Zu allererst mal Hut ab vor Mani Neumeier und Guru Guru, einer Band, die im Jahr 1968 gegründet wurde und durchgehend bis zum heutigen Tage am Start ist. Da fallen mir aus deutscher Sicht nicht mehr allzu viele weitere Combos ein. Vielleicht noch Epitaph, aber die waren erstens ein bisschen später dran und hatten außerdem auch mal knapp zwanzig Jahre Pause, bevor es zur Wiedervereinigung kam. Gesunde 55 Jahre Bandgeschichte also, wobei sich zum einen die erste (Alben veröffentlichende) Besetzung mit Neumeier, Uli Trepte und Ax Genrich als sehr beständig und prägend erwies. Aber neben dem einzigen immer aktiven Mitglied Mani sind mit Roland Schaeffer (von 1975 bis 1982 und ab 1995 bis heute) sowie Peter Kühmstedt (von 1977 bis 1979 und ab 1993 bis heute) zwei weitere ganz feste Konstanten zu verbuchen. Die drei letztgenannten Musiker haben nun mit "Three Faces Of Guru Guru" eine 3-CD-Box herausgebracht, deren Zusammenstellung sie selbst vorgenommen und außerdem in drei Genres aufgeteilt haben.
Der erste Silberling läuft unter dem Motto 'Rock' und zeigt die Band von einer Seite, mit der man sie vielleicht am wenigsten (zumindest weniger, als mit 'Space-' und 'World Music') in Verbindung bringt. Aber dass die Jungs auch mal so richtig einen geradeaus auf die Zwölf loslassen konnten und können dürfte jedem bekannt sein, der sich bereits etwas intensiver mit dem Schaffen der Gurus befasst hat. Klasse Tracks wie "Moshi Moshi", "I Am Rolling Through The City", "Electric Junk" oder "Rock’n’Roll Machine" (um nur mal ein paar wenige zu nennen) sprechen für sich und glänzen zwischendrin auch immer wieder mit einem unwiderstehlichen Groove ("Dös war i"). Apropos "Dös war i", nicht vergessen zu erwähnen will ich auch, dass Guru Guru immer auch einen ganz eigenen Humor hatte, der natürlich speziell bei den Songs mit deutschen Texten (wie beispielsweise auf dem Album "Hey Du" von 1979) zum Tragen kommt.
Weiter geht es mit der zweiten CD und dem Oberbegriff 'Space', die momentan der Favorit des Rezensenten ist, wobei das nächste Woche schon wieder ganz anders aussehen kann. "Space Baby", "Dark Blue Star" oder auch "Skylab" … erneut ganz starkes, dazu stilistisch sehr eigenes Material. Und hier tritt dann auch der berühmt-berüchtigte 'Elektrolurch' in einer über elfminütigen Live-Version von 2015 mit dem Titel "Elektrolurch Mutation" in Erscheinung. Ansonsten: Jede Menge abgespacete Vollbedienung in Form von "Galactic Human", "Globetrotter" oder auch "Atommolch". Und obwohl all dies schon eine Erfüllung ist, darf selbstverständlich auch "Der LSD Marsch" aus dem Jahr 1970 keinesfalls fehlen. Hier erleben wir das Trio Neumeier/Trepte/Genrich in seiner vollen Pracht und Stärke. Wenn zeitweise vielleicht auch etwas zu basslastig abgemischt, darf man sich hier auf einen wahren Trip durch die Sphären, in andere Galaxien und wieder zurück, mitnehmen lassen. Nach wie vor ein Hammer!
Der abschließende dritte Teil dieser Zusammenstellung läuft dann unter dem Titel 'World' und bietet weitere elf Tracks auf strammen siebzig Minuten Spielzeit. Hier kann vor allem Roland Schaeffer immer wieder sein Nadaswaram (einer Kegeloboe, die in der indischen Musik sehr häufig zum Einsatz kommt) ganz hervorragend einsetzen. Seit Jahrzehnten ist darüber hinaus die Nummer "Living In The Woods" nicht mehr aus der Live-Setlist der Band wegzudenken. Hier vertreten ist allerdings die Studioversion, bei der es vom Tempo her gefühlt etwas 'gemütlicher' zugeht. Was das Stück allerdings keineswegs schwächer macht, sondern lediglich eine weitere Facette aufzeigt, die ebenfalls klasse ist. Der zweitälteste Song auf dieser Box ist das bereits 1972 entstandene "Ooga Booga" (das auch noch regelmäßig auf den Konzerten gespielt wird), das zunächst rock’n’rollig beginnt und sich dann in einen abgefahrenen Jam entwickelt. Hammer! Auch "Izmiz" stellt ein echtes Highlight dar.
"The Three Faces Of Guru Guru" ist also nicht nur eine hervorragende Compilation, die den großen musikalischen Horizont der Band sowie ihre Wandlungsfähigkeit und hohe Variabilität zur Schau stellt, sondern durch ihren feinsinnigen Humor auch immer vermitteln konnte, das Leben und auch sich selbst nicht allzu bierernst zu nehmen. Wenn es was zu kritisieren gibt, dann höchstens, dass die frühen Jahre der Band und die allerersten Alben, sprich das Trio Neumeier/Genrich/Trepte, kaum vertreten sind/ist, was aber möglicherweise rechtliche Gründe hat. Dennoch: Diese Box bietet fast vier Stunden lang hervorragende Musik und ist deshalb nicht nur für Fans eine klasse Geschichte, sondern bietet Interessierten sowie bisher Guru Guru-unkundigen Musik-Liebhabern auch einen hervorragenden Einstieg in den Kosmos der Band. Ganz feines Teil!
Tracklist "Three Faces Of Guru Guru":
- Moshi Moshi
- Jet Lag
- A Handy Plus
- Formentera
- Iddli Killer (East)
- For Ivy
- Dös war i
- Was für ’ne Welt
- L. Torro
- Tribes And Vibes
- I Am Rolling Through The City
- Moroso
- Rock’n’Roll Machine
- Inkarnation Stomp
- Electric Junk
CD 2 – 'Space':
- Space Baby
- Dark Blue Star
- Jupiter God
- Skylab
- Globetrotter
- Blue Huhn (Finkenbacher Spätlese Blues)
- Die Verkündung
- Galactic Human
- Atommolch
- Der LSD Marsch
- Elektroluch Mutation
- Tamil Nadu
- Living In The Woods
- Pow Wow
- Izmiz
- Ooga Booga
- Paramashivam
- Taoma
- A Trip To Gurustan
- Nombiri
- Don’t Worry About The Koto
- Das lebendige Radio
Gesamtspielzeit: 72:54 (CD 1), 78:00 (CD 2), 70:25 (CD 3), Erscheinungsjahr: 2023 (1970-2021)
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