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In Memoriam Mark Shelton – Mastermind von Manilla Road

Leah Kunkel am 26. November 2024 verstorben

Der erste Kontakt

Meine erste Begegnung mit der Musik von Mark Shelton bzw. Manilla Road war etwa Mitte der 80er durch einen Brieffreund. Wir schickten uns gegenseitig selbst erstellte Tape-Sampler, um dem jeweils anderen bisher unbekannte Bands vorzustellen.

Auf einer dieser Cassetten war ein Song der mit zarten Gitarrenklängen anfing, wie ich sie zuvor nie gehört hatte. Als dann noch mit der ersten Strophe die Stimme einsetzte war ich wie gebannt:

 

»On the crest for eternity, a bell for every day
That I’ve lived in silent search of the mirrored cage
I could summon Lucifer and his warriors
With the necromancer’s cage of mirrors«

Es folgt ein rauer und harter Part, dann wieder eine solche ruhige Passage, wieder ein harter und zum Schluss der dritte ruhige Teil. Ich war total fasziniert und hörte den Song mehrfach hintereinander. Bis heute finde ich die drei sanften Parts wunderschön und "Cage Of Mirrors" gehört zu meinen Lieblingssongs. Auf meine Frage, wo ich das bekomme, wurde ich enttäuscht, denn die Scheibe war damals nur schwierig als Import erhältlich. Immerhin hatte sich damals das französische Label Black Dragon der Band angenommen und die (aktuelle) vierte Platte Open The Gates für Europa lizensiert. Diese habe ich natürlich gekauft und war wie erwartet begeistert.

Mark Shelton HOD 28.11.2011

Mark Shelton HOD 28.11.2011

Der eigentliche Beginn von Manilla Road …

war jedoch schon einige Jahre zuvor, nämlich 1977. Das Debüt "Invasion" beinhaltete noch Psychedelik Rock, der eigentliche Zweitling Dreams Of Eschaton wurde verworfen (und erst viel später auf Wunsch der Fans veröffentlicht) – zugunsten einer metallischeren Ausrichtung auf der "Metal", von der das genannte "Cage Of Mirrors" stammt.

Die Geburt des Epic Metal …

fand für viele mit der "Crystal Logik" statt, bei der auch die "Dreams Of Eschaton"-Thematik aufgegriffen und in einem Song verarbeitet wurde. Hier trafen ruhige, balladeske Teile auf Metal, eigenwillige Melodien und Harmonien bestimmten das Songwriting und es entstand etwas völlig Eigenständiges.
Diese Linie wurde auf der "Open The Gates" und "The Deluge" fortgesetzt, die heute als Klassiker und Meilensteine gelten, in den 80ern jedoch kaum beachtet und teilweise von der Presse unqualifiziert niedergemacht wurden. Zumindest von den großen, am Kiosk etc. erhältlichen Heften. Artikel und auch Interviews fand ich damals nur in wenigen (vor allem englischsprachigen) Fanzines.

Darin erklärte Mark Shelton unter anderem die Bedeutung des Bandnamens: Dieser steht für den Pfad zum Licht und Erleuchtung (»Road Of Light, Path Of Enlightment« ). Wenn es um Gut gegen Böse ging, standen Manilla Road stets auf der Seite des Lichtes.
Was jedoch wirklich beeindruckend jenseits von Fantasy war, wie gut Mark Shelton über Europäische Geschichte, Mythologie und Sagen Bescheid wusste und Zusammenhänge erklären konnte bzw. Kritik an manchen Darstellungen äußerte. Ein offensichtlich belesener Mann, der in seinen Lyrics alles mögliche aus diesen Bereichen verarbeitete und kombinierte. Das wirkte im ersten Moment etwas inkonsequent, wenn auf einer Platte als Hauptthema um die Artus-Sage geht, daneben jedoch nordische Göttinnen (Nornen) oder der römische Kriegsgott (Mars) erwähnt werden. Doch wenn man das Ganze offen betrachtet, Vergleiche zieht und die gemeinsamen Motive dahinter erkennt, entsteht ein ganzheitlicher Eindruck. Eine Denkweise, zu der (zumindest mich) Mark Shelton inspiriert und auf gewisse Weise damit geprägt hat.

Mark Shelton Metal Assault 2.2.2013

Mark Shelton Metal Assault 2.2.2013

Dabei ist ein Vorwurf von Eskapismus unangebracht, manches ist tiefsinnig, manches soll einfach nur unterhalten, Musiker sind (oder können) auch Geschichtenerzähler sein. So treffen Ideen aus der Basis der europäischen Kultur auf Motive amerikanischer Schriftsteller (Edgar Allan Poe, H.P. Lovecraft, Clive Barker und Robert E. Howard), manchmal geht es auch einfach nur um das Leben als solches. Dies in Kombination mit der eigenwilligen Musik, dem auf angenehme Weise unberechenbaren Songwriting (da konnte ein Stück nur knapp über zwei Minuten sein, ein anderes fast zehn; ein Track harmonisch und episch, der nächste schlicht rockig/metallisch).

Anscheinend waren damit damals (und auch heute noch) viele überfordert. Nur wenige waren wie ich total fasziniert, sie vergötterten die Band, die von anderen oft verspottet wurde. Dies war – unter anderem – ein Grund für mich, über Musik und Bands schreiben zu wollen, um solche verborgenen Perlen vorzustellen.
Die Kritik am eigenwilligen Gesang und an der oft merkwürdig wirkenden Produktion der Scheiben ist durchaus nachvollziehbar. Doch in Anbetracht des eigenständigen Songwritings und natürlich auch dem großartigen Gitarrenspiel von Mark (da kann ich mir mit Begeisterung 5-10 Minuten Solo anhören), das seine psychedelischen Wurzeln in Metal integriert, steht im Vordergrund, es hier mit einer originellen Band zu tun haben. Diese bietet etwas, wovon viele träumen: einen eigenen Stil. Der wurde immer wieder variiert, war mal thrashiger ("Out Of The Abyss"), dann mal mit tollem Keyboard ("The Courts Of Chaos"), blieb jedoch stets charakteristisch.

Mark Shelton Solo Mannheim 13.05.16

Mark Shelton Solo Mannheim 13.05.16

Manilla Road … rising …

Alle bisher genannten Eigenschaften galten ebenfalls nach einer Pause in den 90ern, wobei das erste Album danach erst 2001 erschien: "Atlantis Rising".  Die auffälligste Veränderung war, dass Mark aufgrund von Stimmbandproblemen den Gesang meistens seinem langjährigen Roadie Bryan Patrick überließ, der es schafft, die Stimme recht ähnlich hinzubekommen.
Die alten Fans, die der Kultband die Stange gehalten hatten, freuten sich. Neue kamen hinzu, die mittlerweile die Einzigartigkeit von Manilla Road erkannt hatten. Dennoch sollte sich für Jahre nicht viel tun. Selbst der erste Europa-Auftritt auf dem Bang Your Head (2000) und der später folgende auf dem Keep It True (2004) änderten nicht viel daran, dass sich nur wenige dafür begeisterten. Diese, gerne Manilla Maniacs genannt, zeigten jedoch eine große Treue, reisten beispielsweise aus Griechenland nach Deutschland oder in die USA, weil für sie Manilla Road etwas Besonderes war (und immer noch ist), was vor allem natürlich am Mastermind dahinter, Mark Shelton, lag. So viele Jahre hielt er die Band am Leben, mit wechselnden Line-ups, auch in Zeiten, in denen sich kaum jemand dafür interessierten.

Erst nach über dreißig Jahren Existenz sollte sich daran etwas ändern, ein unerwarteter Popularitätsschub setzte ein, endlich sollten Manilla Road wenigstens einen Teil der Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienten. Ein wichtiger Schritt dazu war das Hammer Of Doom 2011. Da es Probleme mit dem eigentlichen Schlagzeuger gab, sprang der anwesende langjährige Fan Neudi ein und sollte fortan Bandmitglied werden. Dieser Auftritt damals wurde nur noch getoppt von dem auf dem Metal Assault 2013.
Nun häufiger in Europa unterwegs, auf Festivals und auch bei Clubgigs, z. B. in Mannheim, mit neuem, deutschen Label, ist es unglaublich, wie viele neue Fans zu den alten hinzukamen, wie viele Bands Manilla Road als ihre Vorbilder nannten/nennen. Und außerdem wie viele (endlich wohlwollende) Artikel und Reviews erschienen. Für einen mittlerweile über 50 Jahre alten Musiker muss das unglaublich und sehr erfreulich gewesen sein. So hätte es noch eine Zeitlang bleiben können … aber die Schicksalsgöttinnen entschieden wohl anders…

Mark Shelton und zwei RockTimer, wird nun die letzte Begegnung bleiben, FFM13.05.18

Mark Shelton und zwei RockTimer, wird nun die letzte Begegnung bleiben, FFM 13.05.18

Ein unerwarteter Abschied

Am 26.07.2018 traten Manilla Road auf dem Headbangers Open Air auf, eine Woche zuvor auf dem Chaos Descends Festival und als Abschluss sollte das Wacken Open Air am ersten August-Wochenende folgen.
Doch am Freitag-Abend nach der Show auf dem HOA erlitt Mark Shelton einen Herzinfarkt im Hotelzimmer, wurde ins Krankenhaus nach Elmshorst gebracht, wo er verstarb. So abzutreten ist irgendwie total Rock’n’Roll, aber für die Mitmusiker und Veranstalter des Festivals ein großer Schock, was gerade den Postings von Bryan Patrick anzumerken ist. Diese fanden schnell eine große Verbreitung unter den Fans in den sozialen Medien, es gab viele betroffene Reaktionen, auch von befreundeten Bands, und gleich eine hohe Spendenbereitschaft (Geldsammlung für die Krankenhauskosten und für die Überführung in die USA, was im Sarg deutlich teurer ist als lebend zu fliegen).

Das alles zeigt, welchen Status Mark Shelton für die Manilla Maniacs hatte. Auch wenn vielen Metal-Fans der Name vielleicht wenig sagt, er hat(te) eine treue Fangemeine, die sein Leben und Wirken sehr zu schätzen weiß und für die nun eine schmerzhafte Lücke gerissen wurde. Mark wird einigen, vor allem in der Epic Metal-Szene fehlen. Manilla Road werden fehlen, denn ohne ihn ist ein weitermachen nicht vorstellbar, im Moment des Verlustes und der Trauer sowieso nicht. Vielleicht irgendwann später in anderer Form?
Ein großes Vermächtnis bleibt, einiges an toller Musik, und Zeilen wie diese werden nicht vergessen werden…

»Strong we will be
On the Road of Kings
For what glory it brings us«

Ob Mark nun auf der "Road Of Kings", "Crystal Logic" gefunden hat, im "Manillan Empire" angekommen oder auf dem Weg nach Valhalla ist, mag jede/r für sich selbst auslegen, er wird in unserer Erinnerung weiterleben als der Master(mind) einer besonderen Band.

»I will never put my sword down
I will never run away
In The Veils of Negative Existence
I am the master here to stay«

Über den Autor

Andrea Groh

Hauptgenres: Doom/Death/Black Metal, auch Post/Progressive/Pagan Metal u.a.
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Mail: andrea(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. Mario Keim

    Liebe Andrea,
    eine sehr persönliche Widmung und eine überaus ausführliche Schilderung des Wirkens des Masterminds. Eine großartige Arbeit von Dir, wie ich überhaupt Deine Arbeit sehr schätze! Hochachtung und Kompliment für Dich!.
    Liebe Grüße Mario

    1. Andrea Groh

      Vielen Dank Mario, das Lob freut mich sehr, denn ich schreibe so wie es selbst gerne lese 🙂

      Welche Bedeutung Mark Shelton bzw. Manilla Road für mich haben, sollte aus dem Artikel erkennbar sein … und wenn ich momentan die Reaktionen und Postings überall lese, gefällt es mir, die Wertschätzung darin zu erkennen … auch wenn der Anlass sehr traurig ist … ich hätte gerne noch einige Konzerte und Scheiben erlebt …

      Ausführlich … ich hatte das Problem mich zu bremsen zu müssen und habe daher manches sogar weggelassen, sonst wäre es noch länger geworden…

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