1987 gründete sich die Band Infamis.
2017 feierte man das dreißigjährige Bühnenjubiläum.
1994 erschien "Metaphysics".
1995 war es dann "Fake Rhapsody".
Die Liste der Veröffentlichungen – auch auf Samplern oder in Form von EPs/Singles – ist verdammt lang.
Der Album-Vorgänger von "Heimat und Verwesung" erschien 2013 und hört auf den Titel "Im Westen der Himmel".
Diese Scheibe gefiel dem Professor und Regisseur Wim Wenders so gut, dass die CD auf seinem Label Wenders Music veröffentlicht wurde.
Über die Berliner Band liest man auf deren Website in einem Text von Arndt Peltner: »[…] Infamis sind so ein Phänomen des Untergrunds. Kaum einer kennt die Band, doch die, die sie kennen, sind tief bewegt von der musikalischen Weite dieser Berliner Grossstadt Cowboys. Infamis-Musik ist eine Welt zwischen dem Soundtrack eines Spaghetti Westerns und der alptraumhaften Fahrt durch eine elende Metropole. Immer auf der eher dunklen, schweren, melancholischen Seite des Lebens. Diese Band ist nichts für nebenher. […] Infamis ist eine musikalische Welt für sich, die man sich einfach erschliessen muss. […]«
Dann wollen wir uns den zehn Infamis-Kompositionen widmen und aufmerksam zuhören. Vielleicht freundet man sich mit der Formation an und wird am Ende sogar ein Fan.
Es passt, wenn in "Kammerspiele (In Memoriam Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz)" ganz zu Beginn die Rede von »Vorhang auf […]« und am Ende »[…] Applaus […]« häufiger wiederholt wird und tatsächlich applaudiert wird.
Infamis rockt das "Kammerspiel", singt mit gehaltvoll-deutschem Text und bringt sich im Opener nachhaltig durch eine klasse Produktion positiv ins Spiel.
Am Schluss der vorliegenden Platte ist "Heimat und Verwesung" angesagt.
Heimat ist dort, wo man geboren wurde. Heimat ist dort, wo man sich wohl fühlt. Heimat ist dort, wo man Freunde hat.
Verwesung ist der Abgesang des Lebens. Verwesung ist ein neu einsetzender Prozess des Vergänglichen. Immerhin, auch die Verwesung benötigt Sauerstoff. Da kreuzen sich quasi Leben und Verwesung. Infamis' "Heimat und Verwesung" ist so etwas wie ein vertontes Theaterstück in mehreren Aufzügen. Hektischer Drum-Rhythmus vermittelt Nervosität zum »[…] Lied der Sirenen […]« und drumherum vereinen sich die Instrumente zu einem wunderschönen Stelldichein der Leichtigkeit. Zu Mitsumm-Keyboards macht sich eine Gitarre bemerkbar. Hört dieser Schlagzeug-Rhythmus denn nie auf. Die Nervosität zieht beim Hörer einen größeren Radius. Der Gesang fesselt einen. Kleine Klang-Experimente fließen ein und dann wird die Zeile des Songtitels hymnisch. Der letzte Akt des musikalischen Theaterstücks erweckt den Eindruck, als würde der Formation das Lied entgleiten. Extrovertiert wird improvisiert. Das hektische Schlagzeug hat sich verabschiedet und ganz am Ende herrscht Stille. Eine Stille, die einen zum Nachdenken bringt. Eine Stille, bei der sich die innere Stimme des Hörers meldet und zustimmende Worte der Ergriffenheit sowie Zuneigung findet.
Die beiden Buchstützen von "Heimat und Verwesung" beeindrucken.
So veranschaulicht, hat man alles zu diesem Album geschrieben? Nein.
"Helden" ist das tonale Chiffontuch der Band aus Berlin. Wunderschön! Man hat nicht nur das Gefühl, dass hier alles im Gleichgewicht ist, sich in der Schwebe befindet. Dieses Gitarren-Intermezzo, auch durch zärtliche Wah Wah-Pedal-Ideen inszeniert, regt die Fantasie an. Zeitlos schön, dieses "Helden".
Man wechselt die Sprache.
Man wechselt den Lead-Gesang.
Eine Frauenstimme singt in "Lately" melancholisch, ja geradezu traurig. Ein kurzes dynamisches Aufbegehren der Combo bildet die Brücke zum Finale dieser phasenweise auch düsteren Ballade. Diese Nummer weckt Erinnerungen an The Walkabouts.
Die Infamis-Lampe verfügt über einen Dimmer, denn in "Schwarz" geht ab und an fast das Licht aus. Dieses Stück ist Schwarzmalerei und Hoffnung in knapp vier Minuten fokussiert auf minimalistische Infamis-Pinselstriche.
Oje! Das dramaturgisch in Szene gesetzte Einatmen verursacht eine Gänsehaut. "Hund" ist die finale Abrechnung mit dem was »[…] alles schon mal da […]« war.
Bei dieser sehr emotionalen, phasenweise ergreifenden Musik, darf als Fazit ruhig eine Passage aus der Presseinformation zitiert werden, weil sie zutrifft: »[…] Wir haben Töne gemalt, gestreckt, und amputiert, nach Wörtern gebuddelt, einige gefunden und sie liebevoll in die Dehnungsfuge gelegt. […]«
Bleibt gesund und nehmt euch zur Ablenkung Zeit für gute Musik.
Line-up Infamis:
Bernd Verch (drums)
Maren van Ham (bass, guitar, banjo, vocals)
Pierre Moulin (guitar, keyboards, vocals)
R.w. Tedrow (vocals, guitar, percussion)
Thomas Haase (guitar, bass, banjo)
Tracklist "Heimat und Verwesung":
- Kammerspiel (In Memoriam Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz)
- 3Viertel
- Ginvier
- Zeitfreund
- Helden
- Lately
- Perters Pan
- Schwarz
- Hund
- Heimat und Verwesung
Gesamtspielzeit: 49:20, Erscheinungsjahr: 2020
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