Ostern 2022. Nicht nur ein Feiertag / Wochenende im traditionellen Sinne, sondern für viele – auch für uns – dadurch, dass einige Konzerte stattfanden ein Tag zum Feiern. Sogar 'richtige' Konzerte, keine Pandemieveranstaltungen, keine Maskenpflicht, keine Abstandsregelung. Dies gilt auch für den MS Connexion Complex in Mannheim. Auf der Ankündigung stand 3G, das wurde jedoch an diesem Abend nicht kontrolliert, manche trugen eine Maske, freiwillig. Seltsames Gefühl von einer bis auf diese Ausnahme `normalem' Konzert. Wir versuchten dennoch etwas Abstand zu anderen zu haben, waren die meiste Zeit links vorne, teilweise in der ersten Reihe.
Warum das Ganze? Dort spielten am Ostersamstag drei Bands, die auf den ersten Blick recht unterschiedlich sind, jedoch die Gemeinsamkeit haben, dass sie alle drei von ihrer Atmosphäre leben. Ja, und von allen stehen bei uns Tonträger im Regal. Also drei Bands, die wir (gerne) hören für dreißig Euro an einem Abend, das klang vielversprechend und lohnend – und war es auch.
Den Anfang machte um 20 Uhr der Luxemburger Jérôme Reuter, bzw. seine Band Rome. Der Neofolk / Singer Songwriter hatte einen Standschlagzeuger, der auch für Percussion sorgte, dabei, spielte Akustik-Gitarre und sang. Seine angenehme, tiefe Stimme macht den Reiz der ruhigen Songs aus und dominiert diese. Funktioniert das vor einem Metal-Publikum? Ja, tatsächlich, es kam nicht zu einer Massenflucht, sondern der Raum war recht gut gefüllt. Es gab nur nicht Höflichkeits-Applaus, wobei die Begeisterung am größten war als Alan von Primordial auf der Bühne erschien, um mit Jérôme im Duett zu singen. Dennoch denke ich, dass Rome an diesem Abend neue Fans gewonnen haben, manche hörte ich von einer Entdeckung sprechen, andere meinten, es sei gut gewesen, sie wollten das jedoch nicht dauernd hören.
Als zweite Band (wie auch bei vorherigen Heathen Crusades) hätten eigentlich Moonsorrow spielen sollen. So war das 2020 geplant, schon durch die Verschiebung nach 2021 änderte sich das. Nun, 2022, konnten dann auch Naglfar nicht und die Wahl fiel auf Swallow The Sun, was ich sehr begrüßte, weil ich die Doom/Deather einiges lieber mag als Naglfar. Das Tourmotto wurde deswegen von Third Heathen Crusade in Heathen Crusade To Doomsday geändert.
Bei den finnischen Finsterlingen wurde es gleich deutlich voller auf der Bühne, wobei sie zu fünft waren, die Keyboard-Sound kamen aus der Konserve. Schemenhafte Gestalten erschienen im Nebel, teils verhüllt durch die hochgezogenen Kapuzen ihrer Hoodies. Wie auch zuvor beim Hammer Of Doom machten Swallow The Sun einen eher schüchternen, introvertierten Eindruck, lediglich Gitarrist und Bandgründer Juha Raivio ging aus sich heraus, sorgte teilweise für 'Rockstarposen'. Die aktuelle Scheibe "Moonflowers" stand mit vier Songs im Vordergrund der Setlist, darunter auch "This House Has No Home", zu dem kurz vor der Tour ein Video veröffentlicht war. Diese Stück lebt von seinen Kontrasten, nach einer gesprochenen Einleitung (»This house has no home / this home has no heart«) wird es für STS-Verhältnisse ungewöhnlich flott, bevor wieder auf das übliche Tempo gebremst wird. Genau das macht den Reiz daran aus. Gehört für mich zu den Bandhighlights, ebenso wie "Firelight" vom Vorgänger "When a Shadow Is Forced into the Light". Ebenso habe ich gefreut habe ich mich über "Rooms And Shadow" von der "Songs From The North Part 1" mit seinen sehr gefühlsbetonten Zeilen »From the cradle of this life / I bleed upon your holiness / the ones I left behind«. Älteres Material wurde auch bedacht, sogar vom Debüt "The Morning Never Came", nämlich "Swallow. Horror (Part 1)". Swallow The Sun wirken durch ihre Atmosphäre, Ansagen gibt es selten und wenn dann nur mit wenig Text. Hier steht die Musik im Vordergrund, das Eintauchen in die oft ruhigen Klänge, die jedoch immer wieder durch härtere, aggressivere Parts unterbrochen, angenehm aufgelockert werden.
Setlist Swallow The Sun:
- The Fight Of Your Life (Intro)
- Enemy
- Rooms And Shadows
- Falling World
- Stone Wings
- The Void
- New Moon
- Firelights
- Woven Into Sorrow
- This House Has No Home
- Descending Winters
- Swallow (Horror, Part 1)
Headliner Primordial mit Frontmann Alan Averill bzw. A.A. Nemtheanga transportieren Emotionen anders, er kommuniziert viel mit dem Publikum, nach zwei in dieser Hinsicht zurückhaltenden Gruppen fiel dies umso mehr auf. Er freute sich über ein Shirt der kanadischen Thrasher Slaughter im Publikum, fand Becks Bier nicht so sonderlich und lag durch die Tour mit dem Wochentag etwas daneben (»Mannheim on a Friday evening« – nee, das war ein Samstag, wie er gleich gesagt bekam). Außerdem gab es Ansagen und Erklärungen zu einzelnen Songs. "The Coffin Ships", eins der beliebtesten und wichtigsten Stücke von Primordial, mit den ausdrucksvollen Zeilen »young hearts are born with such grief / and we have paid the penalty of truth«, bei dem es um die Hungersnot in Irland und den Aufbruch mit Schiffen in die neue Welt als Flucht davor geht, widmete er den aktuellen Ereignissen in der Ukraine, die für viele Menschen Not bedeuten.
Bei dem flotten, fast schon tanzbaren "To Hell Or Hangman" erzählte er die Hintergrundgeschichte dazu. Natürlich durfte auch der Mitsingteil von "As Rome Burns" nicht fehlen (»sing sing sing to the slaves /sing to the slaves that Rome burns« ).
Allein für diese drei Songs hätte sich schon das Konzert gelohnt. Aber natürlich gab es noch einiges mehr, auch altes, beispielsweise "God To The Godless" von der "Spirit The Earth Aflame" von 2000, die Scheibe, mit der ich Primordial kennen und schätzen gelernt habe. Damals waren die Iren noch mehr 'pagan', während die nachdenklichen Inhalte heute mehr in die gesellschaftskritische Richtung gehen. Primordial stehen und standen für die Leiden des irischen Volkes, berücksichtigen jedoch ebenso die Schwierigkeiten der einfachen Menschen überall, zu allen Zeiten. Die Botschaft ist jedoch nicht nur klagen, sondern auch kämpfen, hoffen, nicht aufgeben. Dies verkörpert durch Musik, die sich irgendwo zwischen Black Metal, Pagan / Folk Metal bewegt, dabei keltische Wurzeln hat. Sie sind schroffer als die anderen Bands dieses Abends, aber nicht weniger eindrucksvoll, im Gegenteil, gerade durch Alan, dem es gelingt, allen im Publikum das Gefühl zu geben, er spielt für jede/n einzelne/n. Zumindest hatte ich den Eindruck, er sah manchmal genau mich an, wollte, dass genau ich mitgerissen werde – was ihm auch gelang, wieder einmal (wenn ich richtig zähle / erinnere, was dies unser viertes Mal Primordial).
Trotzdem, nachdem es schon nach Mitternacht war bis endlich "Coffin Ships" kam, machten wir uns langsam auf den Weg nach draußen. Von daher kann ich nicht beurteilen, ob es ein oder zwei Zugaben gab. Auch ohne diese hatten wir etliche gute Songs gehört, drei unterschiedliche, auf ihre Weise reizvolle Bands gesehen – ein Konzert erlebt, das eines Feiertagswochenendes würdig war.
Setlist Primordial:
- Dark Horse On The Wind (Intro)
- Where Greater Men Have Fallen
- No Grave Deep Enough
- Nail Their Tongues
- The Mouth Of Judas
- Sons Of The Morrigan
- As Rome Burns
- Gods To The Godless
- Wield Lightning To Split The Sun
- To Hell Or The Hangman
- The Coffin Ships
- + Zugabe(n)
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