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Hattler / Velocity – CD-Review

Hattler - "Velocity" - CD-Review

Vor knapp zwei Monaten erst hatte ich Hellmut Hattler mit der Band Kraan live auf dem Finkenbach Festival 2018 erlebt, da schwebt nun das brandneue Hattler-Studioalbum "Velocity" auf meinen Schreibtisch bzw. in meine Anlage. Und logischerweise hören sich die hier vorgelegten elf (bzw. zehn) Songs wieder ganz anders an, denn ansonsten hätte der Ulmer ja nicht ein weiteres Projekt gründen müssen, sondern unter den Schwingen des alten und nach wie vor sehr guten Namens der vorgenannten Combo weitergemacht. Der deutsche Meister der vier dicken Seiten hatte in den letzten Jahren teilweise schwerwiegende gesundheitliche Probleme, was mittlerweile glücklicherweise überstanden scheint. Zumindest auf dem Finki-Festival machte er sowohl auf der Bühne wie auch Backstage einen sehr gut gelaunten und relaxten Eindruck. Wobei wir eigentlich schon bei der neuen Scheibe angelangt wären, die einerseits einen ebenfalls sehr cool-relaxten Eindruck macht, es dabei aber nie versäumt jede Menge Spannung in den Songs aufzubauen.

Als Opener fungiert das mit wunderschönen Melodien ausgestattete Instrumental "Anthem For Approaching Starships", das mit einer tollen Gitarre, feinen Bläsern und coolem Rhythmus versehen wurde, während Hattler selbst im Hintergrund mit dem Bass seine Fäden spinnt. So seltsam sich das vielleicht anliest, aber an manchen Stellen (wenn die Keyboards im Spiel sind) musste ich unweigerlich an das Album "Low" von David Bowie denken. Bei weitem nicht die schlechteste Referenz, wenn ich das mal so sagen darf. Dabei handelt es sich aber nur um einen kleinen Teil dieser Nummer, die ansonsten sehr originell ist und runter geht wie Öl. Direkt im Anschluss dann ein deutlicher Wechsel weg vom epischen Instrumental und hin zu funkiger Pop-Musik mit höllisch geilem Groove. Vor dem Mikro macht Fola Dada bei diesem Titel eine sehr gute Figur und wenn man die komplette Melange zusammen nimmt, hat man es mit einem fantastisch eingängigen und in die Beine gehenden Stück zu tun, nach dem man am liebsten immer wieder auf die Repeat-Taste drückt.

Auch für "Trident" hat die Sängerin Fola Dada die Vocals übernommen und überzeugt erneut bei diesem sehr vielseitigen Track, für den ausschließlich ’natürliche' Instrumente eingesetzt wurden. Warum ich das so schreibe? Weil es im Verlauf der Scheibe auch verstärkt zum Einsatz von elektronischen Beats kommt, die mich zu meiner Überraschung (obwohl ich das eigentlich nicht wirklich mag) bei diesem Album überhaupt nicht gestört haben. Vielmehr tragen sie zu dem scheinbar nicht versiegen wollenden Ideenreichtum des Protagonisten bei. Eine wunderschöne, wenn auch sehr traurige Jazz-Nummer ist "Threshold", während der Joo Kraus (Ex-Tab Two) – der schon davor und ebenso im weiteren Verlauf der Platte durch seine Beiträge sehr positiv auffiel und -fällt – erneut seine ganze Klasse an der Trompete ins Spiel bringt. Nach etwa zwei Minuten zieht das Tempo dann an und führt den Song in eine ganz neue Richtung. Der Rezensent schwankt zwischen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen und großer Anerkennung.

Wenn auch nicht durchgängig im Vordergrund, so ist Hellmut Hattlers Bass auf dem Gesamtwerk dennoch omnipräsent und trägt selbst einen Großteil der Melodien, Grooves und Stimmungen zu den jeweiligen Titel bei. Für ein paar Tracks hat er auch die Lead Vocals übernommen. Dies gehört zwar nicht zu seinen größten Stärken, passt zu den Stücken jedoch ausgezeichnet. Für "Care" war Jan Lindqvist von Guru Guru als Gast an der Lap Steel am Start und trug damit ein weiteres Mosaik-Steinchen zur bemerkenswerten Variabilität von "Velocity" bei. Viele der hier enthaltenen Tracks haben einen melancholischen Anstrich, was aber durchaus auch dem Umstand entstammen könnte, dass Teile des Materials komponiert wurden, als es dem Protagonisten gesundheitlich (und somit sicher auch seelisch) nicht ganz so besonders gut ging. Wobei Melacholie ja aber auch wunderschön sein kann, wie die vorliegenden 54 Minuten zweifelsfrei beweisen.

Ich hatte es anfangs bereits erwähnt: "Velocity" schafft den schmalen Grat, so umwerfend spannend wie auch locker-relaxt zu wirken mit spielerischer Leichtigkeit und geht nicht nur deshalb mit wehenden Fahnen als Gewinner durchs Ziel. Kompliment an den guten Hellmut sowie auch das gesamte Projekt Hattler, die mit diesem Album ein musikalisches Klein-Ode geschaffen haben, das sich auch (aber bei weitem nicht nur) für Rock-Fans lohnt, mal intensiver angecheckt zu werden. Ein herrliches Album, bei dem es viel mehr zu entdecken gibt, als in einem Review aufgeführt werden kann. Alle Daumen nach oben!


Line-up Hattler:

Hellmut Hattler (bass, lead vocals – #6,7)
Fola Dada (lead vocals – #2,3,9, background vocals – #6)
Kay Chee (lead vocals – #4)
Ali Neander (guitars)
Jan Lindqvist (lap steel guitar – #6)
Torsten De Winkel (e-sitar – #10)
Martin Kasper (mellotron, keyboards, grand piano)
Peter Musebrink (e-beats & sounds – #5,7,9,10
Martin Meixner (organ & piano – #6)
Jo Krauss (horn section, trumpet, fluegelhorn)
Moritz Müller (drums – #1,2,4,6,11)
Jürgen Schlachter (drums – #3,5, percussion – #4, xylophone – #1,11)
Oli Rubow (e-beats – #2, drums & percussion – #8,9)

Tracklist "Velocity":

  1. Anthem For Approaching Starships
  2. Teaser
  3. Trident
  4. Threshold
  5. Home Bass
  6. Care
  7. Velocity
  8. Lieblingslied
  9. Mayday In Paradise
  10. Delhi Mail
  11. Anthem For Approaching Starships (Reprise)

Gesamtspielzeit: 54:02, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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