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Grobschnitt / Jumbo (mit deutschen Texten) – LP-Review

Grobschnitt - Jumbo (mit deutschen Texten) - LP-Review

Nachdem im Jahr 1972 das gleichnamige Debütalbum und 1974 Ballermann (mit der Originalversion des Stückes Solar Music, das sich über zwei Albumseiten erstreckt) erschienen waren, stand mit "Jumbo" bereits ein Jahr später das dritte Werk der Hagener Band Grobschnitt in den Plattenläden. In den nächsten Monaten entstand dann – auch aufgrund der Tatsache, dass sich Rockmusik mit deutschen Texten immer mehr durchsetzte – die Idee, die Scheibe noch einmal mit deutschen Lyrics zu veröffentlichen. Zugute kam den Westfalen dabei, dass die Originalversion von "Jumbo" nicht live mit Gesang, sondern getrennt davon aufgenommen wurde, sodass für das neue Format lediglich noch der Gesang für die Fertigstellung anfiel. Eroc schrieb die Texte um und im Januar 1976 ging lediglich 'Willi Wildschwein' alias Stefan Danielak noch einmal für drei Tage ins Studio, um seinen Gesang aufzunehmen.

Grobschnitt hatte sich zwar schon sehr früh einen hervorragenden Ruf als Live-Band erarbeitet, sodass die Konzerte immer sehr gut besucht waren, aber bei den Plattenverkäufen lief es damals längst nicht so prickelnd. Mit der deutschen "Jumbo"-Version machte das Quintett aber auch auf diesem Sektor einen großen Schritt nach vorne. Als Opener diente eine kurze 'Unglücksfall'-Einlage, die sehr bald aber schon in einen der Kultsongs der Band, "Vater Schmidt’s Wandertag", übergeht. Schön krautig/proggig geht hier zur Sache, gespickt mit jeder Menge (sozial-) politischen Anspielungen und Wortwitz. Unterlegt von Volker Kahrs' feinen Keyboardteppichen kommt die Nummer unheimlich melodisch rüber, eigentlich schon ein krasser Gegenpol zu den kritischen Lyrics. Bei "Der Clown" wird die kontroverse Geschichte über die Show im Zirkuszelt und die Wahrheit im Leben eines Spaßmachers erzählt. Musikalisch wird das sehr hohe Level von"Vater Schmidt…" gehalten, sodass die erste Seite dieses Albums auf voller Länge überzeugt.

Atmosphärisch sehr dicht und im melancholischen Bereich angesiedelt eröffnet "Traum und Wirklichkeit" die zweite Seite. Neben dem Gesang ist es hier vor allem Lupos Gitarre, die das Stück dominiert. Vielleicht nicht der beste Track auf der Scheibe, wenn er auch durch neue Sounds wie den Einsatz eines Synthesizers durchaus interessante Akzente setzt. Ob er deshalb, oder wegen seiner Laufzeit bei den Live-Versionen auf der zweiten Scheibe des Doppel-Vinyls fehlt, sei mal dahingestellt. Richtig klasse sind dann wieder die knapp elfeinhalb Minuten von "Sonntag’s Sonnabend". Gemütlich – wie dieser Tag ja auch oft ist – beginnt der Titel, schafft es aber sehr schnell bereits wieder, das Kopfkino des Hörers in Gang zu setzen. Auch hier ist der Text von einer gewissen 'Schwere', einer gewissen Melancholie und Nachdenklichkeit geprägt. Die emotionale Tiefe ist also weiterhin gegeben, was aber nichts daran ändert, dass man sich von der sehr starken Musik davon tragen lassen und einfach nur genießen kann. "Auf Wiedersehen" ist dann noch eine kleine witzige Abschiedsrede, die ein sehr starkes Album beschließt. Darüber hinaus konnte ich mich mehrfach des Gefühls nicht erwehren, dass die Band mit dieser Scheibe vollkommen ihren Stil, ihre Ausrichtung gefunden zu haben schien. Nicht, dass ich im Vergleich zu den beiden Vorgänger-Alben von besser oder schlechter reden will, insgesamt gesehen war "Jumbo" bis dahin allerdings die in sich stimmigste Platte der Band.

Auf dem zweiten (diesmal weißen) Vinyl finden wir zunächst drei der vier Tracks des Albums in Live-Versionen, aufgenommen bei Konzerten im Januar sowie Februar 1977. Den Anfang macht "Vater Schmidt/Father Smith", hier englisch gesungen. Eine gute Minute länger als die Studioversion und selbstredend noch etwas 'lebendiger' als im Studio. Stark! Da lässt sich natürlich auch "The Clown" (teilweise auf Englisch, teilweise auf Deutsch gesungen) nicht lumpen. Fast schon schade, dass diese Nummer im Vergleich zu einigen anderen mit knapp sieben Minuten relativ kurz geraten ist. Eine super Zugabe erwartet uns dann noch nach der ebenfalls großartigen Live-Version von "Sunny Sunday’s Sunset" in Form des Songs "Sonnenflug", der damals (1976) wohl nur als Single erschien. Herrlich von der Orgel und wunderschönen Gitarren-Melodien getragen bringt 'Willi Wildschwein' dann einen weiteren guten deutschen Text aufs Band. Witzigerweise musste ich bei der Stilistik des Gesangs und des Textes öfter mal an die damals ostdeutschen Bands Karat und City (zur damaligen Zeit) denken, was aber eventuell nur mir so gehen mag.

Wie die beiden vorherigen Alben kommt auch "Jumbo…" in der Ausstattung mit zweimal 180g-Vinyl (einmal schwarz und einmal weiß), zweimal 4-seitige Booklets in LP Größe mit Fotos und Songtexten, Gatefold-Package sowie Download-Voucher daher. Dieser erste Schub an Neuauflagen der Grobschnitt-Alben darf also mit Fug und Recht als voller künstlerischer Erfolg an allen Fronten gewertet werden. Weiter so!


Line-up Grobschnitt:

Stefan 'Wildschwein' Danielak (rhythm guitars, acoustic guitars, lead vocals)
Joachim H. 'Eroc' Ehrig (drums & percussion, electronics, additional vocals)
Gerd O. 'Lupo' Kühn (lead guitars)
Wolfgang 'Hunter' Jäger (bass)
Volker 'Mist' Kahrs (piano, organ, mellotron, synthesizer)

Tracklist "Jumbo (mit deutschen Texten)":

Side 1:

  1. Jupp (0:11)
  2. Vater Schmidt’s Wandertag (9:38)
  3. Der Clown (6:52)

Side 3:

  1. Vater Schmidt/Father Smith (10:47)
  2. The Clown (6:54)

Side 2:

  1. Traum und Wirklichkeit (5:24)
  2. Sonntag’s Sonnabend (11:27)
  3. Auf Wiedersehen (0:43)

Side 4:

  1. Sunny Sunday’s Sunset (11:46)
  2. Sonnenflug (4:03)

Gesamtspielzeit: 16:45 (Side 1), 17:38 (Side 2), 17:43 (Side 3), 15:51 (Side 4), Erscheinungsjahr: 2017 (1976)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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