«

»

Grobschnitt / Volle Molle – DLP-Review

Grobschnitt - "Volle Molle" - LP-Review

Sowohl die Presse, als auch die Fans waren 1980 eher überrascht, dass mit "Volle Molle" das zweite Live-Album der Band Grobschnitt innerhalb von nur zwei Jahren erschien. Wobei dies, wie wir heute wissen, aus Gründen der Überbrückung geschah. Nach dem letzten Studioalbum Merry-Go-Round ging die Band auf eine weitere ausgedehnte Deutschland-Tour, sodass man hinsichtlich des neuen Albums "Illegal" schlicht und ergreifend noch nicht so weit war, dass die Arbeiten daran auch nur annähernd abgeschlossen waren. Bei dieser 1979er Tour wurde wie üblich fast jedes Konzert mitgeschnitten und Drummer Eroc hatte im Januar 1980 im Studio dann die Qual der Wahl, die besten bzw. geeignetsten Stücke heraus zu fischen. Erwartungsgemäß bestand das Programm zu einem Großteil aus den Tracks von "Merry-Go-Round", aber selbstverständlich gab es auch andere Stücke auf die Ohren.

Nach dem beginnenden kurzen Sketch "Kleiner Häuptling Großer Bär" von Toni Moff Mollo, überzeugt anschließend das sehr gute "Snowflakes". Die episch angelegte Nummer wird von dem warmen, von Keyboarder Mist gelegten Teppich getragen und Wildschwein macht eine klasse Figur vor dem Mikro. Hunter (bzw. Popo) am Bass und Eroc an den Drums sorgen für den Rhythmus und Lupo für die feine Solo-Gitarre. Wie vom Studiowerk bekannt, wurde mit "A.C.Y.M." die amerianische Pop-Band Village People und deren damaliger Smash-Hit ("Y.M.C.A.") auf die Schippe genommen. So wie es auch sein soll, hat das Stück der Studioversion natürlich einiges an Lebendigkeit voraus. Die Band funktionierte zu diesem Zeitpunkt wie ein Uhrwerk und die Musik sowie auch die schauspielerischen Einlagen (dazu später mehr) kamen auf den Punkt genau. Den Abschluss der ersten Seite bildet das über zehnminütige "Wuppertal Punk", das aber zu einem großen Teil aus der Vorstellung der Band- und Crewmitglieder besteht.

Was für einen Spaß die Band auf der Bühne (und sicher auch die Zuschauer davor) hatte, macht dann nach dem kurzen "Waldeslied" (mit zwei Akustik-Gitarren) die "Coke Train-Show" klar. Das Ganze ist eine einzige Rumalberei, die live an diesem Abend ganz sicher auch richtig gut kam. Wenn man jedoch keine Bilder dazu hat, lässt die Nummer den Hörer doch etwas ratlos zurück. Die Entschädigung erfolgt jedoch umgehend mit knapp 16 Minuten Rockpommel’s Land, dem Prunkstück des eigentlichen Albums. Bei der Vorbereitung der Tour hatte Grobschnitt beschlossen, ihr Live-Schlachtross "Solar Music" (hier "Solar Music Powerplay Köln" genannt) etwas zu straffen und zu variieren. Womit wir auf Seite 3 und auch 4 der Scheibe angekommen wären, die die Version dieses Titel vom 15. November 1979 in Köln enthält. Nach einer etwas dramatischen Ansage merkt man direkt an der flotten Gitarre und den kräftigen Drums, dass sich etwas getan hatte.

Und die Nummer rockt tatsächlich umgehend geradeaus nach vorne. Selbstverständlich gibt es auch hier immer wieder Momente zum Durchatmen, aber diese Version ist dann doch deutlich kompakter und kraftvoller, als alle mir bisher bekannten vorherigen. Psychedelische Parts sind nach wie vor vorhanden, werden von den rockenden (auch weil Keyboarder Mist hier weniger dominant in Erscheinung tritt) aber überwogen. Sehr intensiv und richtig klasse! Den Abschluss bilden dann "Merry-Go-Round" sowie "May Day", die bereits auf der Studioversion sehr gut kamen, in den Live-Fassungen aber natürlich ebenfalls von dem Adrenalin auf der Bühne profitieren.

Das Hauptaugenmerk der Band lag bei diesem Album vor allem darauf, die Live-Atmosphäre und die Kommunikation mit den Fans sowie die Show und Albereien auf der Bühne einzufangen. Was ihr auch gelungen ist. Jedoch stellt sich "Volle Molle" dann letztendlich mehr wie eine Momentaufnahme einer sehr erfolgreichen Tournee dar. Klar sind das letztendlich alle Live-Alben, Neueinsteigern würde ich jedoch auf jeden Fall zunächst die Klassiker-Alben von Grobschnitt empfehlen. An Solar Music Live kommt dieses Album auf jeden Fall nicht wirklich heran, selbst wenn die Gewichtung der Band hier eine andere war.

Als Teil der Black & White-Serie der Neuveröffentlichung der Grobschnitt-Alben kommt natürlich auch "Volle Molle" mit einmal schwarzem und einmal weißem Vinyl, vielen Fotos, Text und Beilagen im Inlay sowie obendrauf noch dem Download-Code. Dazu kommt, dass der Sound dieser von Eroc remasterten Vinyl-Version einwandfrei ist. Wie immer bei diesen Neuauflagen ein rundum gelungenes Package!


Line-up Grobschnitt:

Eroc (drums, electronic effects)
Lupo (lead guitars)
Mist (keyboards)
Popo [Hunter] (bass)
Toni Moff Mollo (show acts, lighting design, vocals)
Wildschwein (rhythm guitars, vocals)

Tracklist "Volle Molle":

Side 1:

  1. Kleiner Häuptling Großer Bär (0:36)
  2. Snowflakes (4:03)
  3. A.C.Y.M. (6:38)
  4. Wuppertal Punk (10:05)

Side 3:

  1. Solar Music Powerplay Köln Pt. I (21:22)

Side 2:

  1. Waldeslied (2:33)
  2. Coke Train-Show (3:16)
  3. Rockpommel’s Land (15:44)

Side 4:

  1. Solar Music Powerplay Köln Pt. II (8:01)
  2. Merry-Go-Round (7:27)
  3. May Day (7:37)

Gesamtspielzeit: 21:28 (Side 1), 21:37 (Side 2), 21:22 (Side 3), 23:09 (Side 4), Erscheinungsjahr: 2018 (1980)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
News
Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>