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Iggy Pop / Aprés – CD-Review

Iggy Pop - Apres - CD-Review in RockTimes

Iggy Pop, das selbstzerstörerische Enfant Terrible, das immer so ein bisschen im Schatten des großen David Bowie agierte. Iggy, der den Rohdiamanten lieferte, aus dem der 'Thin White Duke' den Hit "China Girl" schliff. Iggy, der einen Marathonlauf auf der Bühne zelebrierte, sich nackig machte, Blut fließen ließ oder auch mal extrem aggressiv agierte. Der Iggy, der sich zuerst mit den Stooges und danach mit Alben wie "Lust For Life" oder "The Idiot" den Ruf des 'Godfather Of Punk' erwarb, war irgendwann (nach Party und noch vor American Caesar) aus meinem musikalischen Blickfeld verschwunden.

Ein Zufall ließ ihn wieder darin auftauchen. Nicht mit seinem neuen "Post Pop Depression"-Album, sondern einem Werk, das schon vor vier Jahren erschienen ist. Auf "Aprés" zeigt sich Iggy von einer ganz anderen Seite; von einer, die eigentlich gar nicht auf CD gehört. Die limitierte Auflage Vinyl in pink ist natürlich längst vergriffen, ich hoffe mal auf ein Reissue. Der gebührende Rahmen für "Aprés" (Achtung, Wunschkonzert!) wäre weißes Vinyl, 180 g natürlich. Edel und stilvoll. So wie die Musik, die es beherbergt. Gibt es aber leider (noch) nicht, sondern nur Silberling oder Download. Dabei wäre doch die Spielzeit von einer knappen halben Stunde schon mehr als dazu angetan, die große Presse anzuwerfen, damit das sanfte Knistern und der warme Klang des analogen Mediums die 10 Songs begleitet, die Pop hier ausgewählt hat.

Es handelt sich um Klassiker, die Iggy auf ganz besondere Art interpretiert. Französische Chansons sind darunter genauso vertreten wie Jazz-Balladen. Der Zufall, der mich auf dieses Album aufmerksam machte, kam in Gestalt eines sehr liebevoll gestalteten Videos von Laurent Mercier Callicore auf Pops Facebookseite daher. "La vie en rose" weckte meine Aufmerksamkeit, denn so sehr ich dieses (erste selbstgeschriebene) Chanson der Edith Piaf mag, so wenig hätte ich es bei Iggy vermutet. Auch der Rest der Tracklist würde zwar keinen Blumentopf im 'Nie-gehört'-Wettbewerb gewinnen, gewinnt aber durch den Kontext neue Perspektiven. Iggy Pop hat sich der Klassiker liebevoll und ungewohnt ruhig, ja abgeklärt, angenommen. Seine Interpretationen jagen mir die Gänsehaut den Rücken rauf und runter. Seine Stimme, die auf seinen anderen Alben voller Rebellion steckt, wirkt hier anders. Nicht dass sie irgendwas von ihrer Rauheit eingebüsst hätte, Gesäusel ist auch auf "Aprés" nicht Iggys Ding. Aber Ruhe liegt in seinem Vortrag. Und Tiefe. Seine Interpretation von Cole Porters "What Is This Thing Called Love?" oder Serge Gainsbourgs "La Javanaise" lassen mich an Filmklassiker in schwarz-weiß denken. Die Lieder wurden sorgfältig und liebevoll ausgewählt, behutsam in Szene gesetzt und zeigen Iggy Pop von einer anderen, nachdenklich-besinnlichen Seite. Doch auch die Songs gewinnen, denn bei aller Abgeklärtheit, ganz subtil schimmert der alte Rebell doch immer ein bisschen durch und verleiht beispielsweise "La vie en Rose" dadurch einen ganz eigenen Charakter, der sich wohltuend von anderen, zuckersüßen Coverversionen abhebt.

Dass meine Begeisterung ein subjektives Empfinden ist, liegt wahrscheinlich mal wieder in der Natur der (Geschmacks-)Sache. Die Leute von Virgin EMI Records glaubten wohl zumindest nicht an einen kommerziellen Erfolg, weshalb die Scheibe von Iggy dann quasi als Eigenproduktion herausgebracht und unter anderem über vente-privee vertrieben wurde. Zumindest finden sich zu keinem der Labelnamen (Thousand Mile Inc und Le Rat des Villes) weiterführende Informationen. Und auch wenn Iggy Pop mit "Post Pop Depression" derzeit im größeren Rahmen wieder in eher gewohnterem Terrain fischt, wird er ganz sicher weiter für seine eigenen Dinger und gelegentliche Überraschungen gut sein. Im Herbst wird die Jim Jarmusch Dokumentation über Iggy & The Stooges, "Gimme Danger", in den USA veröffentlicht. Hoffen wir, dass sie dann auch bald in Deutschland erhältlich sein wird, auf welchem Vertriebsweg auch immer.


Tracklist "Aprés"

  1. Et si tu n’existais pas (Joe Dassin)
  2. La Javanaise (Serge Gainsbourg)
  3. Everybody’s Talkin' (Harry Nilsson)
  4. I’m Going Away Smiling (Yoko Ono)
  5. La vie en Rose (Edith Piaf)
  6. Les Passantes (Georges Brassens)
  7. Syracuse (Henri Salvador)
  8. What Is This Thing Called Love? (Cole Porter)
  9. Michelle (The Beatles)
  10. Only the Lonely (Frank Sinatra)

Gesamtspielzeit: 28:33, Erscheinungsjahr: 2012

Über den Autor

Sabine Feickert

Hauptgenres: Rock, Deutschrock, Mittelalter, 'leise Töne'
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