Ich war ja ziemlich begeistert, als mir die Band I See Hawks In L.A. vor fast genau zehn Jahren in Form ihres Albums Hallowed Ground zum ersten Mal über den Weg lief und auch mein ehemaliger Kollege Norbert konnte sich für das 2012 erschienene New Kind Of Lonely richtig begeistern. Danach war aber scheinbar etwas die Luft raus, denn die etwa 15 Monate später veröffentlichte Scheibe Mystery Drug empfand ich dann doch eher enttäuschend. Zumindest wenn man weiß, wozu die Band tatsächlich in der Lage ist. Und danach… fünf Jahre gar nichts bzw. kein Album mehr. Es gab wohl so einige familiäre Probleme und überhaupt schien der Wurm drin zu sein. Und jetzt dreht sich bereits seit Tagen das neueste Werk "Live And Never Learn" in meiner Anlage, mit dem die Musiker um die Bandgründer Paul Laques und Rob Waller wieder Boden gut machen wollen.
Glücklicherweise ist dies dem Vierer auch zum größten Teil gelungen. Herrlich laid back und unaufgeregt präsentieren sich die ersten Tracks bereits so, als hätte es nie eine Pause gegeben. Der Sound klingt herrlich warm aus den Boxen und die doch stark an der Country-Musik angelehnten Stücke vermitteln ein relaxtes und friedliches Feeling. Wenn man sich die Texte genauer anhört, trügt dieser friedliche Schein zwar ein bisschen bis gewaltig, der Qualität der Musik nimmt dies allerdings überhaupt nichts. Zum ersten Mal härter gerockt wird bei "Stoned With Melissa", das nicht nur aufgrund des Tempowechsels, sondern auch wegen seiner nach wie vor vielfach vorhandenen Melodien ganz fett punkten kann. Auch hier ist der Text eine eher bittersüße Angelegenheit, die dann doch das starke Gefühl hinterlässt, dass diese Story des Protagonisten und seiner Melissa nicht gut ausgehen wird bzw. ausgegangen ist. Da schwingt sogar etwas Psychedelic mit. Bei "King Of The Rosemead Boogie" kommen dann noch starke Einflüsse von sowohl ZZ Top, als auf gewisse Weise auch Grateful Dead durch.
Aber die Band hat auch einen feinen Humor, was sich unter anderem an dem Titel "Poour Me" (ein Wortspiel aus 'poor me' = 'ich armer' und 'pour me' = ’schenk mir ein') zeigt. Gesanglich verlangt Rob Waller tatsächlich wiederholt nach mehr Wein, während spätestens stimmlich rüberkommt, dass es ihm alles andere als gut zu gehen scheint. Den Rest erledigt die wunderschön gespielte Lap Steel von Paul Lacques. Etwas kurios wird es bei "My Parka Saved Me", bei dem die Drummerin Victoria Jacobs zunächst zur Musik eine Zeile vorspricht, die jeweils im direkten Anschluss von Rob Waller gesanglich wiederholt wird. Sowohl dieser Fakt, als auch dass die erzählte Story etwas skurril wirkt, machen diese Nummer zu einem Zwischending zwischen Comedy und Tragik. Da wird wohl der bereits erwähnte Humor der Band wieder zugeschlagen haben. Ein weiterer starker Country-Rocker ist "The Last Man In Tujunga".
Aber apropos Victoria Jacobs: Die Schlagzeugerin übernahm auch bei "Spinning" noch einmal die Lead Vocals und macht dabei eine ziemlich gute Figur. Verströmt wird hier ein Sechziger-Feeling mit akustischen Instrumenten und einem Hauch Psychedelic, was atmosphärisch sehr dicht zu Buche schlägt. Insgesamt finden wir hier deutlich mehr akustische als elektrische Stücke, was aber weder stört noch verunsichern sollte, denn gekonnt ist immer noch gekonnt. Sicherlich könnte man noch auf weitere Songs genauer eingehen, am wichtigsten ist jedoch die Tatsache, dass sich I See Hawks In L.A. mit "Live And Never Learn" wieder mit einem sehr starken Americana-/Alternative Country-Album zurückgemeldet haben. Als Anspieltipps empfehle ich neben den bereits weiter oben genannten Tracks unbedingt auch noch den Titelsong.
Line-up I See Hawks In L.A.:
Rob Waller (acoustic guitars, lead vocals)
Paul Lacques (guitars, lap steel – #12, background vocals)
Paul Marshall (bass, background vocals)
Victoria Jacobs (drums, guitar – #12, lead vocals – #9,12)
With:
Richie Lawrence (accordion, piano)
Dave Markowitz (fiddle)
Danny McGough (organ, synthesizer)
Dave Zirbel (pedal steel guitar)
Tracklist "Live And Never Learn":
- Ballad For The Trees
- Live And Never Learn
- White Cross
- Stoned With Melissa
- Poour Me
- Planet Earth
- The Last Man In Tujunga
- Singing In The Wind
- My Parka Saved Me
- King Of The Rosemead Boogie
- Tearing Me In Two
- Spinning
- The Isolation Mountains
- Stop Me
Gesamtspielzeit: 56:57, Erscheinungsjahr: 2018
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