Uih, ein Line-up mit nur einer Zeile, ein echtes Solo-Projekt. Ivan de la Pena wurde 1982 in Madrid geboren und ist seit dem vierten Lebensjahr mit der Musik verbandelt. Dabei eignete er sich früh so viele Kenntnisse und Fertigkeiten an, dass ihn dies heute in die Lage versetzt, sämtliche Instrumente und eben auch den Gesang für sein Solo-Projekt Heart By Darkness allein einzubringen. Einzig die Drums werden auf diesem Album nicht organisch besetzt sein, die Percussion wird elektronisch erzeugt. Nun denn, widmen wir uns "Love’s Evolution Theory", Ivans Debüt und das Resultat vieler Jahre harter Arbeit.
Ein düster melancholisches Instrumental bildet den Auftakt zu einem opulenten und manchmal ein wenig unstrukturierten, progressiven Epos. Die eindrückliche Melodik und tiefgreifende Emotionalität der Gitarre bewegt schon in den ersten Gehversuchen. Hier wird mit sehr viel Herz gespielt, das wird schnell klar und wer eine Theorie über die Evolution der Liebe aufstellen möchte, ist gut damit beraten.
Wenn ich gerade von der nicht immer so ganz klaren Struktur gesprochen habe, darf ich zum Beleg die Abfolge des ersten Aktes ein wenig näher beleuchten. Die zweite Nummer "Ascension" nimmt zunächst einen Hauch von Prog Metal auf, geht dann in "Don’t Fear" in ein eher bluesiges Thema über, welches mit einem ausgesprochen anstrengend wirkenden Falsett-Gesang überlagert wird. Meine Herren, jetzt ist nur ein einziger Musiker am Start und dann trotzdem ein solches Sammelsurium an stilistischen Sprüngen? Hier kann ich ehrlich gesagt der kompositorischen Linie nicht mehr folgen und der Abschluss des ersten Aktes, "For A Hundred Million Years", lässt mich beinahe die weiße Fahne hissen. Hier hört es sich so an, als würde Stefan Koglek zunächst zu poppigen Arrangements eine Art überdreht, moderne Version von "All Allong The Watchtower" singen.
Ich komme nicht mehr mit.
Ein sanftes Piano leitet verträumt in den zweiten Akt und ganz langsam baut sich eine romantische Stimmung auf, beflügelt durch die einsetzenden weiteren Instrumente. Das Thema ist schlicht, aber durchaus gefällig und die mäandernde Gitarre setzt einen schönen Aspekt zum Piano, während es das kurze fiepende Keyboard zum Ende hin eher nicht gebraucht hätte.Und dann ein grandioser Einschlag! Gänsehaut-Vocals wie zu besten Arena-Tagen ("The Visitor") über spärlicher Instrumentalisierung holen mich mit Macht zurück ins Boot. "Let Me" ist eine progressive Ballade mit ganz viel Kraft. Hoch melodisch, aber nicht trivial – das hätte ein Song für einen emotionalen "Schimanski"-Film werden können, meinst Du nicht auch Schimi? Die krächzende, verzerrte Gitarre zum Ende toppt es, das ist mein Song.
"Mortal Pyre" schließt an mit leicht schrägen Vibes und klingt recht alternativ, dann verschärft sich der Duktus mit fetten Riffs und mächtig aufschäumenden Hintergrund-Sounds. Das schöne Piano-Break und der sehr eindringliche Gesang führen abermals in die dichten Hooklines und hier ist der kurze Falsett-Auftritt absolut passend.
Mit angedeutetem Aufmarsch, der mich an Grobschnitts »Blackshirts« in der "Severity Town" erinnert, endet der zweite Akt in einer treibenden und vornehmlich Gitarren-geprägten Nummer namens "Grotesque". Nach hinten verliert die Nummer aber wieder ein wenig an Struktur, werden Gitarre und Keyboards ein wenig belanglos und der Gesang hängt hinter der Strahlkraft der letzten Nummern zurück.
Leider bestätigt sich dieser Trend hinein in den dritten Akt, "No Redeemer" nimmt den Geist seines Vorgängers auf, wird zum Glück aber durch eine sehr schroffe Gitarre ein wenig geerdet. Ansonsten plätschert es aber eher dahin. "What You See" hingegen trumpft mit satten Hooklines und zum Glück wieder kräftigeren Vocals auf. Die Nummer baut eine schöne Intensität auf, die blöderweise gerade durch die synthetischen Percussion-Elemente ziemlich nervig gestört wird. Das ist wirklich schade, denn das Gitarren-Workout im Schlussteil ist eigentlich ein echter Höhepunkt auf dem Album.
Die leicht ambienten Artrocksounds der letzten und mit gut fünf Minuten längsten Nummer "Dark Inside" klingen sehr angenehm, ein sanft treibender Fluss positiver Energie. Wäre da nicht wieder diese Percussion aus der Maschine. Mit organischen Fellen und echten Schlägen würde mich diese Nummer wirklich berühren, die Arbeit an der Gitarre ist Klasse, der Bass gut dagegen gesetzt und hat etwas von "Apocalypse Now", wenn Captain Willard in den Hafen des Bösen einfährt.
Ein Solo-Projekt, von der Komposition bis zur Umsetzung, das nötigt Respekt ab. Das Album hat viele schöne Momente und es hat seine Schwächen. Die Qualität des Gesangs schwankt für meinen persönlichen Geschmack ganz erheblich und auch instrumental gibt es ein auf und ab. Insbesondere die Gitarre erzeugt viele tolle Momente. Das Piano ist Klasse, aber die Keyboards drängen sich aus meiner Sicht nicht immer wirkungsvoll in Szene. Je dezenter sie gesetzt werden, umso effektiver unterstützen sie das Ganze. Der erste Akt ist mir viel zu ungeordnet und chaotisch, ein stilistisches Chaos, als ob man mit aller Macht so viele Stilrichtungen wie möglich implementieren wollte. Der zweite Akt hat hingegen ausdrückliche Highlights. Was die Drums angeht würde ich Ivan dringend empfehlen, sich entsprechende personelle Unterstützung zu suchen und überhaupt könnte eine kompositorische Abstimmung mit anderen Musikern vielleicht für mehr Ausgewogenheit und Stetigkeit sorgen.
So wie es ist liegt uns ein Album vor, auf dem zu viel auf einmal versucht wird, aber ein Stück weit macht ja gerade das auch wieder den Charme und den Reiz dieser Musik aus. Das Potential ist da, ein wenig mehr roter Faden wäre wünschenswert.
Line-up Heart By Darkness:
Ivan de la Pena (vocals, bass, guitars, keyboards, piano)
Tracklist "Love’s Evolution Theory":
- Sankofa
- Ascension
- Don’t Fear
- For A Hundred Million Years
- Bloom
- Let Me
- Mortal Pyre
- Grotesque
- No Redeemer
- What You See
- Dark Inside
Gesamtspielzeit: 44:36, Erscheinungsjahr: 2020
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