Der November gilt als Monat des Graus und der Trauer, ist also ein Monat des Dooms. Neben den Totengedenktagen gibt es auch Positives: das Hammer Of Doom Festival. Hierzu strömten mal wieder gut 1500 Doomer (nicht nur aus Deutschland) in die Würzburger Posthalle.
Wir schafften es leider erst Samstag kurz nach 15 Uhr dort zu sein, womit wir beispielsweise Thronehammer verpassten, die wir sehr gerne gesehen hätten. So waren es nur acht von zehn Bands des zweiten Tages, die wir miterlebten (das ist immer noch genug … vor allem wenn darunter wirkliche Hämmer des Dooms sind).
Wir betraten die Posthalle als Tanith spielten. Hierbei handelt es sich um ein 2017 gegründetes 70er / Hard Rock-Projekt von Russ Tippins von Satan (u. a.). Hat uns ehrlich gesagt nicht so gereizt, daher gab es dann gleich zu Anfang eine Shopping-Runde.
Viel wichtiger waren für uns Messa aus Italien, bei denen hatte ich die aktuelle CD "Feast For Water" letztes Jahr direkt über Bandcamp bestellt, und nun musste dann noch der Vorgänger ("Belfry") mit. Auch live wussten die als Ambient/Drone eingestuften Doomer zu überzeugen. Optisch gar nicht metallisch wirkend, könnte ich mir Messa auch sehr gut vor einem Hipster-Publikum vorstellen (was nicht negativ gemeint sein soll, sondern auf die postmetallische Vorgehensweise hindeutet). Ihre Musik schwankt zwischen ruhigen Tönen und eruptiven Ausbrüchen, teilweise sogar Raserei. Dazu kommt Saras zarte und dann doch kraftvolle Stimme. Sie wirkte live teils etwas zurückhaltend, dann ging sie doch aus sich heraus. Gelungener Auftritt, wenn auch vermutlich nichts für 'Standard-Doomer'.
Wer Doom lieber traditioneller mag, bekam mit Mirror Of Deception verdiente Veteranen aus Deutschland. Seit 1990 mit kleinen Unterbrechungen mehr oder weniger aktiv, brachten die Schwaben letztes Jahr das sehr starke Album The Estuary heraus. Live wurden auch daraus Songs gespielt, neben Klassikern wie "Mirthless" von der "Foregone" (2004). Etwas ungewöhnlich war das finale "Der Student von Ulm", das durch den in Dialekt gehaltenen Text zwar schwer verständlich ist, jedoch einen besonderen Charme hat. Gleiches gilt für die Ansagen von Sänger Siffi, wenn das schwäbisch durchkommt. Er freute sich über viele bekannte Gesichter und trug ein Shirt des von Gitarrist Jochen einst veranstalteten Festivals Doom Shall Rise. Auch wenn es dieses nicht mehr gibt, schön, dass Mirror Of Deception noch aktiv sind und auf einem der Erben des Kultfestivals spielen, dabei keine Alterserscheinungen zeigen, im Gegenteil. In dieser Form können sie gerne noch ein paar Jahre weiter machen.
Danach blieb es mit Lord Vicar recht 'true'. Die Finnen haben ihren eigenen Charme, den sie auch diesem Abend verbreiteten, ihr Doom ist teilweise sehr zäh und wird auf jeden Fall von ihnen gelebt. Dennoch haben wir, da wir die Band bereits einige Mal live erlebt haben, den Auftritt nur halb angesehen und die übrige Zeit für die Mampfpause genutzt. Denn es sollte noch einiges Sehenswerte folgen.
Khemmis aus Denver, Colorado konnten mich schon auf ihren CDs "Hunted" und "Desolation" begeistern. Darauf gibt es eine eigene Mischung aus Doom, Epic Doom, Heavy Metal und einer kleinen Prise Death Metal (stellenweise Growls). Das Ganze kam dann auch live einiges flotter als Lord Vicar. Die beiden Sänger / Gitarristen schienen kleine Duelle auszufechten, sich damit zu Leistung herauszufordern. Da kam ein wenig Hardcore-Energie mit durch. Auf der anderen Seite bieten Khemmis sehr schöne Melodien. Doch jenseits der vordergründigen Harmonie schlummert ein Biest, das manchmal durchkommt, jedoch nie gänzlich ungezügelt freigelassen wird. Gefiel mir live genauso gut wie auf Konserve.
Nochmal Finnland, nochmal teilweise Growls. Auf Swallow The Sun habe ich mich am meisten gefreut, denn momentan höre ich ihre Scheiben mal wieder sehr gerne. Sechs Gestalten, drei davon mit Kapuzen, zelebrierten düstere Klänge in einer Art, die typisch für das Land mit den tausend Seen ist. Keyboardklänge zauberten ein wenig Licht in die Dunkelheit, zerbrechlich wirkende Schönheit, eingebettet in einem Schwall Finsternis. Der teilweise mehrstimmige Gesang hatte eine Bandbreite von Clean Vocals, Growls und Keifen. Genauso wandlungsfähig sind die überlangen Songs. Swallow The Sun machen keine Musik zum Mitgehen, sondern zum darin versinken, sich von den Tönen verschlucken zu lassen. Dementsprechend wirken die sechs eher ruhig und statisch, gehen nicht ab wie Khemmis zuvor. Mag sein, dass dies manchen zu wenig rockt oder zu kontrolliert wirkt, es ist weniger zum Zusehen, eher vielleicht zum Augen schließen und wirken lassen. Hier würde vielleicht eine Visualisierung gut passen – immerhin gab es ein schönes Backdrop mit dem Cover der aktuellen CD "When…". Hat sicher nicht allen gefallen, mir auf jeden Fall sehr.
Der Auftritt von Scald stellte die Sensation dieses diesjährigen Hammer Of Doom dar. 1993 hatten die russischen Epic Doomer "The Will Of Gods Is Great Power" zunächst als Tape veröffentlicht, später folgten CD-Neuauflagen und auch Vinyl. Insbesondere seit 2018 gab es neue Versionen und die Band erlangte eine Art Kultstatus. Nach dem Unfalltod ihres Sängers Agyl 1997 hatten sie sich aufgelöst, die restlichen Musiker machten relativ unbeachtet als Tumulus Folk Metal. 2019 nun gab es den ersten Auftritt außerhalb ihrer Heimat, als Sänger fungierte Felipe von Procession. Das ist dann mal international: Russen mit einem Chilenen spielen in Deutschland ein Konzert, das zunächst als exklusiv angekündigt wurden, aber anscheinend gibt es nächstes Jahr auf dem griechischen Up The Hammers eine Fortsetzung. Die entscheidende Frage war: funktioniert das denn? Ja, und ob. Der erfahrene Felipe (der auch schon bei Solstice einsprang) machte seine Sache großartig, er ist nicht nur ein klasse Sänger, der die Melodielinien gut hinbekam, sondern auch als Frontmann wirklich fähig.
Ein Teil der Russen (bis auf den Bassisten) wirkte eher etwas zurückhaltend und schien nicht so genau zu wissen, wie sie die Situation einschätzen sollten, waren jedoch fit an ihren Instrumenten. Es war überhaupt nicht zu merken, dass dies der erste Auftritt als Scald seit langer Zeit war. Alle Befürchtungen von wegen holprig oder das alte Material nicht mehr hinbekommen waren absolut unbegründet. Die Songs haben schon eine eigenwillige Melodieführung (für westliche Ohren), aber genau das macht in diesem Fall den Reiz aus. Von Bathory beeinflusster Epic Doom aus Russland war damals etwas Besonderes und liegt dafür heute im Trend, traf den Geschmack des Publikums, das sich auf Tonträger und Shirts stürzte, von denen schnell nichts mehr da war (da wäre noch deutlich mehr verkauft worden, wenn noch vorhanden). Beeindruckend.
Nach dem 'etwas exotischen Experiment' gab es zum Abschluss fast schon ein Heimspiel. Als Oberpfälzer hatten Atlantean Kodex einen deutlich kürzeren Weg nach Würzburg. Heimspiel war es auch noch in weiteren Aspekten: Nachdem das Debüt The Golden Bough (2010) erschienen war, spielten sie 2010 noch um 15 Uhr. Nun acht Jahre später sollten sie mit ihrem dritten Longplayer "The Course Of Empire" als Headliner mit doppelt so viel Spielzeit wiederkehren. Mittlerweile gerade in den Fanschichten, die auch gerne auf Weinsheimer-Festivals gehen, gefeiert, stand einer erfolgreichen 'Annihaltion von Würzburg', nichts im Wege. Der Auftritt wäre selbst dann ein Erfolg gewesen, wenn er schlecht gewesen wäre, was er aber keineswegs war. Als Alpha-Song (Opener) wurde "The Alpha And The Occident (Rising from Atlantean Tombs)" gewählt, dem sich wie auf der "The Course Of Empire", People Of The Moon (Dawn Of Creation)" anschloss. Sofort war Stimmung und etliche Kehlen sangen Zeilen wie »Holy – Holy – Song of Death and Birth«, was Frontmann Markus Becker erfreut bemerkte. Ja, es war gar nicht nötig, die aktuelle Scheibe (vom September 2019) vorzustellen, sie stand bereits bei vielen zuhause. Dieser Silberling stand im Vordergrund der Setlist, leider wurde "The Innermost Light (Sensus Fidei)" nicht bedacht, das hätte ich gerne gehabt, aber das jetzt nicht wirklich ein Kritikpunkt, ist eben nicht alles möglich. Dafür habe ich mich über "From Shores Forsaken" von den "Pnakotic Demos" gefreut. Doch egal welcher der epischen Songs, es gab immer wieder Momente zum 'Abhailen'. Wie erwartet war der Abend ein Triumphzug für Atlantean Kodex, die spielfreudig und versiert rüberkamen.
Ein gelungener Abschluss eines Tages mit reizvollen Bands, wobei ich die Mischung angenehm ausgewogen fand, sowohl musikalisch als auch von der Herkunft her. Lobenswert auch: die professionelle Umsetzung, schneller Umbau, durchgehend guter Sound. Gerne nächstes Jahr wieder.
Setlist Atlantean Kodex:
- The Alpha And The Occident
- People Of The Moon
- Lion Of Chaldaea
- Chariots
- From Shores Forsaken
- The Atlantean Kodex (Part 1)
- He Who Walks Behind The Years
- Pilgrim
- Sol Invictus
- Twelve Stars And An Azure Gown
- The Atlantean Kodex (Part 2)
- The Course Of Empire
Running Order Samstag:
- 13:00 – 13:45 Thronehammer (GER / UK)
- 14:00 – 14:45 Iron Walrus (GER)
- 15:00 – 15:45 Tanith (UK)
- 16:00 – 16:45 Messa (ITA)
- 17:00 – 17:45 Mirror Of Deception (GER)
- 18:00 – 18:45 Lord Vicar (FIN)
- 19:00 – 19:45 Khemmis (USA)
- 20:05 – 20:55 Swallow The Sun (FIN)
- 21:25 – 22:35 Scald (RUS)
- 22:55 – 00:25 Atlantean Kodex (GER)
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