
Intelligent Music Project basiert auf einer Idee von Dr. Milen Vrabrevski, der sich vor zehn Jahren laut Beiblatt aufmachte, die Liebe zur Kultur und Musik seines Heimatlandes der Welt zu präsentieren. Als großer Freund ethnischer Projekte wähnte ich mich schon, einen neuen Pfeil in meine persönliche Weltkarte einpflanzen zu können, hatte ich doch bislang nur einmal weltmusikalische Berührung mit Bulgarien. 1998 setzten die von Vladimir Ivanoff geführten und wirklich fantastischen Sarband bei der Eröffnung der Duisburger Akzente, bei denen die freie Künstlerszene unserer Stadt damals bei mir im Hauptbahnhof ein dreiwöchiges, spannendes und oftmals atemraubendes Nebenprogramm inszenierte – vielleicht die schönste Phase meines Berufslebens voller Überraschungen und mit vielen neuen, tollen Kontakten.
Schnell jedoch muss ich alle Erwartungen revidieren, hier liegt ein Album vor, das mit solchen Ambitionen nichts am Hut hat. Wir greifen tief in die Kiste des AOR und des klassischen, melodischen Hard Rock, das aber auf ausgesprochen hohem Niveau. Denn Milen holt immer wieder eine Garde erprobter Künstler in sein Projekt, so auch in der fünften Ausgabe. Da wirken Ex-Musiker von Asia, Toto und Ritchie Blackmores Rainbow mit, sozusagen eine Versicherung darauf, dass man stilistisch mit Leichtigkeit ins Ziel steuert. Die Beziehung hingegen zu der Musik von Bulgarien erschließt sich mir nicht, auch wenn sie von einem Bulgaren geschrieben und produziert wurde.
Die Songs bewegen sich weitgehend in melodisch, eingängigem Rock, wirken aber immer auch ein Stück weit überraschend in ihren Wendungen. Diverse Intros mit akustischer Gitarre sorgen für kurze Besinnlichkeit, verbunden mit der Qualität der versammelten Sänger haben diese Momente gelegentlich ein Stück Erhabenheit, die Garde der versammelten Barden verleiht den jeweiligen Nummern einen eigenen Charakter und haucht ihnen Seele ein.
So mag es nicht verwundern, dass einer meiner Favoriten auf dem gesamten Album schon früh gespielt wird. "Where I Belong" ist eine tolle Nummer mit einem Gänsehaut erzeugenden Piano zu Beginn, das sein adäquates Echo in der kraftvoller Stimme Richard Grismans, dem Frontmann von River Hounds findet. Wo gehöre ich hin, eine Frage, die ich mir selbst in diesen Tagen immer mehr stelle, wenn plötzlich eine nicht zu schließende Lücke entstanden ist. Gut, wenn Menschen da sind, die einem das schöne Gefühl geben, dass die Antwort darauf eigentlich ganz einfach ist.
Die Songs atmen insgesamt oft einen leicht melancholischen Hauch aus, der im Verlauf in wohlklingenden Arrangements verloren geht. Ecken und Kanten dürfen wir nicht erwarten, jedoch driftet die Musik nie in Trivialität ab und bringt immer wieder riffige Stimmungsmacher wie das coole "We Keep On Running". Starke Momente klassischen Hard Rocks bekommen wir eben auch geboten. Dabei überzeugen die mitreißenden Hooklines, die sich schnell einprägen. Hin und wieder treffen wir auch mal auf leicht progressive Breaks, fast unmerklich und eher der Melodic geschuldet. Dann verströmt die Musik ein bisschen vom Spirit der früheren Arena-Alben, Beispiel gefällig? Das Intro zu "By The Side Of The Minute" hätte so auch auf "The Visitor" gepasst.
Extrovertierte Soli gibt es auf der Gitarre immer wieder, während die diversen Tastenspieler sich weitgehend im Hintergrund halten und für eine geeignete Atmosphäre und die entsprechenden Soundteppiche sorgen. Das alles wirkt erfreulich zurückgenommen und ohne Exzentrik in einer derart vielköpfigen Band. Die Kompositionen leben ganz und gar vom stimmigen Songwriting, der professionellen Aufarbeitung und den mitreißenden Vokal-Parts. "The Final Act" bringt mit seiner eindrücklichen Stimmung und Tempoverschärfung viele Aspekte dieses Albums auf den Punkt, das perlende Gitarrensolo, das am Ende in einer sanften Entschleunigung aufgefangen wird, zeigt die lässige Gewandtheit der Combo – die haben alles im Griff.
Wenn "Every Time" angestimmt wird, wähne ich mich für einen Moment bei Kansas, sicher auch eine Band aus dem Referenz-Bereich dieses Projekts. Doch auch hier finden wir durchaus eigenständige Wendungen, die dem Song so etwas wie Seele geben, die schöne akustische Gitarre passt hier perfekt.
Und dann kurz vor Schluss doch noch eine coole Überraschung. "Rising" beginnt lässig mit einem eineinhalb minütigen Schlagzeug-Solo und geht dann in einen bluesigen Drive über, den eben auch Uriah Heep gerne kreiert haben. Hier gibt es mehrstimmigen Gesang unserer Helden, die sich bis dahin brav die einzelnen Parts untereinander aufgeteilt hatten, eine klassische Mitmachnummer.
Doch stark ist der Kontrast zu den Streichern, die das letzte Kapitel einleiten, das gibt dem dramatischen Ende eine besondere Dichte und die Gitarre von Bisser Ivanov, der auf dem gesamten Album famose Arbeit abliefert, elaboriert noch einmal angemessen emotional, ein würdiger Schlusspunkt.
Wer souveränen und meist auch radiotauglichen melodischen Rock mag, wird voll auf seine Kosten kommen. Die Kompositionen sind ausgefeilt und technisch perfekt umgesetzt, das gilt nicht nur für die All Star-Gäste, sondern absolut auch für den heimischen Bandanteil. Die Songs sind eher an Harmonie denn an Konfrontation orientiert, haben dennoch sehr schöne musikalische Einfälle und Wendungen, die Spaß machen beim Zuhören. Musik für einen entspannten Sommerabend auf dem Balkon, wenn denn die Reise zu fernen Welten in diesem Jahr nicht möglich sein sollte. Einladungen zum Träumen findet man hier genug.
Line-up Intelligent Music Project V:
Simon Philipps (drums)
John Lawton (lead vocals)
Joseph Williams (lead vocals)
Ronnie Romero (lead vocals)
John Payne (lead vocals)
Richard Grisman (lead vocals)
Tim Pierce (guitar)
Nathan East (bass)
Jesse Siebenberg (guitar, vocals)
Dave Palmer (keyboards)
Ernest Tibbs (bass)
Stoyan Yankoulov-Stundzhi (drums)
Bisser Ivanov (guitar)
Ivaylo Zvezdomirov (bass)
Ivo Stefanov (keyboards)
Samuel Eftimov (keyboards)
Slavin Slavchev (vocals)
Bobi Kosatka (vocals)
Lina Nikole (vocals)
Tracklist "Life Motion":
- A Kind Of Real Life
- Don’t Let Them Win
- Where I Belong
- Letting Me In
- We Keep On Running
- By The Side Of The Minute
- Run Away
- The Final Act
- Reflecting
- Every Time
- Rising
- The Things In Your Mind
Gesamtspielzeit: 51:17, Erscheinungsjahr: 2020
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