Nach den ersten fünf Alben der Band Guru Guru als Trio mit den Konstanten Mani Neumeier und Ax Genrich (sowie Uli Trepte am Bass auf den ersten drei) kam es nach dem Bauchgefühl des Rezensenten für etwa zwei Jahre zu einer Übergangs- bzw. Zwischenphase, die immerhin die Alben "Dance Of The Flames" von 1974 sowie ein Jahr später "Mani und seine Freunde" (der Titel sagt schon alles hinsichtlich eines stabilen Band-Line-ups) hervor brachte. Mit Roland Schaeffer fand Neumeier dann wieder einen 'festen' Bandpartner und die beiden stellten auch die musikalische Ausrichtung neu ein. Die folgenden Studioalben Tango Fango (1976) sowie Globetrotter (1977) genossen seinerzeit von der Presse positives Echo, kamen aber nicht bei allen 'alten' Fans gut an. Aus heutiger Sicht kann der Rezensent aufgrund der spielerischen Klasse der Musiker und auch mehrerer sehr gelungener Tracks den Daumen nur nach oben heben. 1978 ging es dann auf Deutschland-Tour und neben den bereits erwähnten Neumeier und Schaeffer war auch der Bassist Peter Kühmstedt am Start.
Kühmstedt blieb zwar nicht sehr lange und auch Schaeffer stieg 1982 wieder aus, aber exakt dieses Trio stellt seit 1995 durchgehend und bis heute das feste Line-up der Gurus, lediglich der vierte Musiker wechselte in den letzten drei Jahrzehnten immer wieder mal. 1978 ging es also auf Tour und als vierter Musiker war damals der Gitarrist Dieter Bornschlegel (unter anderem Ex-Atlantis) mit an Bord. Die zehn vertretenen Songs wurden in zehn verschiedenen Städten aufgenommen und gerne darf man das damalige Doppel-Album als zweigeteilt einordnen. Bei den ersten sechs Stücken handelt es sich um den zwei Jahre zuvor eingeschlagenen Weg von coolem, groovigen Jazz Rock mit immer wieder mal auftauchenden World-Elementen. Allerdings verdammt gut gemacht und nie langweilig, woran auch Dieter Bornschlegel (etwa bei dem deutlich vom Latin Rock geprägten "Formentera") einen großen Anteil hat.Tatsächlich sticht der Gitarrist auf dem kompletten Album immer wieder heraus und überzeugt musikalisch ebenso wie seine drei Bandkollegen.
'Anschnallen' hieß und heißt es dann aber spätestens ab der zweiten LP des damaligen 'Doppeldeckers', auf der die Band mit dem "Ooga Booga Spezial" (vom Album "Känguru", 1972) loslegt und die 'alten Zeiten' wieder zum Leben erweckt. Schaeffer spielt sich auf seinen Blasinstrumenten fast schon vogelfrei in Ekstase und auch die Gitarre brennt auf diesen knapp elfeinhalb Minuten ein wahres Feuerwerk ab. Inklusive Schlagzeug-Solo und einem Mitsing-Spielchen von Neumeier. Wow, danach muss der Rezensent erstmal wieder auf der Erde landen… aber nix da! Denn gefolgt wird die Nummer direkt schon von der "Elektrolurchmutation" (von "Guru Guru", 1973) in einer abgefahrenen Version, die unter anderem das – beliebte und sicherlich nicht immer ganz ernstgemeinte – Frage-Antwort-Spiel auf die wichtigsten Punkte im Leben von Guru Guru beinhaltet. Mit dem starken "Moroso" schließt sich der einzige Track aus den beiden vorhergehenden Studioalben an.
Die seinerzeit unter dem Namen "Guru Guru Live" erschienene Platte wurde damals von vielen Kritikern abgefeiert und als »Bestes Live-Album des Jahres 1978« bezeichnet, was der Band sicherlich gut tat. Und auch den Verfasser dieser Zeilen können sowohl die damals neuen Stücke, als auch auch die Klassiker durch die Bank überzeugen. Speziell Nummern wie "Ooga Booga Spezial" oder der "Elektrolurch" sind natürlich keine Berieselung für jeden Tag, aber wenn einem der Sinn nach abgespaceter, abgefahrener und musikalisch entdeckungsfreudiger Mucke steht, dann ist man mit "Live ’78" von Guru Guru an der exakt richtigen Adresse. Im Jahr darauf brachte die Band dann mit erneut geänderter Besetzung und "Hey Du" ihr erstes Album, das fast komplett in deutscher Sprache gesungen wurde und auch Elemente aus der Electronic verwendete. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.
Line-up Guru Guru:
Mani Neumeier (drums, kalimba, gong, congas, percussion, vocals)
Roland Schaeffer (guitars, alto & soprano saxophones, percussion, vocals)
Peter Kühmstedt (bass, percussion)
Dieter Bornschlegel (guitars, 12-string guitar, percussion)
Tracklist "Live ’78":
- Transylvania Express
- As Long As The Music’s Flowing
- Formentera
- Conga Jam
- What’s The Matter With The Kids
- Herzflimmern
- Ooga Booga Spezial
- Elektrolurchmutation
- Moroso
- Medicin Man’s Overdose
Gesamtspielzeit: 74:08, Erscheinungsjahr: 2024 (1978)
2 Kommentare
Wolfgang
6. Januar 2025 um 14:31 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Eine kurze Anmerkung:
"Medicin Man’s Overdose", in drei Abschnitten, wird im Booklet mit einer Spielzeit von 7:46 angegeben. Ein Blick auf die Original-Veröffentlichung, die Doppel-LP, weist als Gesamtspielzeit 12:13 aus! Lediglich der "Untertitel", gleichnamig, steht mit 7:46 zu Buche, eben als erster Teil der Suite. Doch tatsächlich weist #10 nur eine Spielzeit von 4:46 auf! Was ist geschehen?
Markus Kerren
7. Januar 2025 um 16:52 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Wolfgang,
ja, gute Frage, was ist da passiert? Kann wahrscheinlich nur das Label beantworten…
Beste Grüße,
Markus