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Heigh Chief / Midnight Oil – CD-Review

Heigh Chief / Midnight Oil – CD-Review

Das Schwierige ist manchmal so einfach – eine reife Genre-Perle aus dem Süden Norwegens

Wenn ein Rezensent beim mehrfachen Lauschen einer ihm bis dato völlig unbekannten Band aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, wird es schwierig.

Noch schwieriger wird es, wenn sich selbige zu Vierfünftel aus (gerade noch so) Jungspunden zusammengesetzt herausstellt, aus Oslo stammt und dabei klingt, als würden die alten Little Feat zu Lowell George-Zeiten zusammen mit einem gemäßigten Anders Osborne irgendwo im Süden der USA eine konzentrierte Session veranstalten. Und wenn dann noch im Verlauf der Hörproben eine etwas abgespeckte Tedeschi Trucks Band in selbige Session einsteigt und beim Musizieren gegenüber den genannten Genre-Größen kein Qualitätsabfall zu bemerken ist, macht sich ungläubige Fassungslosigkeit breit.

Wer kennt noch die sehr kurzlebige Supergroup Little Village mit John Hiatt, Ry Cooder, Nick Lowe und Jim Keltner? Wenn sich gedanklich noch ein Brian Auger hinzugesellt, sind Heigh Chief gefühlt tatsächlich nicht weit entfernt … nur trotz ihrer nördlichen Herkunft in einer Art 'Southern Americana' verankert.

"Midnight Oil" ist ihr immerhin schon drittes Studioalbum, aufgenommen in Leif Johansens Osloer Stable Studios, welcher auch als Produzent für einen schlackefreien, aber trotzdem wunderbar vollen und differenzierten Sound verantwortlich zeichnet und der Band als Texter unter die Arme griff. Nebenbei bemerkt, betreibt er das Studio bereits seit 20 Jahren und arbeitete unter anderem mit Anni-Frid Lyngstad (die AbbaFrida), Morton Harket (a-ha) oder Rebekka Bakken zusammen.
Die vier Endzwanziger, welche sich aus gemeinsamen Tagen auf der Musikhochschule kennen, werden durch den wohl derzeit besten Organisten Norwegens kongenial ergänzt. Lars Christian Narum veröffentlicht bereits seit 1993 und ist zusätzlich noch in drei anderen Bands aktiv.

Herausragend ist das gefühlvolle, harmonisch ineinander verzahnte Zusammenspiel, der Einsatz der Instrumente läuft zu keinem Zeitpunkt Gefahr, reinem Selbstzweck zu dienen, sondert ordnet sich dem Großen und Ganzen unter … selbst die punktuell mehrstimmigen Gesangspassagen sitzen wie ein Maßanzug, wobei Sterilität bei dieser Produktion ein Fremdwort ist. Auf jubilierende Slide-Einwürfe, schwungvolle Mandolinen, federnd rhythmisch groovendes Schlagzeugspiel, ganz leicht angejazzte Hammond-Läufe oder gar eine springsteensche Harp-Einlage muss nicht verzichtet werden. Eine spielfreudige und federleichte Virtuosität ohne jede Selbstgefälligkeit … das ist eine reife Leistung!

Neun der zehn Songs sind Eigenbauten, insgesamt eher auf der ruhigen, melodischen Moll-Seite angesiedelt, aufregend unaufgeregt in der interpretatorischen Darbietung und jeder einzelne ein Kleinod für sich. Das gipfelt schließlich in "You Got Something", dem wohl besten Song, den die Tedeschi Trucks Band bisher nicht gemacht hat. Zum krönenden Abschluss gibt es mit "Crazy Love" eine Kostprobe aus dem umfangreichen Van Morrison-Katalog (Moondance 1970), welche in ihrer Umsetzung selbst den nordirischen Dauer-Grantler milde stimmen dürfte.

Fazit: Reinhard Holstein gräbt für sein Mini-Label 'Juke Joint 500' eine weitere Perle für alle Freundinnen und Freunde handgemachter Musik des amerikanischen Südens aus. Bisher gab es "Midnight Oil", welches noch vor Corona im Dezember 2019 entstand, dann aber im späten Frühjahr 2020 aus bekannten Gründen nicht mehr promotet werden konnte, in vinyler Form lediglich bei der Band selbst zu erstehen und im Streaming zu entdecken … ab dem 17. September 2021 winkt jetzt eine auf 500 Exemplare limitierte Vinyl-Edition in gelb(!) und ein Silberling mit achtseitigem Booklet.

'Southern Americana' aus dem Süden Norwegens in dieser qualitativen Ausprägung – da muss sich der Rezensent angesichts der Eingangszeilen revidieren und ganz trocken konstatieren: Tipp, ganz einfach!


Line-up Heigh Chief:

Marcus Løvdal (vocal, backing vocals, guitar, acoustic guitar, slide guitar)
Bjørn Blix (vocal, guitar, slide guitar, mandolin)
Jonatan Eikum (drums, percussion)
Lasse Kulsrud Nordby (bass, backing vocals)
Lars Christian Narum (hammond organ, piano, harmonica)

Tracklist "Midnight Oil":

Midnight Oil (3:26)

Kick It (3:46)

Half A Heart (3:22)

Tailor Made (3:17)

Spare A Dime (3:45)

Caroline (4:18)

Change Of Heart (4:22)

You Got Something (3:51)

Coming Home (2:48)

Crazy Love (4:00)

Gesamtspielzei:36:55, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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