni Moff Mollo diesbezüglich wieder ins hintere Glied trat.

Gegenüber der Vorgänger-Scheibe hatte es auch wieder Veränderungen im Line-up gegeben. So hatte Thomas Waßkönig (wie auf der Bühne schon in den Jahren zuvor) Jürgen Kramer an den Keyboards nun endgültig ersetzt und am Schlagzeug war jetzt Rolf 'Admiral Topsahne' Möller tätig, der für Peter Jureit eingestiegen war. Wobei der letztgenannte Drummer noch auf zwei Stücken von "Fantasten" zu hören ist. Der Sound steht zwar im Zeichen seiner Zeit, klingt aber deutlich angenehmer als noch bei "Kinder + Narren". Auf die einzelnen Stücke möchte ich hier gar nicht eingehen, aber sehr angenehm fällt immer wieder mal das klasse Zusammenspiel von Lupos Gitarre und Willi Wildschweins Saxophon auf. Bei den Songs an sich handelt es sich um Deutschrock aus der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, die Texte hatten sich von Fantasie-Geschichten oder politischem Anspruch frei gemacht und beschäftigten sich losgelöst von jeglichen Korsetten mit ganz unterschiedlichen Themen.

Wenn man Langzeit-Fans bzw. Leute, die auch heute noch mehr oder weniger häufig Grobschnitt hören nach ihrer Lieblings-Platte der Band fragt, werden wahrscheinlich die wenigsten spontan das Album "Fantasten" nennen. Dennoch ist es ein Teil dieser Band sowie ihrer Geschichte und hat deshalb durchaus seine Berechtigung. Wie ich bereits bei "Kinder + Narren" schrieb, muss man sich wahrscheinlich erst mal von der musikalischen Vergangenheit der Band frei machen, um hier die ganze Qualität dieser Tracks zu erkennen. Was sich zumindest teilweise durchaus lohnt. Oder, um es kurz zu machen: "Fantasten" ist deutlich besser als sein Ruf.

Die weiße Vinyl-Scheibe dieses Doppeldeckers ist dann natürlich wieder live und enthält selbstverständlich eine weitere "Solar Music"- bzw. "Sonnentanz"-Version. Speziell von diesem Take aus dem Jahr 1988 in Wuppertal zeigte sich Gitarrist Lupo beim Sichten des Materials sehr begeistert. Zu Recht, denn auch hier ist wieder ein richtig starker Jam gelungen. Und auch "Komm und tanz'" kann in der enthaltenen Live-Version durchaus überzeugen. Soundtechnisch wurden die beiden Scheiben selbstverständlich wieder von Eroc auf Vordermann gebracht und sämtliche bekannten Boni dieser 'Black & White'-Serie (zuätzliche Inlays mit vielen Fotos und Begleittexten, allen Songtexten des Studioalbums sowie eine Download-Card) sind ebenfalls wieder enthalten. Und das wars schon fast … aber nur fast, denn eine letzte Party gabs dann noch. Mehr darüber in Kürze hier bei uns in RockTimes.


Line-up Grobschnitt:

Lupo (guitars)
Milla Kapolke (bass, vocals)
Rolf Möller (drums)
Thomas Waßkönig (keyboards)
Willi Wildschwein (saxophone, lead vocals)
Toni Moff Mollo (vocals)

Mit:

Peter Jureit (additional Lynn drums – #A-4,B-4)
Harry 'Stulle' Eller (bass – #C-1,2,D-1)
'Sugar' Lindemann (keyboards – #C-1,2,D-1)

Tracklist "Fantasten":

Side 1:

  1. Auf dem Seil
  2. Fantasten
  3. Unser Himmel
  4. Hallo Mama
  5. Sous le tapis
  6. Mein Leben

Side 2:

  1. Mauerblumen
  2. Komm' und tanz'
  3. Film im Kopf
  4. Der Weg nach Haus

Side 3:

  1. Komm' und tanz' (Live)
  2. Sonnentanz Wuppertal 1988 Part I

Side 4:

  1. Sonnentanz Wuppertal 1988 Part II

Gesamtspielzeit: 19:36 (Side 1), 19:50 (Side 2), 20:26 (Side 3), 22:19 (Side 4), Erscheinungsjahr: 2019 (1987)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
News
Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>