
Die Band Guru Guru wurde bekanntlich 1968 von dem Schlagzeuger Mani Neumeier sowie dem Bassisten Uli Trepte gegründet. Nach einigen wechselnden Gitarristen nahm das Trio dann aber erst so richtig Fahrt auf, nachdem 1970 Ax Genrich die sechs Saiten übernahm. Zu dieser Zeit unterschrieben die drei Musiker auch ihren ersten Plattendeal beim Ohr-Label von Rolf-Ulrich Kaiser. Das Debüt "UFO" (1970) glänzte mit musikalisch-anarchischem Space Rock der abgefahrenen Sorte, bei dem die freie Improvisation nicht nur ein fester Bestandteil, sondern sogar das Konzept war. Ein Jahr später kam "Hinten" auf den Markt, das die musikalische Richtung beibehielt, insgesamt aber etwas geordneter und arrangierter daher kam. Der Dreier war zu jener Zeit auch politisch sehr aktiv und so wurden während der Konzerte in den ersten Jahren immer wieder auch politische Texte verlesen. Aber zurück zur Musik, denn wie oben geschrieben war im Spätsommer 1971 die zweite Platte "Hinten" erschienen, was natürlich mit einer Tour auch beworben werden musste.
Und von dieser Tour stammen die hier zu besprechenden Aufnahmen. Um genauer zu sein, handelt es sich dabei um das Konzert vom 21. September 1971 in der Aula eines Bremer Gymnasiums. Wenn man sich dann die Tracklist anschaut wird gleich klar, was den Hörer erwartet. Guru Guru in ihrer ganzen Pracht zu der damaligen Zeit mit lediglich drei, dafür aber jeweils sehr langen Stücken. Den Anfang macht der "LSD Marsch" (von "UFO"), bei dem sich der Dreier bereits mächtig ins Zeug legt und ein kleines psychedelisches Meisterwerk auf die Bühnenbretter zaubert. "Bo Diddley" (von "Hinten") ist anschließend deutlicher vom Rock und Blues bestimmt und klingt nicht mehr ganz so abgedriftet, wobei man den letzten Halbsatz in Verbindung mit dieser Band und den frühen siebziger Jahren natürlich in einer gewissen Relation sehen muss. Denn Guru Guru waren vollkommen frei von irgendwelchen Zwängen, verschiedene Musikstile wie Rock, Blues und Jazz purzelten in nur einem einzigen Song über- und durcheinander, dass es eine wahre Freude ist.
Diese Freude hört man der Band beim Spielen dann auch deutlich an. Das letzte hier vertretene Stück stammt ebenfalls von "Hinten" und hört auf den Namen "Space Ship". Der Start dieser Nummer klingt dann tatsächlich auch wie der Absturz und Crash eines solchen, während sich der Track dann wieder aufbaut und sich auch die Raumfähre zu Neumeiers abgedrifteten vokalen »Spaaaaace Ship … Spaaaaaace Trip…«-Einwürfen irgendwie wieder zusammenzusetzen scheint. Klasse Gitarren-Sounds von Genrich lassen den Film im Kopfkino des Hörers laufen, der somit in gewisser Weise Augenzeuge von etwas Unglaublichem und Unvorstellbaren wird. Die Gesangseinlagen Neumeiers sind davon abgesehen auf allen drei Songs eher kurz und … äh … anders. Wenn man vom Songtitel der ersten Nummer ausgeht, mag es aber durchaus auch möglich sein, dass sich das Bewusstsein der drei Musiker an jenem Abend nicht unbedingt in der Aula des Gymnasiums befand, sondern sich in durchaus erweiterten Regionen aufhielt.
Nicht verschwiegen werden soll natürlich auch, dass es diese Aufnahmen schon einmal und dazu gleich unter verschiedenen Namen (beispielsweise "Live In Germany ’71" und "Live In Bremen") gab. Der Vorteil dieser neuen Ausgabe bei MiG Music ist allerdings, dass der Sound hier enorm verbessert wurde. Dazu kommt, dass die vorherigen Veröffentlichungen wahrscheinlich auch schon seit Jahren vergriffen sein dürften. Von daher ist "The 1971 Bremen Concert" eine super Geschichte und zählt zu den – zumindest soundtechnisch – besten erhältlichen Live-Aufnahmen Guru Gurus aus dieser frühen Phase. Völlig freie und manchmal ziemlich wilde Drums, ein unbeirrter und geerdeter Bass, der sämtliche Tracks wie ein Anker am Boden hält und vor dem totalen Abdriften rettet und mit Ax Genrich ein lösgelöster Gitarrist, der seiner Gitarre alle möglichen und auch unmöglichen Töne entlockt, dazu ideenreich und variabel agiert. Also gibt es als Fazit gar kein Vertun: Diese Aufnahmen sollten als Pflichtprogramm in jeder gut sortierten Guru Guru-Sammlung stehen, ganz speziell wenn man dieses Line-up der Band und deren Sound aus jener Zeit mag.
Line-up Guru Guru:
Mani Neumeier (drums, vocals)
Ax Genrich (guitars)
Uli Trepte (bass)
Tracklist "The 1971 Bremen Concert":
- LSD Marsch (23:33)
- Bo Diddley (18:10)
- Space Ship (15:57)
Gesamtspielzeit: 57:40, Erscheinungsjahr: 2025 (1971)
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