Wer (von uns Älteren) kennt ihn nicht, Petzi, den Bärenjungen, der mit seinen Freunden in den Fünfzigern und Sechzigern in bunten Bilderbüchern viele Abenteuer erlebte. Auch meine Mutter schenkte mir einst so ein Buch, als ich noch sehr klein war. Dass der kleine Braunbär aus Dänemark nun schon seit 27 Jahren auch in der Rockmusik mit Honig versorgt wird, war mir bis heute unbekannt. Honey For Petzi sind eine Post Rock-Band aus der Schweiz, genau genommen aus Lausanne und hat nun mit "Observations + Descriptions" nach langer Pause ein neues Album produziert.
Seltsame Klänge begehren auf, reduziert und simplifiziert, die den Einsatz irgendwelcher synthetischer Sounds vermuten lassen, kreieren bunte Soundscapes, rhythmisch zwischen Reduktion und fast poppigen Attitüden wechselnd. Und dann ein fast mathematisch präzises Gitarrenspiel als Katalisator. So beginnt das Album mit "Écoute", vorab im Internet veröffentlicht. Hier wird Post Rock spielerisch auf den Kopf gestellt. "Island" hat ein wenig mehr von erwarteten Gitarren-Geflechten und Symmetrien, klingt aber immer noch ein wenig befremdlich, wenn man die Etikettierung der Band im Kopf hat. Diese Band hat viele Jahre Post Rock gespielt? Eine Recherche im Internet bestätigt, dass der Sound von Honey For Petzi in der Vergangenheit tatsächlich andere Ausprägungen trug.
"Infini" ist so etwas wie mein Dosenöffner. Vielleicht weil hier schöne, kreiselnde, sanfte Lines in minimaler Variation über die Landschaft schweben? Die ambienten Applikationen verstärken einen stark hypnotischen Sog, doch dieser Trip ist sehr farbenfroh. Die Nummer hat starken Psych-Faktor. "Infini" ist mein persönlicher Favorit auf dem Album.
Scheinbar ist es neu, dass Honey For Petzi sich der französischen Sprache bedienen. Die Vocals bleiben aber stets eigenartig neutral, fast ein wenig ausdruckslos und erinnern mich irgendwie an asiatischen, wie in "Crash" leicht Falsett-artigen Gesang, verbunden mit den mitunter recht klischeehaft simplifizierten Backgrounds für meinen Geschmack ein wenig verstörend. Mitunter fühle ich mich an die flippig schlichten Harmonien der NDW erinnert, die nun wirklich nicht mein Ding gewesen sind. Daher kann ich die Wandlung der Band, die offensichtlich in der Vergangenheit einen sanften Post Rock auf Basis sensibler Gitarren-Linien gespielt hat, nicht in allen Aspekten nachvollziehen. Aber das betrifft halt nur meinen persönlichen Geschmack.
Unzweifelhaft schafft es die Band, eine Art eigenen Duktus im Verlauf des Albums zu entwickeln, auch wenn der sich von klassischem Post Rock deutlich emanzipiert hat. Vielmehr bewegt man sich nunmehr in einer Art ambienter, Ton gewordener Popart – man möge "Photographie" als Beispiel nehmen. Das mag seine Berechtigung haben, mir ist es an dieser Stelle jedoch entweder zu sehr verkopft oder aber ich habe schlichtweg den musikalischen Ansatz nicht verstanden. In einem Happening oder zumindest mit den passenden optischen Unterstützungen hingegen könnte sich diese Musik möglicherweise völlig anders entfalten.
"Géométrie" hat dann thematisch ein wenig von jenem Math-Rock, dem die Band ebenfalls zugeordnet wird. Die Harmonien über den sezierenden Akkorden haben etwas magisches und verschmelzen miteinander in all ihren Gegensätzlichkeiten. Und dann gewinnt "Echorec" den Zuhörer mit einer geilen repetitiven Gitarre, die den Song eher Post Rock-untypisch ausbeschleunigt. Der Kontrast zwischen dem vorsätzlich poppigen Set-up, wieder einmal beschränkt auf minimale Rhythmik und Meldodic, und dem unerwarteten Crescendo macht die Nummer aus. So lass ich mir das gefallen.
Unerwartet nimmt das Album mit "Apnée" Tempo auf. Hier funktioniert das Zusammenspiel zwischen schönen Hookklines und Gesangslinien sehr gut, gerade in den Moll-Tönen, auch wenn das Stück insgesamt einen enorm positiven Drive ausweist. Die Gitarre leistet hier beste Stimmungsarbeit und kracht dann plötzlich und völlig unvermittelt in ein fuzziges Out-break. Dieser Groove ist wirklich geil und nimmt uns mit. Neben "Infini" mein Lieblingssong auf der Platte. "Observation" hat am Ende aber auch seinen Platz verdient, dieses Lied hat etwas friedlich Finalisierendes. Sanfte Gitarren, relaxter Gesang und ein leicht waviger Drift lassen uns entspannt aus diesem Abenteuer ausklingen.
Ich habe mir im Netz frühere Nummern der Band Honey For Petzi angehört und fand mich auf Alben wie "Heal All Monsters" und vor allem dem schönen "Nicholson" zugegebenermaßen einfach wohler. Mehr noch, wenn man sich die Live-Aufnahmen im Web anschaut. Offensichtlich hat die Band sich mit diesem Album aber bewusst aus seiner Vergangenheit emanzipiert und durch die Verpflechtung recht poppiger, teilweise elektronischer Schnipsel ein Patchwork-artiges Konstrukt geschaffen, welches ganz anders als der klassische Post Rock ein hohes Maß an Farbigkeit vermittelt. Nach elf Jahren Pause ist eine Neuorientierung sehr wohl nachzuvollziehen. Vielleicht muss ich mir das Album einfach noch ein paarmal anhören…
Line-up Honey For Petzi:
Sami Benhadj Djilali (guitar, keyboards, vocals)
Philippe Oberson (bass, keyboards, vocals)
Christian Pahud (drums, vocals)
Tracklist "Observations + Descriptions":
- Écoute
- Island
- Infini
- Crash
- Kawasaki
- Dog
- Photographie
- Géométrie
- Echorec
- Fall
- Apnée
- Observation
Gesamtspilzeit: 45:47, Erscheinungsjahr: 2022
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