In der ersten Hälfte der 2000er schien das TV-Format "Rockpalast" des Westdeutschen Rundfunks den Krautrock wieder für sich entdeckt zu haben. Ende 2004 gab es gar ein mehrtägiges Festival mit Auftritten 'alter Helden' wie Peter Panka’s Jane, Amon Düül II, Guru Guru, Epitaph, Karthago oder Birth Control und im Folgejahr schien es gerade so weiter zu gehen. So hatte sich für viele eher überraschend die Formation Hoelderlin noch einmal zusammen gefunden, die original in den Jahren von 1970 bis 1982 aktiv war und sich anschließend auflöste. Nachdem Anfang 2005 das erfolgreichste Album der Band ("Hoelderlin Live – Traumstadt", 1978) wiederveröffentlicht wurde, kam die Band im selben Jahr dann auch tatsächlich noch einmal zusammen. Naja, zumindest waren der Original-Drummer Michael Bruchmann (1971 – 1978) sowie der 1975 dazu gestoßene Bassist Hans Bäär wieder mit am Start, ergänzt durch neue Musiker.
Nach dem relativ kurzen "Transsib Intro" geht es dann auch gleich mit "Schwebebahn", einem der Band-Klassiker, in die Vollen. Ein Instrumental-Stück, das sich aus zeitweise schwebenden, dann wieder treibenden Bass-Rhythmen zusammensetzt. Fast elfeinhalb Minuten Musik, die von ihrem Charakter her auch wunderbar als Soundtrack verwendbar wäre. Sämtliche Musiker bekamen genug Raum für Soli und neben dem Gitarrist Dirk Schilling konnte sich hier auch der Violinist Markus Wienstroer ausgiebig in Szene setzen. Hoelderlin nehmen den geneigten Hörer mit auf eine abenteuerliche Reise, während dieser seinem Kopfkino freien Lauf lassen kann. Gefolgt wird diese Nummer von "Waren wir", dem ersten Stück mit Gesang, das von dem Debüt "Hoelderlin’s Traum" (1972) stammt und etwas dramatischer und ernster wirkt. Ann-Yi Eötvös Gesang kommt sehr folkig und erinnert mich gar etwas an kirchliche Gesänge, ohne dies negativ zu meinen.
Witzigerweise klingt keine dieser Kompositionen auch nur ansatzweise altbacken, sondern vielmehr immer noch aktuell. Und wenn wir gerade bei 'aktuell' sind, darf auch nicht verschwiegen werden, dass Hoelderlin mit "Come To Me" auch ein ganz neues Stück mit im Programm hatten. Mit sehr schöner Piano-Begleitung beginnt "Rare Bird", der Favorit des Rezensenten auf dieser Veröffentlichung. Miss Eötvös singt sehr klar und kommt richtig gut, selbst wenn sie auf der DVD etwas zu angestrengt bzw. konzentriert wirkt. Was auf der CD-Version natürlich nicht auffällt. Die beiden letzten – sowohl von der Band als auch den Fans eher ungeliebten – Alben "New Faces" (1979) sowie "Fata Morgana" (1981) bleiben hier komplett außen vor, was jedoch nicht ins Gewicht fällt, wenn man Stücke wie "Phasing", "Sun Rays" oder "Streaming" im Köcher hat. Hoelderlin hatten einen ganz eigenen Stil drauf, der sich aus Folk, Jazz, Klassik und progressiven Elementen zusammen setzte. Ein wahrlich interessantes Gebräu, selbst wenn es nicht umgehend beim Hörer klickt. Es lohnt sich jedoch, sich mit dieser Band zu beschäftigen und sie (ggfs. noch einmal) für sich zu entdecken.
Nach diesem Rockpalast-Auftritt spielte Hoelderlin im Folgejahr vor 10 000 Menschen auf dem Herzberg Festival, bevor 2007 mit 8 (Eight) ein neues Studioalbum erschien. Leider war dies bisher jedoch der letzte Output der aus Wuppertal stammenden Band und im weltweiten Netz sieht es so aus, als wären die Aktivitäten wieder eingestellt worden. Zumindest ist keine eigene Website oder eine auf Facebook zu finden. Alleine daher ist "Live At Rockpalast 2005" eine super Gelegenheit in den Sound der Combo einzusteigen und (bei Gefallen) auch die Original-Platten aus den Siebzigern zu entdecken oder wahlweise wieder aus dem Plattenregal zu ziehen. Ganz nett (da zu kurz), allerdings auch interessant ist das auf der DVD enthaltene Bonus-Interview mit Hans Bäär.
Line-up Hoelderlin:
Ann-Yi Eötvös (vocals)
Hans Bäär (bass, acoustic guitar, background vocals)
Dirk Schilling (guitar, e-beats)
Andreas Hirschmann (keyboards, background vocals)
Markus Wienstroer (violin, acoustic guitar)
Michael Bruchmann (drums)
Tracklist "Live At Rockpalast 2005":
- Transsib Intro
- Schwebebahn
- Waren wir
- Rare Bird
- Streaming
- Nürnberg
- Come To Me
- Phasing
- Sun Rays
- Interview (DVD only)
Spielzeit: 74:53 (CD), 98:00 (DVD), Erscheinungsjahr: 2021 (2005)
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