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Hubertus Rösch / Mysterious Stranger – CD-Review

Hubertus Rösch / Mysterious Stranger

Hubertus Rösch stellte sich bereits zwei Mal bei uns vor, einmal mit der EP Waiting For This Train und vor drei Jahren mit Sea Of Life. Hatte ich zu dieser Veröffentlichung bemerkt, dass es für den Protagonisten durchaus dienlich und hilfreich sein könnte, sich mit einem erfahrenen Produzenten in Verbindung zu setzen, und hierbei Ted Russell Kamp erwähnte, mit dem Hubertus inzwischen einige Male gemeinsam tourte, so hat sich Hubertus das zu Herzen genommen und tatsächlich gemeinsam mit Ted zusammengearbeitet.

Das Ergebnis liegt nun vor mit der Platte "Mysterious Stranger", produziert von Ted Russell Kamp, über die ungefähre Distanz von zehntausend Kilometern hat man dieses Werk schaffen können. Ja, und so freue ich mich mit, dass Hubertus meinen Vorschlag aufgegriffen hat und ich nun diese neue Platte rezensieren kann. Es gibt zehn Songs und zwei Boni, alle Stücke stammen vom Protagonisten selbst, drei Songs hat er gemeinsam mit Ted komponiert, das sind die Tracks zwei, fünf und sieben. Ja, und um das vorweg zu nehmen, dessen Handschrift bemerkt man sofort! Ansonsten hat er sich in der Rolle als Produzent recht zurück genommen und dem Künstler viel Spielraum für die persönliche Gestaltung der Musik gelassen.

Hinsichtlich der Besetzung ist es gelungen, mit dem Saxofonisten Lee Mayall (genau, das ist der Cousin von John Mayall) und der Violinistin Saskia Koch Gäste an Bord zu nehmen, die übrige Instrumentierung bitte dem Line-up entnehmen. Eine Rockversion von Track vier, "Come What May", gibt es darüber hinaus, die mit dem deutschen Musiker Bernd Everding zusammen eingespielt wurde, das ist der letzte Song der Platte.

Zur Musik: Zunächst kann ich mich meiner früheren Rezensionen bedienen hinsichtlich einiger Grundelemente, die auch auf "Mysterious Stranger" maßgebend sind. Zum Einen ist es erneut die stark melancholisch geprägte Ausstrahlung, die unglaublich viel Emotionen beinhaltet. So scheint es, als würde Hubertus seine persönliche Stimmung in jeden einzelnen Song einbringen, damit alle daran teilhaben können. Wenn es so wäre, dann ist es gelungen. Denn es geht mir so, dass ich nachvollziehen kann, dass der Hauptbestandteil jeder Komposition starke Gefühle sind, derart, dass man sich Zeit nehmen muss, um daran teilzuhaben. Denn diese wiederum recht reduzierte musikalische Gestaltung setzt nicht auf Vordergründigkeit, auf Effekthascherei, sondern auf Nuancen, auf intime Momente in den Stücken, in den Texten, in den Refrains. Eine wichtige Funktion nimmt natürlich Ted Russell Kamp ein mit seinen Beiträgen, allen voran die Bass-Begleitung. Sehr positiv überrascht hat mich Saskia Koch, die mit ihrer Violine die Songs äußerst einfühlsam ausfüllt.

So gesehen, ist die Musik als 'menschlich' einzustufen, ein Spektrum all' dessen, was Menschen umgibt: Freude, Trauer, Glück und auch Niedergeschlagenheit. Und hier bin ich dann gleich bei meiner ersten Assoziation: Wiederum bei Nick Drake, der auch diese Tiefe nach außen transportierte. Doch sollte man diese teilweise negativ anmutenden Stimmungen nicht zum Anlass nehmen, das Positive in den Liedern zu übersehen.

Und da gibt es mit Sicherheit gleich Gelegenheit mit "The Sky Played Hollywood" im Reggae-Rhythmus und positiv ausgerichtetem Text. Das Saxofon von Lee Mayall auf der ersten Version von "Come What May" bringt eine ganz besondere Leichtigkeit in den Song, und wenn ich dann "Belong To You" höre, dann wähne ich mich an der Westcoast der USA, das Gefühl der Musik der Eagles und anderer dortiger sonniger Acts fließt aus den Boxen. Hier hört man Ted übrigens als Background-Sänger, für die Refrains der übrigen Nummern wäre das sicher auch eine gute Idee gewesen, weil es sehr harmonisch klingt.

Sehr angenehm überrascht hat mich/hat uns (ja, Hanne-Lore hat mitgehört) auch "Three Songs And A Heartbreak", das wohl vollends aus emotionaler Quelle schöpft: »Now it’s time to stop this war, that we started so long ago, tell me what we’re fighting for…«. Und – dann offenbart sich doch tatsächlich eine Art 'Hitcharakter'! Denn der Refrain, der Songtitel ist hier eingeschlossen, bleibt hinsichtlich der Melodie und des Textes einfach hängen, und ich fühlte mich sofort geneigt, diesen mitzusingen, und – man kann ihn behalten, er haftet gut! Ja, dieser Song stellt vielleicht gar die Quintessenz der Aussage des ganzen Albums dar, so könnte man meinen.

Eigentlich ist es wie beim Blues. Da wurden/werden Probleme angesprochen, diverse Themen, mit denen man sich identifizieren konnte, und beim Hören und durch das Wissen, nicht allein dazustehen, erhielt man eine Art Hilfe. Und das geht mir bei vielen Tracks von "Mysterious Stranger" ebenso, das Gefühl zu haben, man steht nicht allein da mit seinen Gedanken und Problemen.

In gesanglicher Hinsicht mögen Einige, auch aus objektiver Sicht vielleicht den einen oder anderen Negativpunkt entdecken. Denn, ich hatte es bereits vorher erwähnt, dass die Songs mit stark individueller Stimme vorgetragen werden, mit einer ganz besonders ausgeprägten Stimmlage und einem besonderen Ausdruck. Mit anderen Worten – bei Dieter Bohlen hätte Hubertus Rösch sicher keine Chance, und das ist auch gut so, steht doch das Gesamtbild aller Elemente im Vordergrund und somit passt es alles zusammen. Klar, an der einen oder anderen Passage könnte man vielleicht noch ein wenig feilen und einen Feinschliff verpassen, damit es zum Beispiel ein wenig flüssiger wird. Aufgefallen ist mir dieses Mal, dass mich der Gesang mitunter nun noch mehr an Lou Reed erinnert, dieser Anteil hat zugenommen. Und – gerade in den tiefen Lagen der Stimme höre ich auch mehr Potential, also – ausbaufähig.

Mithin ist es gemeinsam gelungen, eine sehr ruhige und stark individuelle Produktion zu schaffen. Keine solche, die die Welt aus den Angeln hebt, aber eine, die zum Innehalten anhält, sich auf das zu besinnen, was man hat inklusive des Nachdenkens, welche Zeit es einst gab, in der wir vielleicht wohlbehüteter lebten, und dabei doch zu versuchen, positiv nach vorn zu blicken und dabei der Mensch zu bleiben, der man ist, ohne sich zu verbiegen. Ja, ich bemerke soeben, wie solch persönliche – anscheinend oder/und offensichtlich von innen nach außen gekehrte – Musikinspirationen abfärben können, so rasch kann man sich philosophisch verwickeln. Ergo – Ziel erreicht, Hubertus!

Eines noch, zum Bonustrack, die Nummer zwölf, für mich ist dieser Song, diese dritte Version von "Come What May" (Rock Version), leider der einzige Fremdkörper der Platte. Einerseits gefällt mir der Aufbau nicht, dann stört mich der Sound des Schlagzeugs und die E-Gitarre passt für mich einfach nicht hinein. Auch fügen sich die einzelnen Elemente für mich nicht zusammen, es ergibt keine harmonische Verbindung.


Line up Hubertus Rösch:

Hubertus Rösch (vocals, guitar, harmonica, whistling)
Ted Russell Kamp (guitar, bass, drums, tambourine, background vocals – #5, keyboards)
Saskia Koch (violin)
Lee Mayall (saxophone – #4,11,12)
Bernd Everding (guitar, bass – #12)

Tracklist "Mysterious Strangers":

  1. Mysterious Strangers
  2. The Sky Played Hollywood (Reggae)
  3. Running To Be Free
  4. Come What May (Walz)
  5. I Belong To You
  6. Three Chords And A Heartbreak
  7. Two Outlaws
  8. By The Sea
  9. Milky Way Street
  10. 1000 Years
  11. Come What May (Bonus)
  12. Come What May (Rock Version) (Bonus)

Gesamtspielzeit: 53:22, Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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