«

»

Imperial Crowns / The Calling – CD-Review

Endlich wieder ein Lebenszeichen von einer Band, die der Blues Rock-Szene seit ihrem Auftauchen das Fürchten lehren. Nach dem Debüt "Imperial Crowns"  aus 2000 hat man lediglich noch drei weitere Alben veröffentlicht: "Hymn Book" (2004), Preachin' The Blues Live! (2005) und "Star Of The West" (2007). Von da an gab es kein neues Lebenszeichen mehr. Umso gespannter darf man nun natürlich auf "The Calling" sein, denn nach neun Jahren Wartezeit sollte schon ein wahres Meisterwerk an den Start gehen.

Ich nehme es vorweg, das ist ihnen wirklich gelungen. So sehr gelungen, dass die Scheibe bereits mein Anwärter für das Album des Jahres ist. Bereits bei den Vorgängerscheiben wurde rotzfrech und völlig unbekümmert alles in den musikalischen Kochtopf geschmissen, was die Szene hergibt: Man nehme den Blues, würze diesen mit einer Prise Rockabilly oder Boogie, schmecke ihn ab mit sehr viel Rock und etwas Soul. Ja selbst in der Southernrock-Küche wird ab und zu gewildert. Man hat sogar den Eindruck, hier treffen mehrere Rockgiganten aufeinander: die Stones, Fleetwood Mac, Bob Dylan, Tito und Tarantula, Led Zeppelin oder auch die Black Crowes.

Dieses Rezept sollte nun mit "The Calling" weiter verfolgt werden.
Bereits bei dem Opener kommt man unweigerlich ins Grübeln, ob da nicht ein gewisser Tito Larriva am Mikro steht – Fehlanzeige – es ist Jimmie Wood himself, der übrigens schon Mundharmonika für Etta James, Bruce Springsteen, Bruce Hornsby und Gladys Knight spielte. Es gibt also mit feinsten Harpklängen verzierten Rock’n’Roll.
Der Titeltrack, "The Calling", erhält seine besondere Note durch die von JJ Holiday eingesetzte Cümbüs. Ein Blick ins Internet verrät das, was ich schon vermutet hatte: Das Teil ist eine Art Banjo, genauer gesagt »eine türkische Laute mit kurzem oder langem Hals ohne Bünde oder mit Bünden (Wikipedia),« die hier das 'tragende' Gerüst für Sänger und Harpspieler Jimmie ist.

Es folgen leise Töne – nun ja – so ganz leise sind sie auch wieder nicht. Feinste Gitarrenparts, dazu ein dezent eingesetztes Keyboard, ab und zu lugt Bob Dylan und die Ecke, doch dann  – wo kommen plötzlich die Streicher her? "Grace Under Pressure" könnte glattweg auch aus "No Quarter – Unledded" (Page/Plant) stammen. Kenner wissen, dass damals für einen Auftritt der MTV Unplugged-Reihe einige Led Zeppelin-Stücke sowohl mit arabischen Musikern als auch dem London Metropolitan Orchestra neu arrangiert eingespielt worden sind.

Die Rolling Stones? Nein, wir hören immer noch die Imperial Crowns. Die wandelbare Stimme des Frontmannes begeistert mich von Mal zu Mal mehr. Hier haben wir die typische IC-Dreier-Konstellation: Wood, Holiday, Sullivan. "Wasn’t Love At First Sight" lässt jeden Fan der 'Glimmer Twins' garantiert in Verzückung geraten.

Die Bläserfraktion, bestehend aus Mike Roche (Trompete), Ryan Dragon (Trombone – oder auch Posaune) und Peter Slocombe (Tenor- und Bariton-Saxonphon) bildet das Grundgerüst für "Love N' The Devil", das mich ab und zu an "I Drink Alone" von George Thorogood & The Destroyers erinnert.
Es ist Zeit für eine Ballade. Herzzerreißend schön die Slide-Gitarre. Man fühlt sich in gute alte Fleetwood Mac-Zeiten zurückversetzt. Und wieder einmal schauen die Stones vorbei: Ob nun bei dem etwas ruhigeren "The Mark Of Cain" (das Stück hat sich bei mir seit Tagen schon in den Gehörgängen festgefräst), unterstützt von Benmont Tenchs sauberer Tastenarbeit – als auch bei "Miz Aphrodite", wo Tech wiederum zum Einsatz kommt, diesmal jedoch am Piano.
Sehr auffällig ist übrigens der stets im richtigen Moment eingesetzte Background-Gesang von Rachel C. Wood.

"Liberate" hat mich vollends vom Hocker gehauen! Das Grundgerüst für dieses Stück ist die Bläsertruppe. Gitarrenspuren legen sich darüber, die ab und zu Assoziationen an das leichthändige Spiel eines Peter Green wecken und selbst Dylan ist einer 'weiteren Einladung gefolgt'. Im Hintergrund meine ich eine Hammond vor sich hinblubbern zu hören, die gegen Ende sogar die Führung zu übernehmen scheint (im Booklet steht jedoch nichts davon). Bass und Drums halten das sensible Gefüge sehr schön zusammen. Über allem thront die leicht verhallte Stimme des 'Zeremonienmeisters' Wood, dessen 'Urschrei' dem eines Joe Cocker in nichts nachsteht. Fast fünf Minuten Gänsehaut. Ich hätte gern mehr davon – 10, von mir aus 15 Minuten und mehr. Zum Glück gibt es ja die Repeat-Taste.

Mit "Third World War" bekommt man etwas Black Crowes-Feeling seerviert.
"Papa Lawd" (JJ Holiday spielt hier neben der Gitarre eine Tiple – ein lateinamerikanisches Zupfinstrument) wird von einer von Billy Sullivan mit den Händen geschlagenen Djembé (einer westafrikanischen Bechertrommel, mit der die Basstöne erzeugt werden) vorwärts getrieben. Das Stück – im Auto abgespielt bei voller Lautstärke – lässt das Dach abheben und die Boxen vibrieren (Eigenversuch – ich schweb immer noch unterm Autohimmel).
Zum Abschluss kommt noch mal Mick Jagger – ähm Jimmie Wood ans Mikro, der sich mit seiner Harp und JJ Holiday an der Gitarre, ein tolles Duell liefert.

Die Imperial Crowns haben mal wieder bewiesen, dass man den Blues Rock auch interessant und abwechslungsreich servieren kann. Eine rundum gelungene Scheibe, die sogar ganz ohne Rohrkrepierer auskommt! Die Messlatte für kommende Alben liegt sehr hoch.


Line-up Imperial Crowns:

Jimmie Wood (lead vocal, harmonica)
JJ Holiday (guitars, cümbüs – #2, tiple – #9)
Billy Sullivan (drums, percussion, keyboards, djembé – #11)

Guests:
Andre Berry (bass – #1,7,8,10,11,12)
Bemont Tench (electric piano – #1,8,12)
Rachel C. Wook (backing vocals – #1,2,3,4,6,7,8,9,11)
Bob Glaub (bass – #2,5,6,9)
Mike Rocka (trumpets – #5,8,9)
Ryan Dragon (trombone – #8,9)
Peter Slocombe (tenor saxophone, baritone saxophone – #5,8,9)

Tracklist "The Calling":

  1. I Gotta Right
  2. The Calling
  3. Grace Under Pressure
  4. Wasn’t Love At First Sight
  5. Love N' The Devil
  6. Something Of Value
  7. The Mark Of Cain
  8. Miz Aphrodite
  9. Liberate
  10. Third World War
  11. Papa Lawd
  12. Question Mark

Gesamtspielzeit: 49:59, Erscheinungsjahr 2016

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
Über mich
Meine Seite im Archiv
News
Mail: ilka(at)rocktimes.de

1 Kommentar

  1. The Imperial Crowns

    Dear Ilka Heiser,

    We want to THANK YOU very much for really listening to the music in such detail as you obviously do. Your review descriptions are genuine and intelligently referenced. We are very glad you enjoyed our new album… we do too! haha! We put a lot of heart and soul into this one after such a long absence and are happy that you noticed. Please feel free to introduce yourself to us next time we are in Germany, if you are at a show. We are planning more tours for 2017. We will post this review on our Facebook later this week. 🙂

    Best wishes,
    The Imperial Crowns
    https://www.facebook.com/theimperialcrowns
    http://www.imperialcrowns.com

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>