Grobschnitt / Merry-Go-Round – DLP-Review

Wie schon im Review zu der Scheibe Solar Music Live angedeutet, wurde damit in gewisser Weise eine Ära in der Karriere von Grobschnitt beendet. Übrigens von der Band selbst und das auch ganz bewusst. Die letzten Alben (das oben genannte, aber auch Rockpommel’s Land sowie Jumbo) liefen mittlerweile sehr gut und erfolgreich, in den Polls der Musik-Zeitschriften räumte die Band Preise ab und die Konzerte waren ausverkauft. Dennoch war jedem der Musiker klar, dass neue Wege hinsichtlich des Sounds und der Songs gegangen werden mussten. Das äußerte sich dann gleich in mehreren Punkten, wobei der bemerkenswerteste wohl ist, dass die Zusammenarbeit mit der deutschen Studio-Legende Conny Plank nicht mehr weitergeführt wurde. Stattdessen ging die Band nach sechs Monaten des Komponierens und Probens nach Hamburg in die Rüssl Studios (des Komödianten Otto), um "Merry-Go-Round" dort aufzunehmen. Das Label hatte einiges an Budget zur Verfügung gestellt, sodass sich die sechs Musiker entspannt an die Arbeit machen konnten.

Sechs Musiker? Ja, genau, denn zu dem unveränderten Quintett war nun der bisherige Roadie Toni Moff Mollo zum vollwertigen Bandmitglied (musikalisch als weiterer Sänger) befördert worden. Bezüglich der Lyrics bewegte sich die Gruppe weg von den märchenhaften Texten der letzten Jahre und beschäftigte sich kritisch mit den aktuellen Problemen der Nation und musikalisch wirkt "Merry-Go-Round" rockiger, etwas 'heller' auf der Höhe der Zeit. Auch die Tracks sind im Schnitt kürzer, während sie sich in einer Spanne von 4:41 Minuten ("Coke Train") bis 8:32 Minuten ("Du schaffst das nicht") bewegen. Die Songs sind nach wie vor klasse, angefangen mit dem Opener "Come On People" über den etwas schleppenderen Titelsong bis hin zu dem ironischen "A.C.Y.M.", das sich offensichtlich auf die Nummer "Y.M.C.A." der damals so angesagten Disco-Gang Village People bezieht.

Die zweite Seite bzw. der Track "Du schaffst das nicht" wird von einer dramatischen Kirchen-Orgel eröffnet, bevor mit einer fernöstlichen Melodie weitergemacht wird und schließlich Lupos Lead-Gitarre das Zepter übernimmt. Der komplette Text besteht hier aus den Worten »Du kannst das nicht, du schaffst das nicht, lass' das sein!« sowie einer kleinen Jodel-Einlage. Gefolgt von einem der besten Tracks der Scheibe, "Coke Train". Sehr starker Gesang von Wildschwein hier, eine coole Orgel und ein insgesamt absolut gelungener Rock-Song. Den Abschluss des Original-Albums stellte dann das etwas softere, aber immer noch rockende "May Day" dar, das neben neuen Einflüssen von den Keyboards nochmal eine kräftige Gitarre und coole Gesangsmelodien auffährt.

Wie es bei dieser Neuauflage des Grobschnitt-Katalogs schöne Gewohnheit ist, gibt es natürlich auch zu "Merry-Go-Round" ein zweites Vinyl in weißer Farbe, das mit Live-Aufnahmen aus der damaligen Zeit gefüllt ist. Gestartet wird mit einer der für die Band typischen Show-Einlagen, bevor das Stück dann lebhaft zum Besten gegeben wird. Vier der sechs Titel des Studio-Albums kommen hier noch einmal zum Zuge, dazu die kurze Show-Nummer "Die Säule der Nation" und außerdem der Titel "Koblenzer Sinfonie". Das Artwork des Covers ist bärenstark und natürlich kommen auch bei diesem Album wieder die zusätzlichen Boni in Form des Download-Codes und zwei weiteren Beilagen in LP-Format-Größe mit vielen zusätzlichen Infos. Wunderschön gemacht und sehr lobenswert zu erwähnen ist auch, dass man hier erneut einen echten Gegenwert für den gezahlten Preis bekommt.

"Merry-Go-Round" hatte sein Ziel – einen neuen Sound und eine leicht geänderte Stilistik zu kreieren – absolut erreicht und blieb dennoch auf einem sehr hohen Niveau. Die Scheibe gehört nach wie vor zu einer der stärksten der Band-Geschichte und stellt einen starken Übergang in die achtziger Jahre dar. Was in dem neuen Jahrzehnt kommen sollte, waren neben des nach und nach Auseinanderfallens der Original-Band die nicht mehr unbedingt besten Arbeiten von Grobschnitt. Aber dazu mehr, wenn der nächste Schwung dieser Vinyl-Serie erscheinen wird.

Line-up Grobschnitt:

Eroc (drums, hysterical voices)
Lupo (acoustic guitars, lead guitars, background vocals)
Mist (keyboards, background vocals)
Popo Hunter (bass)
Wildschwein (rhythm guitars, lead vocals)
Toni Moff Mollo (additional vocals)

Tracklist "Merry Go Round":

Gesamtspielzeit: 19:25 (Side 1), 21:07 (Side 2), 20:28 (Side 3), 19:40 (Side 4), Erscheinungsjahr: 2017 (1979)