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Haven Of Echoes / The Indifferent Stars – CD-Review

Heaven Of Echoes - The Indifferent Stars

Zugegeben: Haven Of Echoes; das könnte auch der Name einer Wellnessanwendung im Honeymoon-Hotel auf den Seychellen sein. Der Name klingt … ätherisch-esoterisch. Doch keine Sorge: Es gibt keinen noch so winzigen Anlass, das Debütalbum "The Indifferent Stars" nicht ernst zu nehmen. Ganz im Gegenteil: Eine so überraschende Symbiose muss man ernst nehmen. Andreas Hack und Paul Sadler arbeiten zusammen. Hack ist bzw. war das Mastermind hinter den fränkischen Prog-Zauberwerken von Frequency Drift: atmosphärisch, bittersüß und auch schon mal intensiv, aber ganz ganz oft das detailverliebte Gegenteil von 'überladen'. Paul Sadler ist die treibende Kraft der britischen Truppe Spires – kein Prog 'Rock', sondern Prog Metal mit Ausrufezeichen: technisch, heavy, abgedreht und verfrickelt, auch schon mal aggressiv.

Unterm strich ist Haven Of Echoes deutlich(st) mehr Frequency Drift als Spires. Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten, bis auf die stets (in wechselnder Besetzung) weiblichen Lead Vocals würde diese Platte komplett als eine neue von Frequency Drift durchgehen. Andreas Hack hat auch alles geschrieben, arrangiert und produziert – aber Paul Sadler hat alle Texte geschrieben und leiht ihnen auch seine Stimme. Während er bei Spires aber inklusive Growls mehr oder weniger 'alles' in den Gesang gepackt hat, was man sich im Metalbereich nur so vorstellen kann, gibt er sich hier mit ganz viel Leidenschaft den schwarzgefärbt-zerbrechlichen bis hin zu teils explosiv-intensiven Emotionen von Andreas Hacks cineastischen Klang-Sphären hin.

Mit Drummer Wolfgang Ostermann und E-Harfenistin Nerrisa Schwarz sind sogar zwei langjährige Frequency Drift-Weggefährten mit dabei – und all die Trademarks von Alben wie Ghosts und Over. Auch "The Indifferent Stars" besteht größtenteils aus elegischen Klang-Mosaiken mit viel Detail-Feinsinn – meist schmermütig-träge bis mittelschnell, wobei man beispielsweise im Neunminüter "Endtime" auch mal schneller unterwegs ist. Atmosphärisch pendelt die Musik zwischen zerbrechlich und bedrohlich, gespickt mit epischen Breaks. Klänge von Cello, Flöte und Klavier malen hier so manche neblig-dunkle Zauberlandschaft; schwere Gitarren bleiben aber nie lange fern. Sie sind träge, düster, gewaltig. Jeder Ton wirkt.

Die Melodien sind eingängig; und Paul Sadlers Gesang fast schon als sinnlich zu beschreiben. Wie er es schafft, malerisch schön und gleichzeitig intensiv und druckvoll zu singen, ist wirklich beeindruckend. Weil es eben nun ein Mann ist, der den Hack’schen Kompositionen eine Stimme gibt, werden hier und da Assoziationen und Vergleiche möglich, mit Prog Rock-Kollegen wie Sylvan oder Galahad. Mit weiblicher Stimme klang Hack einst ein Stück weit exklusiver … aber was taugt dieser Vergleich am Ende, wenn man wertschätzt, was für eine brillante Gänsehaut-Performance dieser Paul Sadler hinlegt. Außerdem ist es ja eine neue Band: Haven Of Echoes.


Line-up Haven Of Echoes:

Paul Sadler (vocals, guitars – #6)
Nerissa Schwarz (electric harp, keys – #3,5)
Wolfgang Ostermann (drums)
Andreas Hack (all other instruments)

Tracklist "The Indifferent Stars":

  1. Sirensong (6:11)
  2. The Orator’s Gift (4:49)
  3. Stasis (5:31)
  4. Endtime (9:03)
  5. The Lord Giveth … (6:02)
  6. Let Them In (12:15)

Gesamtspielzeit: 43:56, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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