Mit 75 Jahren hat die deutsche Rock-Lady Inga Rumpf in diesem Jahr nicht nur ein stattliches Alter erreicht, sondern obendrauf mit Universe Of Dreams/Hidden Tracks auch noch ein sehr starkes (Doppel-) Album vorgelegt. Und die Kenner sowie Fans der Hamburgerin wissen natürlich ganz genau, dass die gute Inga noch viel mehr drauf hat, als mit ihrer einzigartigen Stimme die Alben der City Preachers, Frumpy, Atlantis sowie ihre Soloalben zu verzaubern. Denn in den letzten drei Jahrzehnten wandte sich die Hanseatin verstärkt auch dem Blues, Soul sowie Gospel zu. Und wenn Inga Rumpf eine Sache ständig und immer an ihrer Seite hatte, dann war es Qualität.
»Willst du mich anmachen, oder was is' hier los, Alter? Das einzig Starke an dir ist deine Moto Guzzi, aber sonst bist du ja SO ein Fuzzy!« Diese rüde Abfuhr war meine allererste Begegnung mit Miss Rumpf (auf dem Udo Lindenberg-Song "Cowboy Rocker", 1974), obwohl ich das vor vielen Jahrzehnten natürlich noch nicht wusste. Aber über die Jahre stieg der Verfasser dieser Zeilen immer tiefer in die (auch deutsche) Musik-Geschichte ein und entdeckte natürlich nach und Frumpy und Atlantis (später auch die City Preachers) für sich. Ihre eigene Lebensgeschichte erzählt die Musikerin nun in ihrer Autobiografie "Darf ich was vorsingen?", einer Frage, die sie als musikbegeistertes Kind in der Nachbarschaft ziemlich oft gestellt hatte, um sich ein kleines Taschengeld dazu zu verdienen. In sehr flüssigem Schreibstil erzählt sie von ihrer nicht immer ganz leichten Kindheit und dann der Jugend, die ebenfalls von der Musik bestimmt wurde.
Nach einem Achtungserfolg bei einem Schlagerwettbewerb Ende der Sechziger merkte sie jedoch relativ schnell, dass sie in diese Richtung nicht unbedingt wollte. Aber da waren ja noch die City Preachers, eine Band, in der sie den Schlagzeuger Udo Lindenberg und – noch wesentlich bedeutender! – den Keyboarder Jean-Jacques Kravetz kennenlernte. Mit dem französischen Tastenmann gründete sie nach dem Auseinanderbrechen der Preachers die Band Frumpy und anschließend die Formation Atlantis, mit denen sie den Grundstein zu ihrem heutigen Legenden-Status legte. Im Jahr 1975 erschien mit "Second Hand Mädchen" ein erstes Soloalbum. Die komplett mit deutschen Texten versehene und auch stilistisch von ihren Vorgängerbands abweichende Platte kam bei den Kritikern allerdings nicht sonderlich gut an, unter anderem, weil man Miss Rumpf darauf ihre Eigenständigkeit absprach. Egal, es ging weiter. Allerdings wieder mit englischen Lyrics und auch weiterhin solo, da die gute Inga von den internen Bandstreitigkeiten der letzten Jahre die Schnauze gehörig voll hatte. Jetzt konnte sie sich ihre Musiker (in den meisten Fällen) selbst auswählen, nahm Alben in unter anderem New York oder London auf und war die Chefin, die gefällte Entscheidungen nicht mehr verteidigen oder diskutieren musste.
Im weiteren Verlauf schreibt Inga Rumpf über ihre weitere Karriere, die (zeitlich gesehen ziemlich kurze, immerhin aber zwei neue Studioalben produzierende) Reunion von Frumpy sowie (erstaunlich offen) ihr Privatleben. Beide Themengebiete mit vielen Höhe-, allerdings auch ein paar Tiefpunkten. Da wird auch nicht um den heißen Brei herum geredet, sondern Klartext. Letzten Endes ist die Protagonistin glücklicherweise mit sich im Reinen. Kurz vor dem Schlusswort beendet sie ihre Geschichte mit einer kurzen Einschätzung über das Leben an sich, die Weltlage sowie dem (vom Rezensenten gekürzt zusammengefassten) Satz »Ja, ihr macht mich auf der Bühne groß und ich fühle mich toll dabei. Aber wenn ich aus dem Scheinwerferlicht trete, bin ich mit allen Vorzügen und Fehlern, allen schönen und hässlichen Erfahrungen, genauso wie ihr.«, was die Lady nochmal sympathischer macht.
"Darf ich was vorsingen?" ist bei weitem nicht nur Inga Rumpf-Fans wärmstens zu empfehlen, sondern allen, die Spaß an Musik an sich sowie auch einer spannenden Lebensgeschichte haben. Natürlich will der beinharte Fan am liebsten immer noch mehr Infos, noch mehr Geschichten speziell aus der Zeit von den späten Sechzigern bis Mitte der Siebziger, aber Inga bringt eigentlich alles sehr gut auf den Punkt und die wichtigen Fragen werden beantwortet. Ein tolles Lesevergnügen, das auch stark dazu animiert, die älteren Scheiben von Miss Rumpf wieder aus dem Schrank zu ziehen oder sich diese gegebenfalls erstmalig zu besorgen.
Angaben zum Buch:
Verlag: Ellert & Richter Verlag
1. Auflage (2021)
Gebundene Ausgabe, 352 Seiten mit vielen Fotos
ISBN-10: 3831907986
ISBN-13: 978-3831907984
25,00 Euro
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