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Guitar Heroes Festival / Festivalbericht, 20.09 bis 22.09.2024, Joldelund

Großes, längliches Haus an der Bahnhofstraße = Haus der Familie Lorenzen

Strahlender Sonnenschein, fliegende Kühe, feuchte Augen und ein erleuchteter Dachboden

Prolog:

Irgendwo im Nirgendwo Nordfrieslands gibt es die Bahnhofsstraße. Spötter machten sich schon immer darüber lustig, dass weit und breit nicht der Hauch eines Bahnhofs zu entdecken sei.

Französisches Auto in der Mauer

Französisches Auto in der Mauer

An dieser Bahnhofsstraße liegt eigentlich nichts, außer Bäumen, Weiden, Natur. Doch plötzlich taucht dann dieses große, längliche Haus auf, in dessen Mauer ein französisches Autofabrikat steckt, als wäre jemand mit 200 Sachen aus einer Kurve geflogen, die jedoch gar nicht existent ist. Unweit dieses Schabernacks steht noch ein Gemäuer … immerhin. Hier werden heutzutage Übernachtungen auf dem Heuboden angeboten, ergänzt durch ein kleines Café.
In früheren Zeiten fungierte es tatsächlich als Bahnhofsgebäude einer Schmalspurbahn, die bis rauf nach Flensburg tuckerte.

In früheren Zeiten war das Schabernack-Ensemble ein Kuhstall mit Heuboden. Heute residiert hier die Familie Lorenzen, ihres Zeichen Bio-Back-Erzeugnis-Versorger für die gesamte Region und Bäckermeister Gerd fungiert nebenberuflich als Konzertveranstalter, der im vollständig umgebauten Dachgeschoss die rockmusikalischen Kühe fliegen lässt, allerdings nur die Kühe, denen er gewogen ist.
Jährliche Highlights sind dabei die beiden 'Guitar Heroes Festival'-Wochenenden, die sich über die gesamten drei Tage erstrecken und dem Headliner die Möglichkeit eröffnen, seine Musik beim sonntäglichen Frühschoppen mit akustischen bzw. abgespeckten Arrangements völlig neu und anders zu präsentieren.

Linienbus einmal am Tag

Linienbus einmal am Tag

Da die Hotelszenerie in einer Gegend, in der ein Linienbus exakt einmal am Tag (nur werktags) verkehrt, ausgesprochen übersichtlich ausfällt, gibt es für die anvisierten Drei-Tages-Gäste die Möglichkeit, auf einer großen Kuhweide zu kampieren, ohne jeden Schnickschnack … back to the roots.

Diese Idylle, die so urige wie ungewöhnliche Location und das stringente Musikprogramm, bei welchem Genre-Freunde des beherzten Blues-Rocks mit Rock’n’Roll- und Soulschlagseite, ergänzt durch zünftigen Classic- und Hardrock, unbesehen immer auf ihre Kosten kommen, haben längst ein Stammpublikum erobert, welches teilweise weite Anreisen in Kauf nimmt und mit Niederländern und Dänen internationales Flair in die Provinz bringt.
International sind auch die gebuchten Bands und in einschlägigen Kreisen hat sich längst herumgesprochen, dass nicht nur jeder einmal im Leben in der Londoner 'Royal Albert Hall' auftreten möchte, sondern auch in 'Gerds Juke Joint' auf dem Dachboden unter nordfriesischem Himmel.

 

Erster Tag – Freitag:

Die Sonne strahlt, zeigt dem meteorologischen Herbst eine sternenförmig lange Nase und pfeift auf die kalendarische neue Jahreszeit, die zwei Tage später auf der Matte stehen wird. Es ist warm, eine leichte Brise spielt mit den verbliebenen Haaren der zögerlich eintreffenden Gemeinde des guten Musikgeschmacks, die heimischen Kühe, die zu dem Zeitpunkt noch nicht fliegen, schauen etwas verständnislos auf das Geschehen und im gefühlten Minutentakt rasen auf der Bahnhofsstraße Wolkenkratzer-große Traktoren vorbei, um das gute Wetter für etwas zu nutzen, was für Großstädter ein Buch mit sieben Siegeln ist.

Es ist Zeit, beim Überzeugungstäter Gerd Lorenzen vorbeizuschauen und King King Tipps für den Soundcheck zu geben. Dabei fällt sofort ins Auge, dass erstmals in der Geschichte der Joldelunder Festivalhistorie ein Bandbus die infrastrukturellen Gegebenheiten sprengt. Die Schotten sind mit einem Nightliner im abenteuerlichen Zustand angereist und der Fahrer muss ein Virtuose seines Fachs sein.
Als Virtuose ist Bandboss Alan Nimmo eher nicht bekannt, aber ganz in Zivil ohne Schottenrock braucht er keine Tipps, um genau zu wissen, wie es später klingen soll.

Eröffnung Gerd Lorenzen, Jess Hayes

Eröffnung Gerd Lorenzen, Jess Hayes

Okay, also zurück ins Camp, Musik aus der Konserve, Grillwürstchen und Hopfenkaltschale, Fachgespräche unter Nerds und Snobisten und dann kann die erste Band des Wochenendes kommen.

Vor inzwischen ansehnlicher Kulisse entert die Connolly Hayes Band die kleine Bühne, was bei sechs Leuten gut eingeteilt sein will. Die gleich im doppelten Sinne junge Band – Lebensalter und Gründung Sommer 2023 – hat im diesmal sehr britischen Reigen den Part des Dosenöffners zugewiesen bekommen und dazu passend ihr frisches Debütalbum "Remember Me" im Gepäck. Sängerin Jess Hayes reüssierte bereits vor vier Monaten im Ensemble von Krissy Matthews auf dem musikalischsten Dachboden Deutschlands und wusste mit hervorragender Gesangsleistung zu begeistern.

Andy Wilder, Frankie Connolly = Chef im Ring

Andy Wilder, Frankie Connolly = Chef im Ring

Hier und heute überzeugen andere. Klarer Chef im Ring ist Frankie Connolly, der sich als gefühlvoller Saitenartist entpuppt, gleichwohl aber fulminant die alte britische Gitarrenschule zelebriert und somit deutlich weniger an Derek Trucks gemahnt, als es zu erwarten gewesen wäre. Die Tedeschi Trucks Band zählt musikalisch unüberhörbar zu den großen Vorbildern und gerade bei deren "Midnight In Harlem" soliert Frankie Connolly anfangs mit zarter Saitenlyrik, greift aber im Verlauf seines Solos immer heftiger in die Saiten und lässt es auf der Zielgeraden derart krachen, dass erstmals die Kühe fliegen.

Richard Clarke überzeugt auf ganzer Linie

Richard Clarke überzeugt auf ganzer Linie

Aber auch sein Saitenkollege Richard Clarke überzeugt im Laufe des Auftritts mit punktuellen Einwürfen auf ganzer Linie. Die Rhythmusfraktion inklusive Taste hält alles schön im Flow. Neben Songs des Debütalbums werden erfreulich eigenständige Coverversionen von Leuten wie Allen Toussaint, Bobby Womack, Ry Cooder oder Little Milton zu Gehör gebracht, was wunderschön die musikalische Bandbreite zu demonstrieren weiß, mit einer sehr gelungenen souligen Grundeinfärbung inkludiert. Während Mr. Connolly auch als Vokalist vollumfänglich brilliert, stellt sich bei der überraschend zurückhaltenden Jess Hayes – die eher mit ihrer Klamotte denn dem Mikro beschäftigt ist – die Frage, warum sie gefühlt derart in der zweiten Reihe steht, obwohl dies physisch gar nicht der Fall ist.

Zander Greenshields der Purple-Freund, Alan Nimmo

Zander Greenshields der Purple-Freund, Alan Nimmo

Diese Frage ist bei King King nicht zu stellen, denn das schottische Quartett mit dem Hang zu Whitesnake, obwohl Tieftöner Zander Greenshields konsequent via T-Shirt Deep Purple zur Schau stellt, steht nicht im Verdacht, Female-Vocals in ihren Sound zu integrieren.

Stattdessen wird im standesgemäßen Kilt in Gestalt von Bandleader Alan Nimmo kernig abgerockt, immer haarscharf an der Kante von Classic- und Bluesrock surfend und mit reichlich Hooks und Riffs garniert.Kritisch darf angemerkt werden, dass es seit nunmehr vier Jahren kein neues Songmaterial mehr gibt, was im heutigen Streaming-Dauerfeuer gewagt erscheint.

Alan Nimmo und sein Bewerbungsschreiben für den Zirkel der Gitarren-Heroen

Alan Nimmo und sein Bewerbungsschreiben für den Zirkel der Gitarren-Heroen

Und so erklingen bei tatsächlich hervorragendem Sound etablierte Highlights wie der Slowblues "A Long History Of Love" mit Alan Nimmos Bewerbungsschreiben für die Aufnahme in den Zirkel der Gitarren-Heroen und einem herrlichen Orgelsolo von Jonny Dyke, während beim 12-minütigen Epos "Stranger To Love" das Publikum getestet wird, ob es wohl bei komplett ausgeschaltetem Gitarrenverstärker respektvoll Ruhe bewahren kann, oder sich nur den Rauschmitteln hingibt … die berühmt berüchtigte Stecknadel ist beim Fallen zu hören, im hohen Norden genießt der Kenner und schweigt.

Dies soll sich an diesem Wochenende noch ändern, dazu aber später.

 

Hier und jetzt beweist Gerd Lorenzen seinen Draht zu den Musikern, denn bei ihm darf es einfach nicht nur Standardprogramm geben. Und so überraschen King King bei der Zugabe mit einer fulminanten Version des Allman Brothers-Klassikers "One Way Out" (Eat A Peach, 1972), bei der Stevie Nimmo als älterer Bruder aus dem Hintergrund tritt und mit seinem 'kleinen' Bruder ein Saitenfeuerwerk entfacht, welches die Frage aufwirft, ob die Band nicht in den Minuten zuvor Potential verschenkt hat?

Zweiter Tag – Samstag:

Die finale Altweiber-Sonne treibt müde Krieger gnadenlos aus den Federn der Schlafsäcke, leckere Bio-Brötchen wecken die Lebensgeister und ein  ausgedehnter Spaziergang in die Wildnis Nordfrieslands offenbart ein in diesen Zeiten selten gewordenes Gefühl, dass hier die Welt noch in Ordnung ist.

Im Basis-Camp gibt es strenge Regeln … kein Bier vor 14:00 Uhr und dann auch nur maximal eines pro Stunde. Dazu geben die Membranen eines teuflischen Produkts aus Berlin ein Playlist-Spezial wieder, was Nachbarn zu der erstaunlichen Reaktion verleitet, die Bitte auszusprechen, lauter zu stellen und … ganz wichtig … damit nicht aufzuhören!

Musikpädagoge Erwin Java

Musikpädagoge Erwin Java

Dem wird selbstredend stattgegeben, aber nur bis es Zeit ist, erneut den Dachstuhl zu erobern, denn es hat sich Guitar-Heroes-Dauergast Sean Webster aus dem – natürlich – Vereinigten Königreich angesagt, diesmal aber in Gestalt des niederländischen Gitarristen Erwin Java mit einer besonderen Praline im Gepäck.

Der ehemalige Herman Brood’s Wild Romance-Gitarrist, von 1986 bis zum Tode von Harry Muskee 2011 Mitglied der wohl legendärsten Bluesrock-Formation des Nachbarlandes – Cuby And The Blizzards – hatte in Corona-Zeiten mit dem raukehligen Briten eine Schreibgemeinschaft begonnen und letztes Jahr als Ergebnis ein gemeinsames Album mit zehn Originalsongs veröffentlicht.

Impulsmusiker Sean Webster beseelt

Impulsmusiker Sean Webster beseelt

Nun bringt ein braungebrannt und erholt ausschauender Erwin Java an der weißen Stratocaster das Ergebnis zusammen mit seinem Kompagnon an der wohltönenden Paula zu Gehör. Ersterer ist dabei nach Aussage eines Mitstreiters des Verfassers mit dem gönnenden und zurückgenommenen Gestus eines Musiklehrers unterwegs, ohne zu ahnen, wie nahe er doch an der Wirklichkeit schnuppert … denn Erwin Java ist Musikpädagoge!

Das unterscheidet ihn auch fundamental vom Impulsmusiker Sean Webster, der sein Herz auf der Zunge und in den Fingern für die Paula trägt und unnachahmlich beseelt den Bluesrock von jeglichen Schablonen befreit.
Mit gleichwohl gefühlvoller wie Rachengold-veredelter Stimme weiß der inzwischen im Heimatland Javas ansässige Brite für sich einzunehmen, interagiert sehr vertrauensvoll mit seinem Saitenpartner, wobei sich durch die beiden grundsätzlich verschiedenen Modelllegenden der E-Gitarre eindrucksvolle Kontrastierungen in Ton und Spieltechnik ergeben, sowohl in der Aufteilung Lead und Rhythmus, als auch im gegenseitigen Schlagabtausch mit kulminierenden Twin-Spiel. Letzteres offenbaren Sean und Erwin besonders eindrucksvoll im 10-Minuten-Song "Hey Woman".

Guus Strijbosch; Bas Mulder ist Akade

Guus Strijbosch; Bas Mulder ist Akade

Neben dem eigenen Material werden auch bruchlos Cover-Versionen eingestreut, die im Falle von "Going Down" (Freddie King/Don Nix, 1971) etwas Überraschungsarm anmuten, während "River Of Tears" (Eric Clapton, 1998) aufhorchen lässt und bestens ins eher sämige Gefüge passt.
Zur Auflockerung lässt es sich Sean Webster nicht nehmen, einen Ausflug zum kleinen Podest zu unternehmen, von dem aus alles filmisch mitgeschnitten wird und die ausgezeichneten niederländischen Begleitmusiker dürfen beispielsweise bei "Crossroads" in der Cream-Variante zeigen, was in ihnen steckt. Dabei sei erwähnt, dass auch Tastenmann Bas Mulder einen musikakademischen Background vorzuweisen hat.

 

 

Die Band Brave Rival – ohne Worte!

Die Band Brave Rival – ohne Worte!

Die Frage des akademischen Grades zerstiebt beim abschließenden Headliner aus Portsmouth (Südküste Englands) von der ersten Sekunde an wie eine Pusteblume im Wind.Was sich hier in den nächsten zwei Stunden abspielt, ist mit Begrifflichkeiten, mit Wort-Jongliererei und -Akrobatik nicht ansatzweise zum Ausdruck zu bringen. Es wird der Rahmen dessen gesprengt, was die bisherige konzertante Erlebniswelt des Verfassers abgespeichert hat und führt damit zu einer einzigen lapidaren Feststellung: »das musst du selbst erlebt haben«!

Ja, aber was?

Der Sturm geht los

Der Sturm geht los

Traumhafter, geradezu in einen hypnotischen Bann ziehender Gesang zweier Leadsängerinnen, die sich fast telepathisch nahe stehen und unglaublich instinktiv aufeinander eingespielt sind.
Beide singen in einer unfassbar guten Qualität mit überdurchschnittlichem Stimmumfang, alle Töne, alle Einsätze sitzen perfekt, der Druck und die Leidenschaft des Gesangvortrags strömen geradezu in die Synapsen des zunehmend begeisterten Publikums.

Zwei Leadsängerinnen mit besonderer Beziehung zueinander

Zwei Leadsängerinnen mit besonderer Beziehung zueinander

Brave Rival sind dabei im Verhältnis zu selbigem noch jung, gründeten sich erst vor fünf Jahren, aber Lindsey Bonnick und Chloe Josephine singen bereits seit fast zwölf Jahren zusammen, was diese fast groteske Mühelosigkeit des Interagierens zumindest ansatzweise erklärt.

Bands mit zwei gleichberechtigten Frontsängerinnen sind in der Musikhistorie selten zu finden, im Genre des Rock und Pop dürfen Heart, Fleetwood Mac und Abba genannt werden, aber nur letztere haben diese Zweistimmigkeit perfektioniert und werden doch hier und heute pulverisiert. Eine, die es wissen muss, bezeichnet das Geschehen an den Mikrofonen vor ihr schlicht als »magic« – Schlagzeugerin Donna Peters gibt nicht nur einen ganz feinen Takt vor, sondern ist auch mit dem sechsten Mitglied des Quintetts verheiratet, der sich unter anderem für den Sound und als Fahrer verantwortlich zeichnet.

Ed 'the Shred' Clarke nominiert für den UK Blues Award

Ed 'the Shred' Clarke nominiert für den UK Blues Award

Als großes musikalisches Vorbild gibt Lindsey Bonnick die Tedeschi Trucks Band an, Chloe Josephine verehrt Aretha Franklin, während Gitarrist Ed 'the Shred' Clarke Guns N' Roses zu seinen Favoriten zählt. Damit ist tatsächlich ein Rahmen umrissen, der ergänzt mit Fleetwood Mac der Post-Peter Green-Ära und Led Zeppelin den Classic-Rock beschreibt, den Brave Rival ganz gewaltig durchlüften.

Die coole Socke Billy 'Danger' Dedman

Die coole Socke Billy 'Danger' Dedman

Dabei zeigt der agile Saitenmann eindrucksvoll, dass er einerseits völlig zu Recht dieses Jahr als 'Instrumentalist of the Year' bei den UK Blues Awards nominiert war, andererseits, dass er seinen Spitznamen auch Lügen strafen kann, denn Saiten-Schredderer würde Gerd Lorenzen niemals auf seinen Dachboden lassen.

Und schließlich besticht Tieftonspezialist Billy 'Danger' Dedman ebenfalls mit einer Konterkarierung seines Namenszusatzes und groovt auffallend bedächtig als coole Socke durch den um ihn herum brausenden Sturm. Damit sorgt er für einen dringend benötigten Ruhepol, der allerdings bei "Whole Lotta Love" der Zeppeline komplett seine Wirkung verliert, so dass der schöne Dachboden einer Naturgewalt gleich zum Cabrio gemacht wird, mit einer verwirrten Kuh am Steuer.

Dritter Tag – Sonntag:

Band-Shirts als Renner, beide Fotografen, Gerd und Gabi Lorenzen

Band-Shirts als Renner, beide Fotografen, Gerd und Gabi Lorenzen

Es darf angenommen werden, dass ursprünglich mehr Musikliebhaber*innen geplant hatten, am Sonntagmorgen die Heimreise anzutreten, aber Brave Rival belehrten am Vorabend einige eines Besseren und räumten nebenbei ganz gewaltig am Merchandise-Stand ab.

Da heißt es jetzt zum Frühschoppen nicht nur unwiderstehliche Bio-Brötchen zu vertilgen, sondern auch die Dutzendfach verkauften Band-Shirts über den spannenden Bierbauch zu streifen, um ein letztes Mal den nun wieder bedachten, Kuh-freien und jetzt komplett bestuhlten Ort des gestrigen Geschehens aufzusuchen. Es sind deutlich mehr Stühle als sonst zu diesem traditionellen Akustik-Gig aufgestellt und es liegt eine greifbare positive Spannung in der Luft.

Was machen diese verrückten Engländer jetzt?

Lindsey Bonnick, Chloe Josephine vor den Dehnübungen, Billy Dedman

Lindsey Bonnick, Chloe Josephine vor den Dehnübungen, Billy Dedman

Chloe zelebriert barfuß Zehenspreizen und morgendliche Dehnübungen, Lindsey ist amüsiert, Donna schüttet sich aus vor Lachen, Billy ist weiterhin coole Socke und Ed beweist seine beeindruckende Fingerfertigkeit auch an der Akustischen.

Donna Peters schmeißt sich weg

Donna Peters schmeißt sich weg

Kam am Vorabend mit einer Ausnahme das komplette zweite Studioalbum "Fight Or Flight" zu Gehör, so gibt es jetzt große Teile des Debütalbums "Life’s Machine" (2022). Die Arrangements sind für die Situation abgewandelt und klingen derart zwingend, dass es eigentlich unvorstellbar ist, diese

Traditioneller Akustikgig

Traditioneller Akustikgig

Songs jemals wieder anders zu hören. Ebenfalls 2022 brachten Brave Rival die EP "The Church Sessions" heraus, aufgenommen in einer Kirche ihrer Heimatstadt und im vollakustischen Gewand, aber diese EP fällt einer nicht für möglich gehaltenen Pulverisierung anheim. Zusätzlich erhalten noch "Heavy" und "All I Can Think About" vom neuen Album ein akustisches Gewand, werden Fleetwood Mac mit "Rhiannon" (1975) geehrt und der Verfasser erlebt nach Harlem Lake eine weitere Interpretation des von Joe Cocker geprägten Titels "The Letter" (The Box Tops, 1967).

Die Sisters in crime in bester Stimmung

Die Sisters in crime in bester Stimmung

Aber die Krönung des Ganzen ist die Vermählung von Chris Stapletons "Tennessee Whiskey" mit Etta James' "I’d Rather Go Blind" – eine hinreißend ausdrucksstarke, emotional das Innerste nach außen kehrende Performance der beiden Frontdamen, die bereits am Vorabend deutlich machten, dass sie seelische Narben aus vergangenen Erlebnissen davongetragen haben und diese durch das gemeinsame Musizieren zu lindern suchen. Da bleibt auf und vor der Bühne im wahrsten Sinne des Wortes kein Auge trocken und die eigene Gänsehaut lässt einen wohlig erschauern.

Doch damit nicht genug … nach einem herrlichen Gitarrenintro wird als Finale nichts Geringeres als Simon & Garfunkels "Sound Of Silence" mit erstaunlich vielen eigenen Ideen in Szene gesetzt, so dass bitte niemals wieder dieser Song anders erklingen möge als in diesem Moment!

 

Da kann nur Geburtstagskind Gerd Lorenzen die Tränen trocknen

Da kann nur Geburtstagskind Gerd Lorenzen die Tränen trocknen

Epilog:

Keine schweigenden Norddeutschen mehr, Standing-Ovation, ein leergefegter, fast komplett ausverkaufter Merch-Stand, gestandene Männer mittleren oder fortgeschrittenen Alters in Tränen aufgelöst, eine fassungslose Helfer*innen-Crew, eine Band, der das Lächeln nur noch mit einem Vorschlaghammer aus dem Gesicht zu entfernen ist und eine Aussage von Geburtstagskind Gerd Lorenzen, die besser als alles andere die unbeschreiblichen Dinge zusammenfasst: »Die Sonne schien in diesem Moment nur auf unsere Hütte!«

Die Bahnhofstraße irgendwo im Nirgendwo Nordfrieslands ist um eine Legende reicher.

Bildnachweis für alle Bilder des Events: [von oben nach unten und links nach rechts] © 2024 Henry Klompmaker (1,6,7,9,19,32,42,43,46,47,58-60,63) | Olaf 'Olli' Oetken (2-5,8,10-18,20-31,44,45,48-57,61,62,64-6) | RockTimes

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

1 Kommentar

  1. Dietmar Michel

    Hallo Olly, krass, du hast meine Eindrücke und Gefühlswelt auf diesem Festival exakt beschrieben, besser geht nicht! VG aus Greifswald, Dietmar

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